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Thema: Heißt es "Möglichkeit, um die" oder "Möglichkeit, die"?

  1. #1
    Riki Gast

    Standard Heißt es "Möglichkeit, um die" oder "Möglichkeit, die"?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Übersetzungsarbeiten

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Lehr- und Übungsbuch der deutschen Grammatik

    Der Satz lautet: ...doch auch eine Möglichkeit, um die Sinnlichkeit einer Frau zu zeigen, die Mode als eine Ausdrucksform ihrer Persönlichkeit sieht und...

    Wann genau ist das "um" angebracht und wann nicht? Der Satz funktioniert genauso ohne das "um", was also macht hier den Unterschied aus?
    Ich bedanke mich ganz herzlich!
    Riki

  2. #2

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Auf die Frage, ob um hier eingesetzt werden darf oder nicht, kann wohl letztlich keine ganz eindeutige Antwort gegeben werden, auch wenn es in den Nachschlagewerken von Duden („Richtiges und gutes Deutsch“) und Wahrig („Fehlerfreies und gutes Deutsch“) zunächst danach aussehen mag. Aber schauen wir uns doch erst einmal an, was die Infinitivgruppen mit und ohne um leisten und wie sie grammatisch eingeordnet werden können.

    In der Konstruktion eine Möglichkeit, die Sinnlichkeit einer Frau zu zeigen (also ohne um) ist die Infinitivgruppe die Sinnlichkeit einer Frau zu zeigen ein Attribut zu Möglichkeit, d.h. die Infinitivgruppe beschreibt genauer, um was für eine Möglichkeit es sich handelt.

    Beispiel

    Eine gute Möglichkeit – Was für eine Möglichkeit? – Eine gute Möglichkeit. Daraus folgt: gute ist ein Adjektivattribut zu Möglichkeit

    Eine Möglichkeit, die Sinnlichkeit einer Frau zu zeigen – Was für eine Möglichkeit? – Eine Möglichkeit, die Sinnlichkeit einer Frau zu zeigen. Daraus folgt: die Sinnlichkeit einer Frau zu zeigen ist ein attributiver Infinitiv zu Möglichkeit


    Im Falle dieses attributiven Infinitivs sind sich die genannten Nachschlagewerke einig, dass zu nicht durch um zu ersetzt werden kann, d.h., wenn die Infinitivgruppe ein Attribut zu Möglichkeit darstellt, wäre es falsch zu sagen eine Möglichkeit, um die Sinnlichkeit einer Frau zu zeigen.

    Allerdings ist es durchaus nicht immer so, dass eine Infinitivgruppe, die auf Möglichkeit folgt, automatisch ein attributiver Infinitiv zu Möglichkeit ist. Dies zeigt das folgende Beispiel.

    Beispiel

    (1) Inzwischen nutzen zwei Drittel der Kunden diese Möglichkeit, um einen für sie vorteilhafteren Abschluss zu erzielen, auch wenn sie dabei die Bank wechseln müssen. (Beispiel aus COSMAS II)


    Hier ist die Konstruktion mit um angebracht, da es sich eben nicht um einen attributiven Infinitiv handelt. Aber was ist es dann?

    Peter Eisenberg zufolge handelt es sich bei um um eine Subjunktion „besonderer Art“. Für gewöhnlich leiten Subjunktionen (unterordnende Bindewörter) nämlich Nebensätze ein (z.B. dass, wenn, weil, nachdem), während um Infinitivgruppen einleitet. Diese mit um eingeleiteten Infinitivgruppen geben dann meist die Folge der im übergeordneten Satz angegebenen Handlung an (Beispiel 2) oder deren Zweck (Beispiel 3).

    Beispiel

    (2) Er ist alt genug, um dies zu verstehen.

    (3) Sie wählte eine neue Methode, um die Frage zu lösen. (Beispiele aus Duden 9)


    Bei diesen mit um zu eingeleiteten Infinitivgruppen handelt es sich aber nicht um Attribute, sondern um adverbiale Bestimmungen. Sie lassen sich mit Hilfe von bestimmten Signalwörtern oder Ersatzproben recht gut von den attributiven Infinitiven unterscheiden. So deuten die Wörter genug, zu (alt, jung, klein...) und nicht so im übergeordneten Satz auf einen konsekutiven Infinitiv hin (= ein Infinitiv, der die Folge angibt). Der Infinitiv kann dann durch einen mit dass, so dass oder als dass eingeleiteten Nebensatz ersetzt werden (vgl. Beispiel 2a). Kann der Infinitiv mit um zu durch einen Nebensatz ausgetauscht werden, der mit damit eingeleitet ist, dann handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um einen finalen Infinitiv (= ein Infinitiv, der den Zweck angibt, vgl. Beispiele 3a). Ein solcher finaler Infinitiv liegt übrigens auch im oben genannten Beispiel 1 vor.

    Beispiel

    (2a) Er ist alt genug, (so) dass er dies verstehen kann.

    (3a) Sie wählte eine neue Methode, damit sie die Frage lösen konnte.


    Beim adverbialen Infinitiv kann das um oftmals weggelassen werden, ohne dass die Konstruktion falsch wird.

    Beispiel

    (2b) Er ist alt genug, dies zu verstehen.

    (3b) Sie wählte eine neue Methode, die Frage zu lösen.


    Laut Duden 9 wird die Verwendung von um zu in diesen Fällen jedoch im Allgemeinen vorgezogen.

    In bestimmten Situationen fällt es anscheinend besonders schwer zu entscheiden, ob um gesetzt werden soll oder nicht, z.B. wenn Möglichkeit zusammen mit einer Form von sein verwendet wird (X ist eine Möglichkeit, (um) zu ... oder X ist die beste Möglichkeit, (um) zu ...). Sprachbenutzer, die das um hier setzen, erkennen in eine/die beste Möglichkeit sein womöglich einen Auslöser für einen finalen Infinitiv, der das Einsetzen von um rechtfertigen würde, oder sie verwechseln einfach die beiden sehr ähnlich aussehenden Konstruktionen (Infinitiv mit und ohne um).

    Beispiel

    (4) Eine Klinische Studie ist eine Möglichkeit, um zu prüfen, dass eine neue Behandlung sicher, wirksam und möglicherweise besser ist, als die bisherige Standardbehandlung.

    (5) Yoga ist eine Möglichkeit, um zu mehr Ruhe und Entspannung zu gelangen. (Internetbelege)

     


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    Geändert von Melanie Löber (11.08.2011 um 15:28 Uhr)

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