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Thema: Perfekt oder Präteritum bei Ist-Konstruktionen?

  1. #1

    Standard Perfekt oder Präteritum bei Ist-Konstruktionen?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Beim Schreiben.

    Hallo,

    ich bin gerade etwas verwirrt in Bezug auf die richtige Zeitraum in "Es ist wahrscheinlich/gut [eben ein Adjektiv], dass … [und dann eben eine vergangene Handlung]."

    Theoretisch müsste ja diese Ist-Konstruktion das Perfekt im zweiten Hauptsatz voraussetzen, da "es" ja immer noch wahrscheinlich oder sonst etwas ist.

    Jedoch ergibt das nicht zu 100 Prozent Sinn, da man bei Konstruktionen wie "Wahrscheinlich ging ich dann …" das Perfekt benutzen müsste

    Ach, das Perfekt ist wegen solchen Dingen eben echt verwirrend, da zumindest ich finde, dass der "Gegenwartsbezug" meistens sehr schwer zu erkennen und generell irgendwie subjektiv ist …

    Danke schon mal für alle Antworten …

  2. #2
    Registriert seit
    03.07.2014
    Ort
    Gießen
    Beiträge
    271

    Standard Verwendung von Perfekt und Präteritum

    Sprachsystem


    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    In Ihrer Frage geht es um die Verwendung der Tempora Präteritum und Perfekt. Sie möchten dies konkret bei solchen Konstruktionen wissen, bei denen im Hauptsatz das Kopulaverb sein im Präsens verwendet wird, während im Nebensatz eine vergangene Handlung ausgedrückt werden soll. Als Beispiel für die weitere Analyse sollen die folgenden Sätze dienen:

    Beispiel

    1) Es ist gut, dass du kamst. (Präteritum)
    2) Es ist gut, dass du gekommen bist. (Perfekt)


    Betrachten wir zunächst die Funktion des Präteritums. Das Präteritum dient dazu, etwas Vergangenes zu bezeichnen. Dabei besteht seine besondere Funktion darin, dass das Ereignis oder die Handlung, die mit dem Verb ausgedrückt wird, bereits vor dem Sprechzeitpunkt stattgefunden hat. Damit wird eine Distanz zur Sprechsituation erzeugt, bei der das Gesagte vor dem Sprechzeitpunkt liegt. Diese Verwendung findet sich bei dem folgenden Satz:

    Beispiel

    Gestern gingen wir gemeinsam ins Theater.


    In diesem Beispielsatz liegt der Besuch des Theaters in der Vergangenheit zurück und die damit verbundene Handlung ist bereits abgeschlossen.

    Auch das Perfekt kann die zuvor angeführte Funktion übernehmen und damit gleichbedeutend zum Präteritum sein. Dies zeigt eine Umformulierung des vorherigen Beispielsatzes im Perfekt:

    Beispiel

    Gestern sind wir gemeinsam ins Theater gegangen.


    Mit der Wahl des Perfekts kann also ebenfalls ausgedrückt werden, dass eine Handlung in der Vergangenheit stattfand und bereits abgeschlossen ist.

    Darüber hinaus kann das Perfekt genutzt werden, um sprachlich zu betonen, dass eine Handlung oder ein Ereignis, das durch das Verb beschrieben wird, in der Vergangenheit eingesetzt hat, aber bis zum Sprechzeitpunkt noch anhält bzw. noch sehr starke Auswirkungen auf diesen hat. Dies lässt sich am folgenden Beispiel veranschaulichen:

    Beispiel

    Ich habe meine Brille verloren und suche sie immer noch vergeblich.


    Das Verlieren der Brille hat in diesem Beispielsatz zwar in der Vergangenheit stattgefunden, da aber die Brille noch nicht wieder aufgetaucht ist, hat dies Auswirkungen auf die Gegenwart. Der Zustand hat sich seitdem nicht geändert, was durch die Verwendung des Perfekts artikuliert werden kann. Analog dazu funktioniert auch das folgende Beispiel:

    Beispiel

    Das Baby ist vor einer Stunde eingeschlafen und schläft immer noch so süß.


    Demnach können sich die beiden Tempora in ihrem Funktionsbereich überschneiden, wobei dem Perfekt darüber hinaus eine weitere Funktion zukommt. Betrachten wir nun die Ausgangsbeispiele:

    Der Satz Es ist gut, dass du kamst. bedeutet, dass eine Person in der Vergangenheit bei einer anderen Person vorbeigekommen ist, zum Sprechzeitpunkt jedoch nicht mehr bei ihr ist. Durch die Wahl des Präsens im Hauptsatz soll dabei wahrscheinlich angezeigt werden, dass der Besuch noch immer – also zur Zeit des Sprechzeitpunkts – positive Auswirkungen zeigt.

    Verwendet man den Satz hingegen mit dem Perfekt, also Es ist gut, dass du gekommen bist., scheint die folgende Lesart am plausibelsten zu sein: Die Person, die gekommen ist, ist zum Sprechzeitpunkt immer noch anwesend. Das heißt, dass die in der Vergangenheit begonnene Handlung noch bis an die Gegenwart heranreicht. Man kann den Satz gedanklich also wie folgt fortsetzen:

    Beispiel

    Es ist gut, dass du gekommen bist und immer noch da bist.
    Es ist gut, dass du gekommen bist, aber jetzt wird es Zeit zu gehen.


    Das bedeutet, dass durch die Wahl des Tempus sich unterschiedliche Bedeutungsnuancen ergeben und das Tempus entsprechend der gewünschten Bedeutung gewählt werden muss.

    Dennoch erscheinen beide Varianten nicht gleich wahrscheinlich: Wenn im Hauptsatz das Präsens steht, liegt es nahe, dass ein Gegenwartsbezug vorliegt und entsprechend würde man voraussichtlich für den Nebensatz eher das Perfekt wählen. Will man hingegen deutlich anzeigen, dass es sich hierbei um etwas Vergangenes bzw. Abgeschlossenes handelt, würde man im Hauptsatz ebenfalls ein Vergangenheitstempus wählen, also bspw.:

    Beispiel

    Es war gut, dass du kamst.


    Entsprechend kann durch die Wahl des Tempus gewisse Bedeutungsnuancen gesetzt werden und es muss für den konkreten Satz entschieden werden, welche Bedeutung artikuliert werden soll.

     

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