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Thema: Ist eine Negation mit "kein" ein Satz- oder Teilnegation?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Ist eine Negation mit "kein" ein Satz- oder Teilnegation?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    In einer Diskussion mit Kollegen, die alle Muttersprachler sind und weil ich keine bin, möchte ich sicher gehen.

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    "Helbig/Buscha"

    Bei Helbig/Buscha habe ich zwar ein Beispiel gefunden:
    Er setzte die Maschine in Betrieb.
    Er setzte die Maschine nicht in Betrieb.
    Aber bei Vollverben:
    Er setzte die Maschine nicht im Betrieb auf. (Teilnegation)
    Er setzte die Maschine in keinem Betrieb auf. (Satznegation)
    Wäre dies bei allen Vollverben der Fall?
    Wir kaufen kein Haus. Satznegation oder Teilnegation?

  2. #2
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    Standard Negation

    Sprachsystem


    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    In Ihrer Frage geht es um den Geltungsbereich von Negationen, welcher in der Linguistik als Skopus bezeichnet wird. Sie haben dabei bereits richtig festgestellt, dass zwischen Satznegationen und Teilnegationen (auch: Wortgruppennegationen oder Sondernegation) unterschieden werden kann.

    Bei einer Satznegation umfasst die Negation den gesamten Satz. Sie bezieht sich also auf die gesamte Aussage. Ein Beispiel dafür wäre der Satz:

    Beispiel

    Ich traf ihn im Café nicht.


    Hier wird die Negation mittels der Negationspartikel nicht vorgenommen. Der Satz bedeutet so viel wie, dass es nicht der Fall ist, dass ich ihn im Café getroffen habe.

    Im Gegensatz dazu kann nicht auch als Teilnegation verwendet werden wie im folgenden Satz:

    Beispiel

    Ich traf ihn nicht im Café.


    Negiert wird hier nicht notwendigerweise die Gesamtaussage, sondern es kann damit lediglich ausgesagt werden, dass der Sprecher die Person nicht an einem bestimmten Ort traf. Dies schließt aber nicht aus, dass sich die beiden Personen noch an einem anderen Ort getroffen haben können. Der Satz könnte beispielsweise wie folgt fortgeführt werden:

    Beispiel

    Ich traf ihn nicht im Café, sondern abends im Theater.


    Es wird also nicht verneint, dass sich die Personen getroffen haben, es wird nur ein Ort für dieses Treffen ausgeschlossen. Entsprechend kann nicht sowohl für Satz- als auch für Teilnegationen verwendet werden.

    Bei kein handelt es sich hingegen um ein sogenanntes negatives Indefinitpronomen. Im Satz tritt es gemeinsam mit einem Substantiv bzw. einer Nominalgruppe auf, zu dem bzw. der es in Kongruenz steht. Das heißt, dass das Wort kein hinsichtlich Kasus, Numerus und Genus sich an den entsprechenden Bezugsausdruck anpasst. Dadurch gehört das kein eng mit einem anderen Wort oder einer Wortgruppe zusammen. Sein Skopus umfasst dabei das Wort oder die Nominalgruppe, mit der es kongruent ist. Das heißt, dass kein nicht als Satznegation, sondern nur als Teilnegation auftritt.

    Betrachten wir dazu Ihr Beispiel:

    Beispiel

    Wir kaufen kein Haus.


    In diesem Beispielsatz steht kein im Akkusativ Singular Neutrum ebenso wie das Substantiv Haus. Das heißt, dass die Negation kein kongruent zu dem Substantiv Haus ist, auf das sie sich bezieht. In diesem Satz wird lediglich der Kauf eines Hauses verneint, was deutlich wird, wenn man ihn kontrastierend fortsetzt:

    Beispiel

    Wir kaufen kein Haus, sondern eine Villa.


    Um Ihre weitere Frage beantworten zu können, wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns mitteilen könnten, welche Ausgabe von Helbig/Buscha Sie vorliegen haben und wo genau die von Ihnen angeführten Beispiele stehen.

     

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    Geändert von Jacqueline Weiß (25.08.2016 um 17:01 Uhr)

  3. #3
    Unregistriert Gast

    Standard Helbig Buscha

    Vielen herzlichen Dank für die ausführliche Antwort.
    Ich habe eine Helbig Buscha Ausgabe von 2001. Die genannten Beispielsätze sind auf Seite 90.

  4. #4
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    Standard

    Lieber Nutzer,

    vielen Dank für Ihre Rückmeldung zur Ausgabe von Helbig/Buscha. Wir haben die Beispiele noch einmal nachgeschlagen und möchten Folgendes dazu anmerken:

    Die von Ihnen angeführten Beispiele treten in der Debatte darüber auf, was charakteristisch für Funktionsverbgefüge ist. (Zum Terminus Funktionsverbgefüge finden Sie eine kurze Erläuterung in der verlinkten Terminologieliste: http://www.grammatischeterminologie...._Wort_2013.pdf )

    Dabei wird herausgearbeitet, dass Funktionsverbgefüge ausschließlich durch eine Satznegation mit einem nicht vor der Präpositionalgruppe verneint werden können. Dazu wird das nachfolgende Beispiel angeführt:

    Beispiel

    Er setzte die Maschine nicht in Betrieb.


    Bei der Wortkombination in Betrieb setzen handelt es sich um ein Funktionsverbgefüge. Die Verneinung wird in dem Beispiel durch die Negationspartikel nicht vorgenommen, die vor der Präpositionalgruppe in Betrieb steht. Nach Helbig/Buscha handelt es sich hierbei um eine Satzverneinung. Eine Teilnegation mit kein wäre bei einem Funktionsverbgefüge nicht möglich, wie folgende Formulierung zeigt:

    Beispiel

    * Er setze keine Maschine in Betrieb.


    In Kontrast dazu werden zwei Beispielsätze mit Vollverben angeführt, bei denen beide Negationsarten denkbar sind.

    Beispiel

    Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf. (= Satznegation)
    Er stellte die Maschine in keinem Betrieb auf. (=Teilnegation)


    Bei der Variante mit nicht handelt es sich – anders als Sie es in Ihrer Frage angegeben haben – um eine Satznegation, da mit ihr der gesamte Satz verneint wird. Er bedeutet so viel wie, dass es nicht der Fall ist, dass er die Maschine im Betrieb aufgestellt hat. Im Gegensatz dazu findet mit kein nur eine Teilnegation statt. Es wird gezeigt, dass hier lediglich verneint wird, dass die Maschine von ihm in einem Betrieb aufgestellt wird. Dass hier nur ein Teil verneint wird, lässt sich durch eine Fortführung des Satzes zeigen:

    Beispiel

    Er stellte die Maschine in keinem Betrieb, sondern mitten auf der Straße auf.


    Helbig/Buscha zeigen also an dieser Stelle, dass Funktionsverbgefüge nur mit nicht verneint werden können. Prinzipiell scheint es die Möglichkeit zu geben, dass bei Vollverben sowohl Satz- als auch Teilnegationen auftreten. Ob das jedoch bei allen Vollverben gilt und mit der Verbart zusammenhängt kann an dieser Stelle nicht gesagt werden.

  5. #5
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    Standard Einspruch!

    Liebe Frau Weiß,

    eine Anmerkung zum letzten Teil Ihrer Antwort:

    In Kontrast dazu werden zwei Beispielsätze mit Vollverben angeführt, bei denen beide Negationsarten denkbar sind.

    Beispiel

    Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf. (= Satznegation)
    Er stellte die Maschine in keinem Betrieb auf. (=Teilnegation)


    Bei der Variante mit nicht handelt es sich – anders als Sie es in Ihrer Frage angegeben haben – um eine Satznegation, da mit ihr der gesamte Satz verneint wird. Er bedeutet so viel wie, dass es nicht der Fall ist, dass er die Maschine im Betrieb aufgestellt hat. Im Gegensatz dazu findet mit kein nur eine Teilnegation statt. Es wird gezeigt, dass hier lediglich verneint wird, dass die Maschine von ihm in einem Betrieb aufgestellt wird. Dass hier nur ein Teil verneint wird, lässt sich durch eine Fortführung des Satzes zeigen:

    Beispiel

    Er stellte die Maschine in keinem Betrieb, sondern mitten auf der Straße auf.


    Helbig/Buscha zeigen also an dieser Stelle, dass Funktionsverbgefüge nur mit nicht verneint werden können. Prinzipiell scheint es die Möglichkeit zu geben, dass bei Vollverben sowohl Satz- als auch Teilnegationen auftreten. Ob das jedoch bei allen Vollverben gilt und mit der Verbart zusammenhängt kann an dieser Stelle nicht gesagt werden.
    Im Satz "Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf." liegt m.E. keine Satznegation, sondern eine Teilnegation vor, weil die Negation sich auf den "Betrieb" bezieht bzw. dieser Bezug so gelesen werden kann. Die Fortführung wäre z.B. "Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf, sondern auf der Straße." (analog zu Ihrem kein-Beispiel).
    Vielmehr wäre die Satznegationsvariante die Folgende:
    Er stellte die Maschine im Betrieb nicht auf.

    Der Unterschied der beiden Varianten

    Beispiel

    Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf. (= Satznegation)
    Er stellte die Maschine in keinem Betrieb auf. (=Teilnegation)


    ist aus meiner Sicht anders gelagert, nämlich in der Qualifizierung des "Betriebs": Im ersten Fall geht es um einen einzigen Betrieb, in dem etwas aufgestellt wird oder nicht. Im zweiten Fall gibt es mehrere Betriebe, und in keinem davon wir die Maschine aufgestellt.

    Schönen Gruß
    Lewa

  6. #6
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    Standard

    Liebe Lewa,

    vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Betrachten wir erneut die folgende Variante:

    Beispiel

    Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf.


    Im vorherigen Beitrag habe ich dafür argumentiert, dass es sich hierbei um eine Satznegation handelt, da man den Satz wie folgt lesen kann:

    Beispiel

    Es ist nicht der Fall, dass er eine Maschine im Betrieb aufstellt.


    Damit kann gemeint sein, dass er nicht eine Maschine aufstellt und das unabhängig von dem spezifischen Ort. Es würde sich also um eine Satznegation handeln, die bei der folgenden Umformulierung noch deutlicher wird:

    Beispiel

    Er stellte die Maschine im Betrieb nicht auf.


    Durch die Stellung des nicht an der letztmöglichen Position und ohne direkten Bezug auf eine Nominalgruppe liegt hiermit nahe, dass es sich um eine Satznegation handelt.

    Nun haben Sie jedoch völlig Recht, dass dies lediglich eine Lesart des Beispielsatzes ist. Man könnte ihn auch so verstehen, dass es sich bei nicht wie bei kein um eine Teilnegation handelt. Für diese Lesart spricht, dass nicht hier eben nicht an letztmöglicher Position steht, sondern sich auf die nachfolgende Wortgruppe beziehen kann. Darüber hinaus ist – wie Sie selbst angeführt haben – eine Kontrastierung mit sondern möglich, was ebenfalls für die Lesart als Teilnegation spricht:

    Beispiel

    Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf, sondern auf der Straße.


    Entsprechend kann man festhalten:

    Beispiel

    Er stellte die Maschine nicht im Betrieb auf. (= Satz- oder Teilnegation)
    Er stellte die Maschine in keinem Betrieb auf. (=Teilnegation)


    Dabei würde ich die Einschätzung teilen, dass sich die Lesarten als Teilnegationen dahingehend unterscheiden, dass bei der Verneinung mit nicht nur ein konkreter Betrieb als Ort ausgeschlossen wird, bei kein hingegen alle Betriebe ausgeschlossen werden.

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