Ergebnis 1 bis 2 von 2

Thema: Heißt es "...viel Freundschaft und Anerkennung wurde unserer lieben verstorbenen entgegengebracht" oder muss es "wurden" heißen, weil es sich um zwei Sachen handelt, welche entgegengebracht wurden?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es "...viel Freundschaft und Anerkennung wurde unserer lieben verstorbenen entgegengebracht" oder muss es "wurden" heißen, weil es sich um zwei Sachen handelt, welche entgegengebracht wurden?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Formulierung einer Danksagung (Trauerfall)
    Geändert von Hannah Brill (04.05.2017 um 16:18 Uhr)

  2. #2

    Standard Kongruenz zwischen Subjekt und Verb

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Die Frage nach der Konjugation des Verbs ist im konkreten Satzzusammenhang zu betrachten, da das Verb in Person und Numerus mit dem Subjekt kongruent ist. Für die Beantwortung der Frage ist insbesondere der Numerus des Verbs von Bedeutung. Generell sind finites Verb und Subjekt im Numerus kongruent. Das bedeutet, dass bei einem singularischen Subjekt auch das Verb im Singular steht und dementsprechend bei einem pluralischen Subjekt das Verb im Plural steht. Dazu ein Beispiel:
    Freundschaft ist schön.
    Freundschaften sind wichtig.
    Das Subjekt des Beispielsatzes ist Freundschaft und Anerkennung. Dieses Subjekt besteht aus den Subjektteilen Freundschaft und Anerkennung, die durch die Konjunktion und verbunden sind. In diesem Fall spricht man auch von einem gereihten Subjekt. Die Zweifel hinsichtlich der Form des Verbs beruhen dabei meist auf der unterschiedlichen Auffassung des gereihten Subjekts.

    Das Subjekt Freundschaft und Anerkennung kann insgesamt als ein komplexes, pluralisches Subjekt angesehen werden. Nach der Dudengrammatik (Duden 4) gilt dann, dass die Reihung insgesamt als Plural angesehen wird uns somit auch das Verb im Plural steht. In diesem Fall lautet der Satz …viel Freundschaft und Anerkennung wurden unserer lieben verstorbenen entgegengebracht.

    Allerdings kann ein gereihtes Subjekt auch als ein zusammengezogener Satz betrachtet werden, bei dem gleichartige Verbformen nur einmal im Satz auftreten. In diesem Fall zählt nach der Dudengrammatik nur das Subjekt der ausformulierten finiten Verbform. Aufgrund der Satzstellung gilt demnach Anerkennung als Subjekt, womit das Verb nach der Kongruenzregel im Singular stehen muss. Daher lautet der Satz hier …viel Freundschaft und Anerkennung wurde unserer lieben verstorbenen entgegengebracht.

    Nach dem Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle (Duden 9) überwiegt bei gereihten Subjekten die Auffassung als Plural deutlich. Jedoch gibt es spezifische Kontexte, in denen die Verbform im Singular bevorzugt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Kernnomen Abstrakta sind und das zweite Nomen über keinen eigenen Artikel verfügt. Demnach liegt bei dem Subjekt viel Freundschaft und Anerkennung eine singularische Verbform nahe. Dafür spricht auch eine sprachliche Erscheinung, die als formelhaftes Subjekt bezeichnet wird. Darunter wird ein gereihtes Subjekt verstanden, das als Einheit aufgefasst wird. Besonders bei Subjekten wie Freundschaft und Anerkennung, bei denen die Subjektteile ohne Artikel stehen, ist die Auffassung als Einheit möglich. In diesem Zusammenhang kann auch das Adjektiv viel näher betrachtet werden. Bezieht sich viel nicht nur auf den Subjektteil Freundschaft, sondern auch auf Anerkennung, spricht dies ebenfalls für das Subjekt als Einheit und somit für eine Verbform im Singular.
     


    Sprachgebrauch


    Eine Analyse des Sprachgebrauchs in den Sprachkorpora des Instituts für deutsche Sprache mit Hilfe von Cosmas II liefert für Freundschaft und Anerkennung folgende Ergebnisse.



    Singularisches Subjekt: 6 Belege
    Beispiel: „Es war uns ein Trost zu erleben, wie viel Achtung, Freundschaft und Anerkennung ihr entgegengebracht wurde (Die Südostschweiz).
    Pluralisches Subjekt: 1 Beleg
    Beispiel: „…indem sie suggeriert, Freundschaft und Anerkennung seien ohne Mühe zu haben“ (Süddeutsche Zeitung)
    Die geringe Trefferanzahl ist dadurch zu erklären, dass Freundschaft und Anerkennung häufig nicht Subjekt des Satzes ist, sondern als Objekt gebraucht wird. In diesem Fall besteht keine Kongruenz zwischen dem Numerus der Nominalgruppe und dem finiten Verb, weshalb diese Belege für die Korpusanalyse nicht von Bedeutung sind.
    Beispiel: „An ihrem Arbeitsplatz und in ihrem Wohnbezirk genießen sie Freundschaft und Anerkennung“ (Rhein-Zeitung).
    Aufgrund der geringen Anzahl an Belegen kann keine eindeutige Präferenz festgestellt werden, jedoch lassen die Ergebnisse auf eine leichte Tendenz zu Freundschaft und Anerkennung als singularisches Subjekt schließen.
     


    Fazit: Aus grammatikalischer Perspektive sind je nach der Auffassung des gereihten Subjekts beide Formen möglich. Bei dem Beispiel viel Freundschaft und Anerkennung wurde(n) unserer lieben verstorbenen entgegengebracht ist die Auffassung des Subjekts von entscheidender Bedeutung, wobei vor allem die formelhafte Betrachtungsweise für die singularische Verbform spricht. Auch die Analyse des Sprachgebrauchs zeigt eine leichte Tendenz zur singularischen Auffassung.

Ähnliche Themen

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein