Ergebnis 1 bis 2 von 2

Thema: Heißt es im Sinn von .... oder im Sinne von. Warum benutzt man manchmal "Sinn" und manchmal "Sinne", auch wenn es sich nicht um den Plural (Sinnesorgane) handelt

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es im Sinn von .... oder im Sinne von. Warum benutzt man manchmal "Sinn" und manchmal "Sinne", auch wenn es sich nicht um den Plural (Sinnesorgane) handelt

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Sprachschüler C2

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden

    Guten Tag,

    ich konnte anhand des Dudens nicht klären, warum man manchmal liest oder sagt "in diesem Sinn" und manchmal "in diesem Sinne. Ebenso im wahrsten Sinn des Wortes und im wahrsten Sinne des Wortes

  2. #2
    Registriert seit
    03.07.2014
    Ort
    Gießen
    Beiträge
    271

    Standard Dativ-e

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Ihre Frage betrifft die Flexion des Substantivs Sinn. Konkret geht es darum, wie der Dativ des Substantivs gebildet werden muss.

    Sprachsystem


    Das Flexionsparadigma des Substantivs Sinn, welches ein Maskulines Substantiv ist und deswegen stark flektiert wird, sieht wie folgt aus:

    Singular Plural
    Nominativ (der) Sinn (die) Sinne
    Genitiv (des) Sinn(e)s (der) Sinne
    Dativ (dem) Sinn(e) (den) Sinnen
    Akkusativ (den) Sinn (die) Sinne

    Aus der obigen Tabelle geht also hervor, dass es zwei verschiedene Möglichkeiten gibt, den Dativ von Sinn zu bilden, nämlich:

    Beispiel

    dem Sinn
    dem Sinne


    Es stellt sich nun die Frage, ob und wenn ja wann das Dativ-e realisiert werden muss. Im Gegenwartsdeutschen ist das Dativ-e für Ihr Beispielwort laut Duden 9 „Richtiges und gutes Deutsch“ fakultativ, d.h. es kann realisiert werden, muss aber nicht. Konkret heißt es dort mit Bezug auf Ihr Beispiel, dass die „Setzung [des Dativ-e] vom Satzrhythmus bzw. vom rhythmischen Gefühl des Schreibers oder Sprechers ab[hängt]“. Dazu wird u.a. folgendes Beispiel angeführt:

    Beispiel

    in seinem Sinn[e]


    In der Dudengrammatik (Randnummer 317) werden die folgenden Einflussfaktoren für das Auftreten des Dativ-e genannt:

    1. Die Stellung im Wortschatz: Das Dativ-e tritt v.a. bei Wörtern des Grundwortschatzes sowie in festen Wendungen auf.
    2. Stilebene: Das Dativ-e wird v.a. in literarischen Texten genutzt und in solchen, die an literarische Texte angelehnt sind.
    3. Lautform: Das Dativ-e kann nur bei Substantiven stehen, die den Genitiv prinzipiell auf –es bilden können oder müssen.
    4. Syntax: Das Dativ-e steht nur, wenn dem Substantiv ein dekliniertes Wort, z.B. ein Artikel oder ein Adjektiv vorangeht.

    Insgesamt wird das Dativ-e jedoch kaum noch realisiert außerhalb von literarischen Texten und abgesehen von bestimmten Redewendungen. In Ihren Beispielsätzen könnte es sich um solche Redewendungen und festgefügten Verbindungen handeln, bei denen das Dativ-e noch weit verbreitet ist.
     


    Sprachgeschichte


    Blickt man zurück in die Sprachgeschichte, dann ist das Dativ-e in früheren Epochen des Deutschen weit verbreitet. Ein Wandel tritt insbesondere im 19. Jahrhundert ein, wo sich insbesondere Sprachpfleger darüber beklagten, dass das Dativ-e zunehmend weniger realisiert wird. So schreibt beispielsweise Adelung:

    „Das e ist in derselben [= "der ersten Declination"] ein characteristischer Biegungslaut, daher derselbe, in eigentlich Deutschen Wörtern, im Genitiv und Dativ der Einheit nie verbissen werden sollte [...]. [...] Wo das e im Genitive nicht verbissen werden darf, da kann es im Dative noch weniger wegfallen, weil er dessen characteristischer Biegungslaut ist. Folglich sind dem Baume, dem Arme, zu seinem Wohle, an diesem Abende u. s. f. richtger als ohne e.“ [Adelung 1782, Bd. 1, S. 399f.]

    Peter von Polenz stellt diesbezüglich fest, dass „die Bewahrung des Dativ-e […] seit Adelung als feste Norm der Literatursprache [galt], obwohl e-lose Varianten längst vorkamen“. Er weist darüber hinaus – ähnlich wie der Duden 9 und die Dudengrammatik – darauf hin, dass der Gebrauch heutzutage schwankt. Besonders verbreitet sei das Dativ-e „bei idiomatisierten adverbialen Verbindungen“. Dazu nennt er als Beispiel auch:

    Beispiel

    in diesem Sinne


    Insgesamt lässt sich sagen, dass die Verwendung des Dativ-e im Gegenwartsdeutschen sehr selten geworden ist. Dass dem so ist, zeigt sich laut Grammis u.a. darin, dass „es […] in den Textkorpora des IDS [= Instituts für Deutsche Sprache] nur etwa 200 Mal pro eine Million Wörter [erscheint]“. Verwendungen wie das folgende Beispiel aus Friedrich Schillers Die Räuber würden demnach heute wahrscheinlich eher nicht verwendet werden:

    Beispiel

    Dem Manne kann geholfen werden! [Karl Moor in Friedrich Schillers „Die Räuber“ V, 2]


    Hingegen gibt es durchaus sehr frequente Wortkombinationen – zu denen auch die von Ihnen angeführten Beispiele gehören –, bei denen das Dativ-e noch geläufig ist. Ein prototypisches Beispiel dafür ist die Verwendung der Präpositionalgruppe zu Hause, bei der das Dativ-e an dem Substantiv Haus sehr häufig markiert ist, wie in:

    Beispiel

    Zu Hause fühle ich mich am wohlsten.
    Ich bin nicht zu Hause.


