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Thema: Heißt es "Mit der Methode kann/können auch der Fortschritt und somit der Transfer gemessen werden"?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es "Mit der Methode kann/können auch der Fortschritt und somit der Transfer gemessen werden"?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Textkorrektur

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden Rechtschreibung und Duden Richtiges und gutes Deutsch

    Wenn man die Satzglieder umstellt, tendiert man zum Plural, sonst nicht: "Der Fortschritt und somit der Transfer können gemessen werden."

  2. #2

    Standard Kongruenz bei gereihten Subjekten

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Hier haben wir es einmal mehr mit einem Problem der Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb zu tun. Es ist sozusagen eine Grundregel der deutschen Sprache, dass das finite Verb (also der Teil des Prädikats, der die Personal- und Numerusmarkierung trägt) mit dem Subjekt hinsichtlich der Person und des Numerus abgestimmt wird. Normalerweise bereitet das den Sprechern auch gar keine Schwierigkeiten – steht das Subjekt im Singular, muss auch das finite Verb in den Singular gebracht werden, und genauso im Plural. Die Herstellung von Kongruenz läuft also quasi automatisch ab. Es gibt allerdings Subjekte, bei denen nicht so leicht zu entscheiden ist, ob sie nun im Singular oder im Plural stehen, was natürlich auch die Herstellung von Kongruenz mit dem finiten Verb erschwert. Genau dies trifft auch auf Ihren Fall zu.

    Der Grund dafür, dass es Ihnen schwer fällt zu entscheiden, ob es Mit der Methode kann oder können auch der Fortschritt und somit der Transfer gemessen werden heißen muss, liegt also nicht beim finiten Verb kann bzw. können selbst, sondern beim Subjekt. Das Subjekt dieses Satzes besteht aus zwei Teilen (der Fortschritt und der Transfer), die durch die Konjunktion und miteinander verbunden sind. Das Wörtchen somit verdeutlicht noch einmal zusätzlich die enge Bindung, die zwischen dem Fortschritt und dem Transfer besteht. Der Dudengrammatik zufolge sind in diesem Fall Singular und Plural des finiten Verbs zulässig (vgl. S. 1006, § 1608), da man den Satz grammatisch auf zweierlei Art und Weise deuten kann.

    Obwohl die einzelnen Subjektteile Fortschritt und Transfer für sich genommen im Singular stehen, können sie zu einem Plural „zusammenaddiert“ werden. Wenn man das gesamte Subjekt dann als pluralisch auffasst, ist es naheliegend, auch das finite Verb in den Plural zu setzen. In diesem Fall würde also die Duden-Kongruenzregel II für Subjekte mit gereihten Subjektteilen zur Anwendung kommen, derzufolge es Mit der Methode können auch der Fortschritt und somit der Transfer gemessen werden heißen müsste.

    Aber auch der Singular ist grammatisch begründbar: Man kann den Satz nämlich auch so betrachten, als ob er ursprünglich einmal aus zwei Sätzen bestanden hätte, die dann zu einem Satz zusammengezogen wurden. Der „Originalsatz“ könnte so ausgesehen haben:

    Beispiel

    Mit der Methode kann auch der Fortschritt [gemessen werden] und [mit der Methode kann] somit der Transfer gemessen werden.


    Das ist natürlich ziemlich umständlich, weshalb Sprecher dazu tendieren, Bestandteile, die in beiden Sätzen vorkommen, einmal einzusparen. Tut man dies, so bleibt vom zweiten Teilsatz u.a. das Subjekt der Transfer übrig, aber das finite Verb kann fällt weg. In diesem Fall greift die Duden-Kongruenzregel III für Subjekte in zusammengezogenen Sätzen mit nur einem finiten Verb, die besagt, dass das finite Verb sich nach dem näher stehenden Subjekt richtet. Das wäre in Ihrem Satz der Fortschritt, der bekanntlich im Singular steht.

    Beispiel

    Mit der Methode kann auch der Fortschritt [= näheres Subjekt] und somit der Transfer [= ferneres Subjekt] gemessen werden.


    Tatsächlich spielt auch die Stellung des Subjekts im Satz eine Rolle bei der Wahl des Numerus beim finiten Verb. Steht das mehrteilige Subjekt vor dem finiten Verb, so wird eher zum Plural tendiert, als wenn das mehrteilige Subjekt nach dem finiten Verb steht. Dennoch stellt die Dudengrammatik fest, dass auch im letztgenannten Fall, der ja Ihrem Zweifelsfall entspricht, in der Standardsprache der Plural bevorzugt wird.
     


    Sprachgeschichte

    Anhand von Dokumenten aus früheren Sprachzuständen (etwa dem Mittelhochdeutschen oder dem Frühneuhochdeutschen) lässt sich zeigen, dass die Deutschen schon seit geraumer Zeit rätseln, ob der Singular oder der Plural des finiten Verbs in solchen Fällen die bessere Wahl ist – in den alten Schriften findet sich mal der Singular, mal der Plural. Eine endgültige Klärung des Zweifelsfalls ist auch heute nicht abzusehen, aber die Tendenz geht offenbar zu einer mehr „integrativen“ Betrachtungsweise des Subjekts, d. h. es wird zunehmend als ein komplexes Element mit pluralischem Charakter aufgefasst, was den Plural des finiten Verbs zur Folge hätte.
     


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    Geändert von Melanie Löber (06.12.2011 um 13:46 Uhr)

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