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Thema: Ist der Satz richtig: Ich habe mein Auto im Schnee stecken ?

  1. #1
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    Standard Ist der Satz richtig: Ich habe mein Auto im Schnee stecken ?

    Hallo, ich möchte das Thema «infinitregierende Verben» (Duden 591) und «infinite Verbform» anschneiden. Die Theorie:Ich berufe mich auf ein Beispiel, das ich aus dem Buch «*Textgrammatik der deutschen Sprache*» (3.4.4.1, S.283) ausgezogen habe: «Ich habe meinen Koffer noch am Bahnhof stehen». In diesem Beispiel sind zwei Prädikationen in eine zusammengeschoben: ** ich habe meinen Koffer (Objekt). ** mein Koffer (Subjekt) steht am Bahnhof. Man kann diesen Infinitiv einen Objekt-Infinitv («* Akkusativ mit dem Infinitv*»,*»A.c.I*») nennen. • Jetzt zitiere ich «*Die Grammatik - Duden*» (594) und werde ich danach jene Zitate und deren Theorie benutzen. Ich habe einige Teile gelöscht (z.B. finden, Wahrnehmungsverben usw.), weil sie hierbei für meine kommende Frage unwichtig sind. (ix) Haben (+ Infinitiv) regiert gleichzeitig den Akkusativ und den reinen Infinitiv ( a.c.i.-Verben; zum Akkusativ mit Infinitiv oder a.c.i. ↑ 1243). Das Akkusativobjekt ist dabei als Subjektaktant des untergeordneten Verbs zu verstehen, d.h., es trägt die semantische Rolle, die dem Subjektaktanten des abhängigen Verbs zukommt. Dieses muss bei haben ein intransitives Positionsverb (atelisch, mit Ortsadverbiale) sein. Er hat [seine Schwester] bei sich wohnen. (Ob haben als Akkusativ-mit-Infinitiv-Verb dem Objekt eine eigene semantische Rolle zuteilt, scheint fraglich. Das Verb scheint sich vielmehr in dieser Hinsicht eher wie die Kausativverben zu verhalten, nur trägt der Subjektaktant eine andere Rolle: die der wahrnehmenden oder vielleicht kontrollierenden Person, des Interessenten oder des Possessors i.w. S. Das Verb befindet sich auf jeden Fall weiter oben auf der Vollverb-Hilfsverb-Skala als finden und die Wahrnehmungsverben.) Atelisch : Atelische Verben beschreiben statische Zustände und Relationen oder dynamische Vorgänge, Prozesse, Aktivitäten, die keinen Kulminations- oder Endpunkt voraus- setzen. ================================================== ======================= Meine Aussage und Frage*: 1) Das Verb ‘stecken’ kann atelisch und intransitiv sein, z.B. mein Auto steckt im Schnee. 2) Frage*: Ist dieser Satz richtig*? Ich habe mein Auto im Schnee stecken.
    Geändert von denebe (22.01.2018 um 02:11 Uhr)

  2. #2

    Standard 'haben' als a.ci.-Verb und Aktionsarten

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Sie fragen, ob der folgende Satz zulässig ist:

    Beispiel

    Ich habe mein Auto im Schnee stecken.

    Sie haben ja bereits ausführlich die Dudengrammatik zitiert und dadurch das Verb haben in dieser Verwendung richtig als ein a.c.i.-Verb (accusativus cum infinitivum) eingeordnet, also als ein solches Verb, bei dem sich auf den als Objekt fungierenden Akkusativ einer übergeordneten Proposition ein Infinitiv bezieht, mit dem wiederum eine Aussage über das Akkusativobjekt getroffen wird:

    Beispiel

    Er hat seine Schwester bei sich wohnen. -> Die Schwester wohnt bei ihm.
    Ich habe meine Koffer noch am Bahnhof stehen. -> Die Koffer stehen noch am Bahnhof.

    Das Objekt kann also - wie Weinrich sagt - als Subjekt des Infinitivs aufgefasst werden bzw. - wie es in der Dudengrammatik formuliert wird, als Subjektaktant des untergeordneten Verbs.

    Die Frage ist nun, bei welchen Verben eine solche Konstruktion möglich ist, also welche Verben die Infinitiv-Position der a.c.i.-Konstruktion besetzen können.
    Laut Dudengrammatik muss es sich um ein intransitives, atelisches Positionsverb handeln.
    Ihre Frage ergibt sich offenbar dadurch, dass Sie stecken als ein Verb ansehen, das diese Bedingungen erfüllt, aber dennoch Zweifel in Bezug auf das Beispiel hegen.
    Der Schlüssel zur Beantwortung der Frage liegt m.E. in der Einschätzung des atelischen Charakters des Verbs bzw. der Proposition. Sie haben ja bereits die Begriffsbestimmung der Dudengrammatik zitiert. Wichtig ist hier m.E. in Bezug auf dynamische Vorgänge, dass diese keinen Kulminations- oder Endpunkt voraussetzen, denn ein Kulminations- bzw. Endpunkt ist das Charakteristikum eines telischen, also begrenzten Vorgangs.
    Entscheidend ist aus meiner Sicht der Hinweis von Cathrine Fabricius-Hansen (der Autorin des Verbkapitels der Dudengrammatik), dass die Aktionsart eines Verbs nicht immer "ein für alle Mal festgelegt" ist, sondern eher "als ein Potenzial aufzufassen" (§ 567). So ist bspw. Wein trinken atelisch, eine Flasche Wein trinken hingegen telisch.
    In diesem Sinne würde ich einen Satz wie

    Beispiel

    Mein Auto steckt im Schnee.

    auch eher als telisch auffassen. Natürlich kann das Auto theoretisch über einen längeren Zeitpunkt im Schnee stecken, aber das Stecken im Schnee ist ja gerade der Endpunkt eines Vorgangs des Durch-den-Schnee-Fahrens oder des Einschneiens des Parkplatzes. Ich würde wohl auch nicht sagen

    Beispiel

    *Ich habe mein Haus brennen
    .
    Die Brenndauer des Hauses ist schließlich zeitlich begrenzt, der Satz impliziert ja quasi, dass das Haus abbrennt oder zumindest bis zu dem Zeitpunkt brennt, bis die Feuerwehr eintrifft.

    Interssant ist schließlich noch, dass die Dudengrammatik haben + a.c.i. in die Nähe von Kausativkonstruktionen wie etwa mit lassen rückt:

    Beispiel

    Ich lasse mein Auto am Bahnhof stehen.
    Ich lasse mein Haus brennen.
    Ich lasse mein Auto im Schnee stecken.

    In diesen Fällen führt offenbar lassen zu einer atelischen Lesart: Ich tue nichts dagegen, dass mein Haus brennt oder mein Auto im Schnee steckt, ich führe also keinen Endpunkt des Vorgangs herbei:

    Beispiel

    Mein Haus brennt. -> Ich lasse es brennen.
    Mein Auto steckt im Schnee. -> Ich lasse es stecken.

    Eine solche Anhebung zur Atelizität kann haben hingegen offenbar nicht leisten:

    Beispiel

    *Mein Haus brennt. -> Ich habe es brennen.
    *Mein Auto steckt im Schnee. -> Ich habe es stecken.


    Fazit: Wir haben es offenbar mit einer komplexen Gemengelage zu tun, die sich vor allem aus dem Zusammenspiel der Dynamik der Interpretationsmöglichkeiten von Vorgängen als telisch oder atelisch sowie der Qualität des a.c.i.-Verbs ergibt.
     

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