    Die Markierung des Dativ-e bei geläufigen Ausdrücken hängt damit zusammen, dass, wenn gewisse Kombinationen immer wieder gelesen oder auch gehört werden, sie sich verfestigen und damit weniger anfällig für Sprachwandeltendenzen sind. Das bedeutet, dass das Dativ-e vor allem dann steht, wenn es sich um Redewendungen oder feste Wortverbindungen handelt, die darüber hinaus sehr gebräuchlich sind.
     


    Sprachgebrauch


    Um zu überprüfen, welche Variante im aktuellen Sprachgebrauch präferiert wird, wurde mithilfe von COSMAS II, der digitalen Belegsammlung des Instituts für Deutsche Sprache (IDS), und Google nach beiden Varianten gesucht. Dabei ergab sich folgendes Ergebnis:

    COSMAS IIGoogle
    in diesem Sinn ca. 9.520 Treffer ca. 448.000 Treffer
    in diesem Sinne ca. 49.483 Treffer ca. 7.080.000 Treffer
    im wahrsten Sinn des Wortes ca. 4.872 Treffer ca. 166.000 Treffer
    im wahrsten Sinne des Wortes ca. 26.000 Treffer ca. 454.000 Treffer

    Die Tabelle zeigt, dass im Sprachgebrauch für die beiden von Ihnen vorgeschlagenen Varianten die Verwendung mit Dativ-e überwiegt. Dies könnte v.a. daran liegen, dass es sich hier um feste Fügungen bzw. Redewendungen handelt, bei denen das Dativ-e tendenziell verbreitet ist.

    Hinweis zu Googledaten: Die Sprachgebrauchsdaten werden mit dem wissenschaftlich fundierten Recherchesystem des Instituts für deutsche Sprache Mannheim COSMAS II erhoben und durch Googlebefunde ergänzt. Die ergänzende Googlesuche ist notwendig, da in der Textsammlung des IdS (DeReKo = Deutsches Referenzkorpus), obwohl diese inzwischen 24 Milliarden Wortformen umfasst, die gefragten Varianten häufig nur relativ selten vorkommen. Bei Google finden sich häufig deutlich mehr Treffer, die Zahlen sind aber aus den folgenden beiden Gründen mit Vorsicht zu genießen:

    1. Google unterscheidet nicht zwischen "echten" Sprachgebrauchstreffern und metasprachlichen Diskussionen. Die Frage zu downgeloadet/gedownloadet in unserem Forum bspw. ist auch ein Treffer bei Google. Insgesamt betrachtet machen die metasprachlichen Diskussionen aber in aller Regel den deutlich geringeren Anteil an den Gesamttreffern aus.

    2. Google bemüht sich um personalisierte und schnelle Suchergebnisse, die Treffergenauigkeit steht hier also nicht im Vordergrund. Dennoch - und deshalb wird hier trotz der genannten Einschränkungen auf Google zurückgegriffen - lassen sich doch Eindrücke über allgemeine Gebrauchstendenzen gewinnen.
     


    Fazit: Das Dativ-e nimmt im Deutschen für die starke Deklination von Maskulina ab. War das Dativ-e in früheren Epochen des Deutschen noch obligatorisch, ist es in den meisten Fällen heute fakultativ. Verwendet wird es v.a. in literarischen Texten und in festen Redewendungen. Bei den von Ihnen angeführten Beispielphrasen scheint es sich um solche feste Fügungen zu handeln, bei denen das Dativ-e zwar mittlerweile fakultativ, im Sprachgebrauch aber noch weitverbreitet ist.

    Umfrage zum Umgang mit dieser Antwort

    War diese Antwort hilfreich für Sie? Wie gehen Sie damit um?
    Helfen Sie unserem Forschungsteam von der Universität Gießen dabei herauszufinden, wie eine solche Grammatik benutzt wird, welche Erläuterungen interessant sind und wie Sie damit umgehen. Durch die Beantwortung unseres Fragebogens tragen Sie dazu bei, die Qualität unserer Antworten und die Qualität von Grammatiken zu verbessern!

    Umfrage öffnen


Ähnliche Themen

  1. Antworten: 2
    Letzter Beitrag: 12.02.2019, 07:19
  2. Antworten: 1
    Letzter Beitrag: 29.07.2014, 12:46
  3. Antworten: 2
    Letzter Beitrag: 19.10.2013, 08:05
  4. Macht es Sinn, wenn etwas einen Sinn ergibt.
    Von Unregistriert im Forum Fragen zur Grammatik
    Antworten: 3
    Letzter Beitrag: 15.11.2011, 18:44

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein