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Thema: "Kulturinstitutionen als AKTEURE oder AKTEURINNEN in der Geflüchtetenhilfe" - Akteure oder Akteurinnen? Interssiert mich sowohl aus grammtikalischer Sicht als auch aus Perspektive der genderneutralen Schreibweise

  1. #1
    Franziska Gast

    Standard "Kulturinstitutionen als AKTEURE oder AKTEURINNEN in der Geflüchtetenhilfe" - Akteure oder Akteurinnen? Interssiert mich sowohl aus grammtikalischer Sicht als auch aus Perspektive der genderneutralen Schreibweise

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    beim Schreiben einer Hausarbeit

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden
    Geändert von Lars Bepler (01.09.2016 um 12:42 Uhr)

  2. #2

    Standard Geschlechtergerechter Sprachgebrauch und grammatisches Geschlecht

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Ihre Frage betrifft den geschlechtergerechten Sprachgebrauch und das grammatische Geschlecht. Das grammatische Geschlecht (Genus) von Kulturinstitutionen ist feminin und in Ihrem Beispiel ist dieses Substantiv mit einer „als-Apposition“ verbunden, nämlich als Akteure/Akteurinnen. Mit der Konjunktion als erfolgt eine Gleichsetzung, weshalb Übereinstimmung (Kongruenz) zwischen den gleichgesetzten Elementen besteht. Zu diesem Thema existieren bereits Antworten von uns, z.B.:

    als zuständige/r Hafenbehörde

    Diese betreffen jedoch immer nur die Kasuskongruenz. In Ihrem Fall lautet daher die Frage, ob eine Kongruenz zwischen Kulturinstitutionen und Akteure/Akteurinnen auch im Genus bestehen muss. Kulturinstitution bezeichnet keine weibliche Person, sondern ist nach dessen Bedeutung (Semantik) abstrakt und geschlechtslos, weshalb neben der Kongruenz ebenso das geschlechtsunspezifische (generische) Maskulinum in Frage kommt:
    die Universität als Arbeitgeber
    das Amtsgericht als Akteur
    die Amtsgerichte als Akteure
    die Kulturinstitutionen als Akteure
    Sie haben bereits korrekt festgestellt, dass sich Ihr Zweifelsfall auf die Thematik des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs beziehen lässt. Der geschlechtergerechte Sprachgebrauch ist eine junge, gesellschaftlich motivierte Entwicklung, die derzeit in der Anwendung zu Zweifeln bezüglich der Frage führt, wie dieser umzusetzen ist. Wie oben bereits angeschnitten, ist das Genus eine feste grammatische Eigenschaft eines Substantivs, weshalb man zwischen grammatischem (Genus) und natürlichem Geschlecht (Sexus) in der Sprache unterscheidet. Der neutrale Gebrauch von einem grammatischen Geschlecht für mehrere natürliche Geschlechter wird als generisch bezeichnet:
    der Täter, der Trottel
    die Geisel, die Person
    In Hinsicht auf das heutige Bestreben nach einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch befinden sich besonders Personenbezeichnungen, die ein generisches Maskulinum aufweisen, also mehrere natürliche Geschlechter zu einem Maskulinum verallgemeinern, dahingehend in einem Sprachwandelprozess: Man möchte im Sinne einer politisch korrekten Sprachverwendung beide natürlichen Geschlechter ebenso grammatisch abbilden.
    Um auf Ihren Zweifelsfall zurückzukommen: Kulturinstitutionen ist keine Personenbezeichnung; Akteure ist hingegen eine Personenbezeichnung:
    die Akteure der Kulturinstitutionen (= die Personen, welche sich in den Institutionen befinden)
    Kulturinstitutionen als Akteure (= die Kulturinstitutionen, welche agieren)
    Durch die Gleichsetzung über die Konjunktion als wird Akteure “entpersonalisiert“, weshalb es keinen Sinn ergibt, es wie eine Personenbezeichnung zu behandeln. Es handelt sich hierbei sozusagen um eine „Hyperkorrektur“: Das Postulat des geschlechtergerechten Sprachgebrauchs wird auf das Genus von Nichtpersonenbezeichnungen übertragen. Man geht von einer Gleichsetzung von Genus und Sexus aus, bedenkt jedoch nicht mehr, dass es auch Substantive gibt, für die sich diese Frage gar nicht stellt, da sie nur ein grammatisches Genus haben. Bei Substantiven ohne Sexus kann man einen gendergerechten Sprachgebrauch nicht anwenden, da Genus eine Wortkategorie und somit fest ist:
    die Schulen als Motoren der Entwicklung
    Die Gleichsetzung funktioniert, obwohl Schule ein Femininum und Motor ein Maskulinum ist. Es existiert auch gar keine feminine Ableitung zu Motor: *Motorinnen. In Ihrem Fall besitzt Akteure zwar eine feminine Ableitung, allerdings kann man das Wort auch wie Motoren im obigen Beispiel als Abstraktum betrachten.
    Daraus ergibt sich für den Sprachgebrauch die Frage, ob das Postulat der Sexuskongruenz (z.B. die Politikerinnen als Akteurinnen) allgemein auf die Genuskongruenz bei Fällen von Nichtsexus übertragen wird. Um dieser Frage nachzugehen, werden wir uns im Folgenden den Sprachgebrauch ansehen.
     


    Sprachgebrauch

    Es ist leider nur schwer möglich, die Thematik durch eine Sprachgebrauchsanalyse abzudecken. Die Sprachgebrauchsanalyse basierend auf dem Korpus COSMAS II des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim anhand der Beispiele Kirche als Träger und Kirche als Trägerin sowie Stadt als Träger und Stadt als Trägerin zeigt:

    Kirche als Träger: 103 Treffer
    Kirche als Trägerin: 43 Treffer
    Stadt als Träger: 246 Treffer
    Stadt als Trägerin: 64 Treffer

    Trotz der im vorherigen Abschnitt aufgeführten Überlegungen gibt es eine gewisse Neigung, die Genuskongruenz auf Abstrakta zu übertragen, vermutlich besonders in Domänen, die besonders sensibel in Bezug auf den geschlechtergerechten Sprachgebrauch sind.
     


    Fazit
    Da Kulturinstitutionen keine Personenbezeichnung ist und die Gleichsetzung durch die Konjunktion als Akteure „entpersonalisiert“, muss Akteure nicht wie eine Personenbezeichnung, sondern kann wie ein Abstraktum behandelt werden und muss nicht an den gendergerechten Sprachgebrauch angepasst werden. Die Entwicklung der nächsten Jahre wird zeigen, ob die Bemühungen um geschlechtergerechten Sprachgebrauch bei Personenbezeichnungen einen nachhaltigen Einfluss auf das gesamte Genussystem haben werden.
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    Geändert von Lars Bepler (10.06.2017 um 21:37 Uhr)

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