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Thema: Ist der juristische Terminus „Geschäft für den, den es angeht" grammatikalisch zu beanstanden?

  1. #1
    BraucheHilfeInGrammatik Gast

    Standard Ist der juristische Terminus „Geschäft für den, den es angeht" grammatikalisch zu beanstanden?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Juristische Lektüre

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden – Grammatik

    In der juristischen Literatur taucht häufig die Formulierung „Geschäft für den, den es angeht" auff, die vielfach als sprachlich misslungen bezeichnet wird. Auch auf mich wirkt die Dopplung des Akkusativ falsch. Vereinzelt findet man alternative Formulierungen wie „Geschäft, für wen es angeht" oder „Geschäft, wen es angeht". Was nun ist richtig, falls überhaupt eine der Formulierungen nicht zu beanstanden sein sollte? Und warum?

    Zum Hintergrund: Das „Geschäft für den, den es angeht" ist eine Ausnahme des Offenkundigkeitsprinzips im Stellvertretungsrecht. Will jemand ein Rechtsgeschäft mit Wirkung für und gegen einen anderen schließen, so muss er unter anderem – nach außen erkennbar – im Namen des anderen handeln. Bei Geschäften des täglichen Lebens (z.B. Brötchenkauf) besteht eine Ausnahme: Da dem Verkäufer in der Bäckerei in der Regel gleichgültig ist, mit wem er einen Vertrag schließt, muss der Verteter dem Verkäufer ausnahmsweise nicht deutlich machen, dass er im Names des Vertretenen handelt. Der Kaufvertrag bzgl des Brötchens erscheint also als „Geschäft für den, den es angeht". Oder doch als Geschäft, (für) wen es angeht"?

  2. #2

    Standard Relativsatz mit einem Pronomen als Bezugswort

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    Sprachsystem


    Die Frage bezieht sich auf die Formulierung Geschäft für den, den es angeht, genauer auf die Realisierung des Nebensatzes. Dies wird zunächst an folgendem Beispielsatz näher betrachtet:

    Beispiel

    Es ist ein Geschäft für den Partner, den es angeht.

    Der Satz besteht aus einem Hauptsatz (Es ist ein Geschäft für den Partner) und einem Nebensatz (den es angeht). In diesem Fall handelt es sich bei den es angeht um einen Relativsatz, der durch ein Relativpronomen eingeleitet wird. Dabei bezieht sich der Relativsatz auf das Bezugswort Partner, das hier im Akkusativ steht. Dies hängt mit seiner Funktion im Hauptsatz zusammen, wo das Bezugswort Partner Teil einer Präpositionalgruppe ist, die aus der Präposition für und dem Substantiv Partner besteht. Da Präpositionen die Eigenschaft haben, einen bestimmten Kasus einer Konstituente zu fordern (Rektion), ist der Kasus des Bezugsworts für den Relativsatz durch die Präposition bestimmt. Dass sich der Relativsatz auf das Substantiv Partner bezieht, ist dadurch gekennzeichnet, dass das Relativpronomen im Genus und Numerus mit dem Bezugswort kongruent ist. Sowohl das Bezugswort Partner als auch das Relativpronomen stehen daher im Singular Maskulinum. Der Kasus des Relativpronomens ist hingegen abhängig von der Funktion im Relativsatz. Damit wird der Kasus des Relativpronomens durch das Verb angehen bestimmt, das als Ergänzung den Akkusativ fordert. Somit steht in diesem Beispiel sowohl das Bezugswort als auch das das Relativpronomen im Akkusativ.

    Das Gleiche gilt für die Formulierung Geschäft für den, den es angeht. Bei den es angeht handelt es sich nach wie vor um einen Relativsatz, jedoch ist das Bezugswort für den Relativsatz kein Substantiv mehr, sondern ein Pronomen (den). Dass dies dieselbe Form hat wie das Relativpronomen, kann an dieser Stelle zu Verunsicherungen geführt haben. Es kommt im Sprachsystem jedoch häufiger vor, dass sich ein Relativsatz auf ein Pronomen bezieht, wie folgende Beispiele zeigen:

    Beispiel

    Die, deren Auto geklaut wurde, fährt jetzt Fahrrad.
    Hast du den gesehen, der da hinten steht?

    In Bezug auf die in Ihrer Frage vorgeschlagenen Varianten Geschäft, für wen es angeht oder Geschäft, wen es angeht ist nun die Frage zu klären, ob wen an dieser Stelle auch den Relativsatz einleiten kann. Laut der Dudengrammatik (Duden 4) kann wen nur freie Relativsätze einleiten (Sie grüßt, wen sie sieht). Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um einen freien Relativsatz, sondern um einen als Attributsatz fungierenden Relativsatz, der sich unmittelbar auf ein Element des übergeordneten Satzes bezieht. Wen kann also an dieser Stelle den Relativsatz nicht einleiten.

    Dass die Formulierung Geschäft, wen es angeht nicht funktioniert, wird auch bei der Betrachtung des Genus deutlich. Wie bereits erläutert, sind das Bezugswort und das Relativpronomen im Genus kongruent. Bei Geschäft, wen es angeht steht aber das Bezugswort Geschäft im Neutrum, das Pronomen wen ist hingegen Maskulinum.

    Bei der Formulierung Geschäft, für wen es angeht ist die Präposition für näher zu betrachten, mit der der Relativsatz beginnt. Die Präposition im Relativsatz müsste wie im folgenden Beispiel vom Verb des Relativsatzes gefordert sein:

    Beispiel

    Das ist das Geschäft, auf das mein Partner und ich schon lange gewartet haben.

    In diesem Fall ist die Präposition aus dem Verb heraus motiviert (warten auf). Laut dem elektronischen Valenzwörterbuch E-VALBU des Instituts für deutsche Sprache ist bei etwas geht jemanden irgendwieviel an im Sinne von betreffen keine Präposition gefordert. Die Formulierung Geschäft, für wen es angeht funktioniert also ebenfalls nicht.
     


    Fazit: Aus grammatikalischer Perspektive handelt es sich bei Geschäft für den, den es angeht um eine Formulierung, bei der sich der Relativsatz den es angeht auf das Pronomen den bezieht. Es gibt hier also keinen Grund, diese Variante als ungrammatisch zu bezeichnen. Die Frage zu beantworten, ob etwas im juristischen Kontext als „sprachlich misslungen“ verstanden wird, liegt außerhalb unseres Kompetenzbereichs. Es ist besonders bei fachsprachlichen Formulierungen häufig der Fall, dass sich bestimmte Formulierungen oder Muster konventionalisieren, die nicht unbedingt mit den Regeln der allgemeinsprachlichen Grammatik zu erklären sind.

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