Sie problematisieren in Ihrer Frage den Unterschied zwischen
unserer und
unser anhand folgenden Beispiels:
Das Konsulat nahm sich unser an.
Das Konsulat nahm sich unserer an.
Um Ihrer Frage auf den Grund zu gehen, sollen zunächst beide Wortformen näher bestimmt werden. Es handelt sich bei
unser laut Dudengrammatik (Duden Band 4) um den Genitiv des Personalpronomens
wir, wie die nachfolgende Deklinationstabelle zeigt:
Nominativ |
wir |
Genitiv |
unser |
Dativ |
uns |
Akkusativ |
uns |
Da Pronomen stellvertretend für ein Wort bzw. eine Wortgruppe stehen können, besitzen Pronomen ebenfalls die Eigenschaft, nach Kasus flektiert (gebeugt) werden zu können, wodurch die obige Tabelle zustande kommt. Laut Dudengrammatik wird diese Genitivform
unser wie auch der Genitiv anderer Personalpronomen als Genitivobjekt bei bestimmten Verben verwendet:
Wir bedurften ihrer noch.
Die Kollegen waren seiner überdrüssig.
Pronomen stehen in der Regel jedoch nicht vor Substantiven, sondern Artikelwörter. Diese Artikelwörter können aber zum Teil ausgehend von Pronomen gebildet werden. So stellt der Genitiv
unser des Personalpronomens
wir den Stamm des Artikelwortes
unserer dar:
[Unsere Hunde]Nominativ laufen in den Garten.
Wir gedenken [unserer Verstorbenen]Genitiv.
Die Lehrer geben [unseren Kindern]Dativ heute viele Hausaufgaben auf.
Die Kinder mögen [unseren Kuchen]Akkusativ.
Die Endung -er bei
unserer ist folglich durch den Gebrauch als Artikel zu klären, da -er den Genitiv markiert. Die Form
unserer trägt daher quasi zweimal das Merkmal Genitiv, nämlich einmal durch die Endung -er und einmal durch den Stamm
unser.
Laut Duden-Universalwörterbuch (DUW) bindet das reflexive Verb
sich annehmen neben einem Subjekt auch ein Genitivobjekt an sich:
Sie nahm sich der kranken Kinder an. (Beispiel aus DUW)
Die Stadt will sich vermehrt der Ausländerbetreuung annehmen. (Beispiel aus DUW)
Da sowohl unser als auch unserer im Genitiv stehen, können rein formal beide Varianten die Position des Genitivobjektes erfüllen. Die Dudengrammatik gibt unter §363 an, dass im Genitiv häufig nur die endungslose unser verwendet wird, da diese bereits auf -er endet. Jedoch ist auch die Variante unserer möglich, da auch diese Form Eingang in standardsprachliche Texte gefunden hat. Die folgenden Beispiele zeigen, dass beide Varianten verwendet werden können:
Wir wurden tatsächlich von einem Herrn im Kassenbereich freundlich begrüßt, der sich sofort unser annahm. (Beispiel aus der Dudengrammatik)
Ein Glück, dass die Jugendgruppe der Kirchengemeinde sich unserer annahm und uns mitnahm. (Beispiel aus der Dudengrammatik)
Folglich sind beide Varianten, welche Sie eingangs vorgeschlagen haben, möglich.
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