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Thema: "Zwei Dritteln schien es..." oder "Zwei Drittel schien es..."

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard "Zwei Dritteln schien es..." oder "Zwei Drittel schien es..."

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Uneinigkeit mit dem Korrektor

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden

    Guten Tag,
    ich habe eine Frage zu folgendem Text: "80 Prozent der Teilnehmer empfanden die Erfahrung als positiv. Fast zwei Dritteln schien es, als sei eine Last von ihnen genommen worden."

    Jemand sagte mir, es sollte stattdessen "Zwei Drittel schien es..." heißen. Ich denke aber, dass es "zwei Dritteln" heißen sollte, da es Dativ Plural sein sollte. ("scheinen" + Dativ, "zwei"=Plural)

    Was ist nun richtig?

  2. #2
    Registriert seit
    03.07.2014
    Ort
    Gießen
    Beiträge
    271

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Ihre Grammatikfrage betrifft die Flexion des Substantivs Drittel. Zunächst muss zur Beantwortung Ihrer Frage geklärt werden, in welchem Kasus das Substantiv stehen muss. Dazu haben Sie bereits völlig richtig erkannt, dass das Verb scheinen mit einer Nominalgruppe im Dativ steht, mit der angegeben wird, bei wem etwas einen bestimmten Anschein erweckt.

    Nun muss sich die Frage gestellt werden, ob das Wort Drittel in Ihrem Beispiel im Singular oder im Plural stehen muss. Für den Plural spricht, dass das Wort Drittel hier mit dem Zahladjektiv zwei verwendet wird, welches semantisch eine Mehrzahl artikuliert. Will man den Dativ Plural von Drittel bilden, so wird dieser laut Duden 9 Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle in der Regel mit Dativ-n gebildet und lautet also Dritteln. Als Beispiele werden im Duden 9 angeführt:

    Beispiel

    Mit zwei Dritteln [der Summe] kommen wir nicht aus.
    Ich habe die Arbeit zu zwei Dritteln geschafft.


    Im Gegensatz dazu findet sich jedoch auch der Verweis, dass bei Maß- und Mengenangaben häufig eine endungslose Variante gewählt wird trotz des Auftretens eines Zahladjektivs, das größer als 1 ist. Dies wird daraus zurückgeführt, dass ein Teil der Maß- und Mengenangaben im Plural und im Singular gleich lauteten und die anderen Maß- und Mengenangaben mit der Zeit daran angepasst wurden. So heißt es beispielsweise in der Dudengrammatik:

    „Bei Maß- und Mengenbezeichnungen auf -el und -er mit Genus Maskulinum oder Neutrum ist nicht ohne Weiteres klar, ob Singularformen oder endungslose Pluralformen vorliegen. Das Dativ-Plural-n ist hier daher fakultativ: […]

    Beispiel

    In zwei Drittel der Proben wurde keine Pflanzenschutzmittelrückstände gefunden.“ (Dudengrammatik, Randnummer 342)
    Entsprechend lassen sich sprachsystematisch beide Varianten erklären. Zur Verwendung der endungslosen Variante wird im Duden 9 darüber hinaus differenziert, dass diese besonders dann im Sprachgebrauch auftaucht, wenn auf Drittel das Gemessene folgt, wie in:

    Beispiel

    Mit zwei Drittel Windenergie soll der Bedarf gedeckt werden.


    Laut Duden 9 würde in Ihrem konkreten Beispiel also die Variante mit Dativ-n überwiegen, obgleich beide Varianten prinzipiell möglich sind.
     


    Sprachgebrauch


    Um zu überprüfen, welche Variante im Sprachgebrauch präferiert wird, wurde mithilfe von COSMAS II, der digitalen Belegsammlung des Instituts für Deutsche Sprache (IDS), und Google nach beiden Varianten gesucht. Dabei ergab sich folgendes Ergebnis:

    COSMAS IIGoogle
    zwei Dritteln schien ca. 4 Treffer ca. 112 Treffer
    zwei Drittel schien ca. 1 Treffer ca. 9 Treffer
    mit zwei Dritteln ca. 789 Treffer ca. 99.700 Treffer
    mit zwei Drittel ca. 320 Treffer ca. 309.000 Treffer

    Die Tabelle zeigt, dass für den Dativ sowohl die Variante mit Dativ-n als auch ohne im Sprachgebrauch auftritt. Bei Ihrem konkreten Beispielfall scheint die Wahl der Variante mit Dativ-n zu überwiegen. Während bei Google sonst die Tendenz zum Weglassen der Flexionsendung überwiegt, zeigt sich bei Cosmas II, dass dort der Dativ tendenziell eher markiert wird.

    Hinweis zu Googledaten: Die Sprachgebrauchsdaten werden mit dem wissenschaftlich fundierten Recherchesystem des Instituts für deutsche Sprache Mannheim COSMAS II erhoben und durch Googlebefunde ergänzt. Die ergänzende Googlesuche ist notwendig, da in der Textsammlung des IdS (DeReKo = Deutsches Referenzkorpus), obwohl diese inzwischen 24 Milliarden Wortformen umfasst, die gefragten Varianten häufig nur relativ selten vorkommen. Bei Google finden sich häufig deutlich mehr Treffer, die Zahlen sind aber aus den folgenden beiden Gründen mit Vorsicht zu genießen:

    1. Google unterscheidet nicht zwischen "echten" Sprachgebrauchstreffern und metasprachlichen Diskussionen. Die Frage zu downgeloadet/gedownloadet in unserem Forum bspw. ist auch ein Treffer bei Google. Insgesamt betrachtet machen die metasprachlichen Diskussionen aber in aller Regel den deutlich geringeren Anteil an den Gesamttreffern aus.

    2. Google bemüht sich um personalisierte und schnelle Suchergebnisse, die Treffergenauigkeit steht hier also nicht im Vordergrund. Dennoch - und deshalb wird hier trotz der genannten Einschränkungen auf Google zurückgegriffen - lassen sich doch Eindrücke über allgemeine Gebrauchstendenzen gewinnen.
     


    Fazit: Entsprechend sind beide Varianten Ihres Beispiels möglich. Die Sprachbenutzer würden jedoch tendenziell den folgenden Satz präferieren:

    Beispiel

    Zwei Dritten schien es…


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