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Thema: Sehr geehrte Damen und Herre, warum wird das Verb brauchen im folgenden Beispielsatz mit zu verwendet. Ich brauche die Prüfung nicht zu machen und nicht Ich brauche die Prüfung nicht machen.

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Sehr geehrte Damen und Herre, warum wird das Verb brauchen im folgenden Beispielsatz mit zu verwendet. Ich brauche die Prüfung nicht zu machen und nicht Ich brauche die Prüfung nicht machen.

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Im Gespräch mit Freunden.

  2. #2
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    Gießen
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    271

    Standard brauchen als Modalverb oder Halbmodal

    Sprachsystem


    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Ihre Grammatikfrage betrifft die grammatische Eigenschaften des Verbs brauchen. Konkret möchten Sie wissen, ob brauchen mit einem zu-Infinitiv wie in (1) oder mit einem einfachen Infinitiv wie in (2) verwendet wird:

    Beispiel

    (1) Ich brauche die Prüfung nicht zu machen.
    (2) Ich brauche die Prüfung nicht machen.


    Zur Beantwortung dieser Frage ist es relevant, dass brauchen prinzipiell zwei Verbarten zugerechnet werden kann: Es kann zum einen als Modalverb verwendet werden und zum anderen als Halbmodal. Beide Verbarten zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum Ausdruck von Modalität dienen. Das bedeutet, dass man mit ihnen einen Wunsch, eine Erlaubnis, ein Verbot, eine Notwendigkeit, eine Möglichkeit, etc. ausdrücken kann. Darüber hinaus benötigen beide Verbarten einen Infinitiv, um einen grammatischen Satz zu bilden. Dabei fordert ein Modalverb immer einen reinen Infinitiv, ein Halbmodal hingegen einen zu-Infinitiv. Veranschaulichen wir diese Unterscheidung an einem Beispiel:

    Beispiel

    (3) Lisa dürfte Martin gefallen.
    (4) Lisa scheint Martin zu gefallen.


    In Beispiel 3 liegt das Modalverb dürfen vor. Es betont, dass es wahrscheinlich ist, dass Lisa Martin gefällt. Als Modalverb steht es mit einem einfachen Infinitiv, welcher in diesem Beispiel durch das Verb gefallen realisiert wird. Ähnlich funktioniert das Verb scheint in Beispielsatz 4. Auch hier wird eine Wahrscheinlichkeit ausgedrückt, dass Lisa Martin gefällt, wobei dies hier mehr auf eine aktuelle Beobachtung zurückzuführen ist. Anders als das Verb dürfen handelt es sich bei scheinen um ein Halbmodal. Dieses steht mit dem zu-Infinitiv zu gefallen. Das heißt, dass hier mit dem Modalverb bzw. Halbmodal die Perspektive eines Sprechers ausgedrückt wird, für wie wahrscheinlich er es hält, dass Lisa Martin gefällt. Ein anderes Beispielpaar ist das folgende:

    Beispiel

    (5) Die Seminararbeit muss geschrieben werden.
    (6) Die Seminararbeit ist zu schreiben.


    In Beispiel 5 liegt das Modalverb müssen vor, welches dazu dient eine Notwendigkeit auszudrücken. Es steht hier mit dem Infinitiv Präsens Passiv geschrieben werden. Auch in Beispiel 6 wird eine Notwendigkeit artikuliert, hier jedoch mit dem Halbmodal ist und dem zu-Infinitiv zu schreiben. Das heißt, dass es für das Deutsche mindestens zwei Möglichkeiten gibt, um auszudrücken, dass ein Sachverhalt notwendigerweise, d. h. unvermeidlich der Fall ist, nämlich mit dem Modalverb müssen + Infinitiv oder mit sein + zu-Infinitiv.

    Durch die Vergleiche mit anderen Beispielen sollte gezeigt werden, dass es im Deutschen diese beiden Verbarten gibt und brauchen beiden Verbarten zugeordnet werden kann. Es soll nun der Frage nachgegangen werden, welche der Varianten bei brauchen bevorzugt wird.
    .
    Schlägt man Ihren Zweifelsfall im Duden 9 Richtiges und gutes Deutsch nach, dann findet sich dort der Verweis, dass bei einem verneinten brauchen in der gesprochenen Sprache auf das zu zunehmend verzichtet wird, es also wie ein Modalverb verwendet wird. In dieser Verwendungswiese wird es ähnlich wie ein verneintes oder eingeschränktes müssen verwendet, was die folgenden Beispiele zeigen:

    Beispiel

    (7) Du brauchst nicht (zu) kommen. -> Du musst nicht kommen.
    (8) Du brauchst mir nicht (zu) helfen. -> Du musst mir nicht helfen.


    Entsprechend kann festgehalten werden, dass beide Varianten Ihres Satzes aus sprachsystematischer Sicht möglich sind, wobei die Variante ohne zu-Infinitiv vor allem in der gesprochenen Sprache verbreitet sein dürfte.

     

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