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Thema: "Liebe großen und kleinen Igel" oder "Liebe große und kleine Igel"

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard "Liebe großen und kleinen Igel" oder "Liebe große und kleine Igel"

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Anrede f. Postkarte

  2. #2

    Standard "Liebe große(n) und kleine(n) Igel" - Parallel- oder Monoflexion?

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Bei Ihrem Zweifelsfall geht es darum, ob die beiden Adjektive groß und klein in der Anrede Liebe große(n) und kleine(n) Igel stark oder schwach flektiert (dekliniert, gebeugt) werden. Muttersprachlern ist oft gar nicht bewusst, dass es im Deutschen zwei Arten der Adjektivflexion gibt, da sie im alltäglichen Sprachgebrauch meist „automatisch“ die passende Form wählen. Zu Problemen kommt es allerdings häufig, wenn mehrere Adjektive vor einem Substantiv stehen. Die folgende Tabelle zeigt zunächst einmal die starken und schwachen Formen der Adjektive groß und klein vor dem maskulinen Substantiv Igel im Plural.

    stark schwach
    Nominativ große/kleine Igel (die) großen/kleinen Igel
    Genitiv großer/kleiner Igel (der) großen/kleinen Igel
    Dativ großen/kleinen Igeln (den) großen/kleinen Igeln
    Akkusativ große/kleine Igel (die) großen/kleinen Igel

    Hier deutet sich bereits an, was die Dudengrammatik noch einmal als Regel für die Verwendung von Adjektiven expliziert: „Wenn dem Adjektiv ein Artikelwort mit Flexionsendung vorangeht, wird das Adjektiv schwach flektiert, sonst stark“ (Dudengrammatik, S. 363). Mit anderen Worten: Wenn vor einem Substantiv und dem dazugehörigen Adjektiv (bzw. den dazugehörigen Adjektiven) der Artikel der, die, das oder Ähnliches steht, erhält das Adjektiv die schwache Endung. Geht der Wortgruppe hingegen kein Artikel oder ein Artikel ohne Flexionsendung voraus, steht die starke Adjektivform (vgl. z.B. ein großer/kleiner Igel – der unbestimmte Artikel ein hat hier keine Flexionsendung, daher starke Adjektivflexion).

    Nun ist Liebe ... kein Artikelwort, sondern es ist selbst ein Adjektiv, und in diesem Fall gilt eine andere Regel: Da bei der Anrede Liebe große(n) und kleine(n) Igel weit und breit kein Artikel mit Flexionsendung in Sicht ist, bedeutet das, dass zunächst einmal dem Adjektiv, das am weitetest links steht (also Liebe ...), die Aufgabe des „Hauptmerkmalträgers“ in der gesamten Wortgruppe zufällt. Das bedeutet, dass dieses Adjektiv hier dafür zuständig ist, den Anredenominativ auszudrücken – und das tut es, gemäß der obigen Tabelle, mit der starken Endung –e. Alle weiteren Adjektive werden dann „parallel“ flektiert, d.h., wenn das am weitesten links stehende Adjektiv stark flektiert wird, werden auch alle anderen Adjektive stark flektiert: Liebe große und kleine Igel.
     


    Sprachgeschichte

    Die Variante Liebe großen und kleinen Igel wird dadurch erklärbar, dass man es z.B. aus sprachökonomischen Gründen für ausreichend halten könnte, die starke Adjektivendung nur einmal, nämlich am Hauptmerkmalträger Liebe ..., auszudrücken. Alle weiteren Adjektive könnten prinzipiell schwache Endungen erhalten, wenn durch die Endung des Hauptmerkmalträgers klar wird, dass es sich um einen Nominativ Plural handelt. Die Endung des ersten, starken Adjektivs gilt dann quasi für alle anderen Adjektive mit (vgl. auch das Handbuch der deutschen Grammatik von Hentschel und Weydt, S. 212). Diese Tendenz, bestimmte grammatische Merkmale nur noch an einem Wort innerhalb einer Wortgruppe deutlich anzuzeigen, bezeichnet man als Monoflexion. Der Dudengrammatik zufolge ist die Monoflexion aber in der Standardsprache noch nicht allgemein gültig, weshalb man derzeit mit der Variante Liebe große und kleine Igel auf der sicheren Seite ist.
     


    Sprachgebrauch

    Auch eine Eingabe bei Google deutet darauf hin, dass die parallel starke Flexion der Adjektive derzeit die bevorzugte Variante ist: Liebe große und kleine ... liefert derzeit 145.000 Treffer (= 99,3 %) und liegt damit weit vor Liebe großen und kleinen ... (1080 Treffer = 0,7 %).
     


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