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Thema: Objektsatz mit "dass" vs. Relativsatz mit "das" bzw. "was"

  1. #1

    Standard Objektsatz mit "dass" vs. Relativsatz mit "das" bzw. "was"

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Sprachenforum (Duolingo)

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    online: Duden, WIkipedia, canoonet etc.

    Es geht um die Übersetzung einer Frage aus dem Französischen zu: "Was wollt ihr denn, dass ich ihm sage?"
    https://www.duolingo.com/comment/17306327$comment_id=17328579

    Meiner Meinung nach ist "dass ich ihm sage" ein Objektsatz. Es wurde aber geäussert, dass es sich dabei um einen Relativsatz handelt und daher "das ich ihm sage" die richtige Lösung sein muss, bzw. "Was wollt ihr denn, was ich ihm sage?" auch möglich ist.

    Mein Einwand, dass man "das" in Relativsätzen durch "dieses" ersetzen kann, was in unserem Satz nicht funktioniert, konnte vor allem in Hinsicht auf die Verwendung von "was" nicht überzeugen.
    Die Verwendung von "was" ist hier meiner Meinung nach ebenso falsch. Es fällt mir aber schwer, eine nachvollziehbare Begründung zu liefern. Ich wäre also sehr dankbar um die Meinung eines Experten!

  2. #2
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    Standard Satzverschränkung: Objektsatz oder Relativsatz

    Sprachsystem


    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Ihre Grammatikfrage betrifft den Unterschied zwischen Relativsätzen und Objektsätzen. Konkret möchten Sie wissen, welche Satzart der zweite Teilsatz im folgenden Beispiel ist:

    Beispiel

    1) Was wollt ihr denn, das(s) ich ihm sage?


    Wenn es sich um einen Relativsatz handelt, dann ist das einleitende Wort das Relativpronomen das, bei einem Objektsatz hingegen wäre es der Subjunktor dass.


    Zur Beantwortung dieser Frage empfiehlt sich die Beachtung des folgenden Beitrags, bei dem eine ähnliche Problematik bereits diskutiert wurde:
    http://www.grammatikfragen.de/showth...erschr%E4nkung

    Um Ihrem Zweifelsfall nachzugehen, soll sich zunächst die Struktur der Frage angesehen werden. Diese soll etwas anschaulicher gemacht werden, indem die entsprechende Frage vorerst als Aussagesatz formuliert wird. Der Aussagesatz kann entsprechend lauten:

    Beispiel

    2) Ihr wollt, dass ich ihm etwas sage.


    In diesem Beispielsatz besteht der Hauptsatz aus dem Subjekt ihr und dem Prädikat wollt. Das Verb wollen kann im Deutschen unterschiedlich verwendet werden: Es kann zum einen als ein Modalverb verwendet werden. Modalverben zeichnen sich grammatisch dadurch aus, dass sie einen Infinitiv regieren, mit dem bei dem Verb wollen angegeben wird, was gewollt wird. Entsprechend könnte ein Satz mit wollen als Modalverb wie folgt aussehen:

    Beispiel

    3) Ich will studieren.


    Zum anderen kann wollen auch als Vollverb genutzt werden, wie in Ihrem Beispiel. Als Vollverb benötigt es jemanden, der will, und etwas, das gewollt wird. Anders als bei dem Modalverb wollen fordert das Vollverb wollen also keinen Infinitiv. Es benötigt aber darüber hinaus ein Objekt, um einen grammatischen Satz zu bilden. Das heißt, dass ein Satz mit wollen die folgende Struktur hat:

    Beispiel

    4) Jemand will x.


    Das x kann im Deutschen durch ein Wort (5), eine Wortgruppe (6) oder durch einen Teilsatz, einen sogenannten Objektsatz, (7) realisiert werden:

    Beispiel

    5) Ihr wollt (et)was.
    6) Ihr wollt ein Gespräch.
    7) Ich wollt, dass ich ihm etwas sage.


    Grammatisch betrachtet erfüllt dabei der Objektsatz in 7 dieselbe Funktion wie das unterstrichene Wort in 5 und die unterstrichene Wortgruppe in 6. Der Objektsatz hat damit also eine Satzgliedfunktion. Er realisiert eine vom Verb geforderte Konstituente. In Beispielsatz 2 fungiert also der zweite Teilsatz dass ich ihm sage als Objektsatz, da es sich hierbei um den zweiten nötigen Mitspieler von wollen handelt. Das einleitende dass wird dabei mit doppeltem s geschrieben, weil es sich hierbei um den Subjunktor dass handelt, der einen solchen Objektsatz einleiten kann.

    Vor diesem Hintergrund könnte die von Ihnen formulierte Frage so verstanden werden, dass es sich bei dem vorliegenden Nebensatz um einen Objektsatz handelt. Der Objektsatz würde dann die notwendige Ergänzung zu wollen darstellen, mit der angegeben wird, was gewollt wird. Entsprechend dieser Lesart müsste es sich bei dass also um einen Subjunktor handeln und Ihr Beispielsatz also lauten:

    Beispiel

    8) Was wollt ihr denn, dass ich ihm sage?


    Diese Lesart bereitet jedoch mehrere Probleme: Ein erstes Problem besteht darin, dass es zu einer sogenannten Objekthäufung kommt, denn nicht nur der Nebensatz kommt als Objekt zu wollen in Frage, sondern auch das Interrogativpronomen (Fragepronomen) was. Wenn dieses aber bereits die notwendige Ergänzung zu wollen darstellt, dann bedarf es keines weiteren Objektsatzes mehr für diese Funktion. Ein zweites Problem entsteht durch ein fehlendes etwas im Objektsatz, was deutlich wird, wenn man sich die Struktur des Nebensatzes ansieht.

    Auch das Verb sagen verlangt nämlich bestimmte Mitspieler im Satz und zwar einen Sprecher, der etwas sagt, einen Inhalt, was gesagt wird und einen Hörer, an den sich das Gesagte richtet. Damit hat ein Satz mit sagen die folgende Struktur:

    Beispiel

    9) Jemand sagt jemandem x.


    Dabei kann das x auch hier entweder durch ein Wort (10), eine Wortgruppe (11) oder durch einen Objektsatz realisiert werden (12):

    Beispiel

    10) Ich sage dir et(was).
    11) Ich sage dir die Wahrheit.
    12) Ich sage dir, dass du gehen sollst.


    Legt man Ihrem Beispielsatz nun die Objektsatzlesart zugrunde, dann fällt auf, dass diejenige Konstituente im Nebensatz fehlt, mit der angegeben wird, was gesagt wird. Dieses Fehlen kann nur dadurch erklärt werden, dass das Interrogativpronomen was aus dem Hauptsatz als diese benötigte Konstituente verstanden wird.

    Die diesem Zweifelsfall zugrunde liegende Konstruktion wird als Satzverschränkung bezeichnet. Eine Satzverschränkung liegt dann vor, wenn – einfach formuliert – die Bestandteile zweier Teilsätze miteinander vermischt werden. Otto Behaghel formuliert in seinem Werk Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung. Band 3. Die Satzgebilde allgemeiner: „Verschränkung […] besteht darin, daß eine Vorstellung, die sachlich Teil eines untergeordneten Gliedes bildet, zum Bestandteil des Satzes gemacht wird, von dem dieses Glied abhängt.“

    Die Satzverschränkung besteht in Ihrem Beispiel also darin, dass das Interrogativpronomen was Teil des Hauptsatzes ist, obwohl mit ihm nicht nach einem Satzglied des Hauptsatzes gefragt wird, sondern nach einem Satzglied des untergeordneten Satzes. Dies wird besonders durch eine Umformulierung der Frage deutlich:

    Beispiel

    13) Ihr wollt, dass ich ihm was sage?


    Durch diese Satzverschränkung wird es möglich, dass man den Nebensatz das(s) ich ihm sage auch als Relativsatz lesen kann, der sich auf das Interrogativpronomen was bezieht. Er modifiziert das Pronomen dahingehend, dass mit ihm näher angegeben wird, nach was gefragt wird. Stellt man den Satz entsprechend um, damit der Relativsatz bei seinem Bezugsausdruck steht, würde er also lauten:

    Beispiel

    14) Was, das ich ihm sage, wollt ihr denn?


    Diese Lesart als Relativsatz ist jedoch ebenfalls problematisch, da sich Relativsätze für gewöhnlich nicht auf Interrogativpronomen beziehen können. Der Satz dient an dieser Stelle trotz der Problematik dazu, die andere Lesart zu erläutern.

    Für die Lesart als Relativsatz spricht darüber hinausgehend, dass Relativsätze attributive Nebensätze sind, was bedeutet, dass sie über etwas Genanntes zusätzlich Auskunft geben. Damit sind sie aber aus grammatischer Perspektive prinzipiell weglassbar. Lässt man in dieser Variante den Relativsatz weg, dann führt dies zur Frage:

    Beispiel

    15) Was wollt ihr denn?


    Diese Frage ist aus grammatischer Perspektive vollständig. Dass der Nebensatz also prinzipiell weglassbar ist, spricht für eine Lesart als Relativsatz, denn Objektsätze sind nicht weglassbar.

    Entsprechend sind beide Interpretationsvarianten Ihres Beispiels prinzipiell denkbar, sie lassen sich jedoch unterschiedlich grammatisch erklären:

    Lautet die Frage Was wollt ihr, das ihm sage?, dann nimmt man an, dass sich der zweite Teilsatz auf das Interrogativpronomen was bezieht. Es würde sich um einen Relativsatz handeln, weswegen das Relativpronomen das zu Beginn des Satzes stehen müsste. Das Problem in dieser Lesart besteht darin, dass sich der Relativsatz auf ein Interrogativpronomen bezieht, was eher ungewöhnlich im Deutschen ist.

    Formuliert man jedoch die Frage Was wollt ihr, dass ich ihm sage?, dann würde der Nebensatz die Funktion eines Objektsatzes übernehmen, der die Funktion einer notwendigen Ergänzung zu wollen übernimmt. Das Problem in dieser Lesart besteht darin, dass wir zwei Objekte zu wollen vorliegen haben, nämlich einmal das Interrogativpronomen was und der Objektsatz. Darüber hinaus würde eine Ergänzung zu dem Verb sagen fehlen.

    Insgesamt ist eine eindeutige grammatische Interpretation Ihres Beispiels aufgrund der vorliegenden Satzverschränkung schwierig. Sie trägt dazu bei, dass sowohl die Lesart als Objektsatz als auch die Lesart als Relativsatz aus den genannten Gründen nicht vollkommen überzeugen können. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein einmaliges sprachliches Phänomen. Vielmehr scheint diese Konstruktion produktiv verwendet zu werden, wie der einleitend erwähnte Beitrag zeigt.
     


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  3. #3

    Standard

    Vielen Dank für die ausführliche Antwort, das hilft mir sehr.

    Verstehe ich es richtig, dass die Variante "was wollt ihr, was ich ihm sage?" nicht möglich ist, weil es sich nicht um einen freien Relativsatz handeln kann, sondern das Interrogativpronomen "was" das Bezugswort zum Relativsatz wäre?

  4. #4
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    Standard

    In Ihrer Rückfrage geht es darum, was an der folgenden Variante des Beispielsatzes problematisch ist:

    Beispiel

    Was wollt ihr, was ich ihm sage?


    Diese Variante unterscheidet sich von der im Antworttext behandelten Variante dadurch, dass hier das einleitende Wort für den Nebensatz durch ein was ersetzt wurde.

    Das Pronomen was kann – gleichbedeutend zu das – als Relativpronomen verwendet werden, wobei die Wahl des Pronomens vom jeweiligen Bezugswort abhängt. Die Lesart von was als Relativpronomen bereitet in Ihrem Beispiel insofern Schwierigkeiten, als sich was im deutschen Relativsatz für gewöhnlich nicht auf Interrogativpronomen bezieht. So führt auch der Duden 9 Richtiges und gutes Deutsch den Fall nicht auf, dass sich das Relativpronomen auf ein Interrogativpronomen bezieht. Es finden sich dort nur die folgenden Regeln:

    Das Relativpronomen das wird verwendet, wenn das Bezugswort etwas Bestimmtes oder Einzelnes bezeichnet

    Das Relativpronomen was wird verwendet, wenn…
    • das Bezugswort ein substantiviertes Adjektiv oder Partizip ist.
    • das Bezugswort etwas Allgemeines, Unbestimmtes oder Abstraktes bezeichnet.
    • sich der Nebensatz nicht auf ein einzelnes Wort, sondern einen ganzen Satz bezieht.

    Darüber hinaus wird das Relativpronomen was häufiger gewählt, wenn…
    • das Bezugswort ein substantivierter Superlativ ist.
    • das Bezugswort ein Indefinitpronomen oder ein Zahlwort ist (ausgenommen nach dem Wort etwas)

    Demnach ist die Lesart als Relativsatz problematisch, da sich das Relativpronomen was aus dem Nebensatz nicht auf das Interrogativpronomen was aus dem Hauptsatz beziehen kann.

    Weiterhin stellen Sie die Frage, ob die Interpretation als freier Relativsatz möglich ist. Dazu muss zunächst geklärt werden, was ein freier Relativsatz ist. In der Dudengrammatik werden freie Relativsätze dadurch charakterisiert, dass bei ihnen das Bezugswort im übergeordneten Teilsatz nicht realisiert ist und entsprechend hinzugedacht werden muss. Veranschaulichen wir das an einem Beispiel:

    Beispiel

    (1) Anna erreichte, was sie sich vorgenommen hatte.
    (2) Anna erreichte das, was sie sich vorgenommen hatte.


    In Beispielsatz 1 wird mit dem Pronomen was ein Relativsatz eingeleitet. Betrachtet man jedoch den dazugehörigen Hauptsatz, dann fällt auf, dass es hier kein passendes Bezugswort gibt. Es liegt lediglich das Substantiv Anna vor, welches jedoch im Femininum steht und damit nicht hinsichtlich der grammatischen Eigenschaften übereinstimmend mit dem Pronomen was im Neutrum ist. Stattdessen muss man sich ein entsprechendes Bezugswort hinzudenken, was in Beispielsatz 2 geschehen ist. Liegt ein freier Relativsatz vor, dann kann man ihn in einen klassischen Relativsatz umformen. Bei dieser Umformung wird ein Korrelat (in dem obigen Beispiel das) als Bezugswort ergänzt. Korrelate sind Wörter, die in einem übergeordneten Teilsatz stehen und bereits auf einen untergeordneten Teilsatz vorausweisen.

    Wenden wir die Ergänzung eines Korrelats als Probe an, dann erhalten wir bei Ihrem Beispiel den folgenden Satz:

    Beispiel

    * Was wollt ihr [das], was ich ihm sage?


    Dieser Satz ist aus grammatischer Perspektive nicht möglich. Wenn ein Bezugswort zum Relativsatz ergänzt wird, dann führt dies wieder zu einer Objektdoppelung, da hier sowohl das Interrogativpronomen was als auch das Korrelat das die Objektfunktion übernehmen würden. Da also hier kein Bezugselement zum übergeordneten Teilsatz hinzugefügt werden kann, scheint die Lesart als freier Nebensatz ebenfalls nicht möglich zu sein.

  5. #5

    Standard

    Vielen Dank!

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