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Thema: Muss für die indirekte Rede durchgehend der Konjunktiv verwendet werden? --> "Er sagte, dass wir nicht wissen könnten, ob die Erde eine Kugel ist/sei." ?

  1. #1

    Standard Muss für die indirekte Rede durchgehend der Konjunktiv verwendet werden? --> "Er sagte, dass wir nicht wissen könnten, ob die Erde eine Kugel ist/sei." ?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Frage einer befreundeten Studentin

    Liebes Grammatik-Team,

    ich habe mehrere Stunden das Internet nach Beispielen zu meiner Frage durchsucht, aber nichts Eindeutiges gefunden. Daher widme ich mich jetzt an euch mit der Frage, ob in der indirekten Rede durchgehend der Konjunktiv verwendet werden muss, was für mich bei manchen Beispielen "falsch klingt". (Ich weiß, dass der Konjunktiv nicht stehen muss, wenn man etwas schreibt wie "Autor X sagt, dass..." oder "Laut Autor X ist...".)

    Hier erst mein eigenes Beispiel zu meiner Frage:
    Er sagte: "Wir können nicht wissen, ob die Erde eine Kugel ist."
    -->
    "Er sagte, dass wir nicht wissen könnten, ob die Erde eine Kugel ist/sei."
    Meine Intuition sagt mir, dass am Ende ein "ist" kommen müsste, weil das, was man in der indirekten Rede wiedergibt, hier ja nur der Aspekt des "wir könnten nicht wissen" für mich zu sein scheint.

    Hier noch das Beispiele von einer befreundeten Studentin, auf die ich auf diese Frage überhaupt gekommen bin:
    "Generell müsse reflektiert werden, inwieweit bei den Einrichtungen ein Wunsch nach Veränderung besteht/bestehe oder ob der Status Quo nicht bereits zufriedenstellend ist/sei."
    Auch hier sagt meine Intuition "besteht" und "ist" anstatt eines "doppelten Konjunktivs".

    Ihr würdet meiner Freundin und mir einen großen Gefallen tun, wenn ihr eine deutige Antwort / Regel zu solchen Fällen benennen könntet.

    EDIT: Ich fürchte, ich habe die Frage aus Versehen im falschen Unterforum gestellt. Ich hoffe, ein Mod kann die Frage ins richtige Unterforum verschieben. (Ich editiere diese Anmerkung dann wieder weg.)
    Geändert von M.Schneider (09.08.2018 um 21:19 Uhr)

  2. #2

    Standard Konjunktiv bei Redewidergabe

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Ihre Frage zielt auf die Verwendung des Konjunktivs bei einer Redewidergabe ab. Wie Sie selbst bereits erwähnt haben, gibt es verschiedene Faktoren, welche die Verwendung des Konjunktivs beziehungsweise des Indikativs bedingen. Zudem haben Sie bereits korrekt angeführt, dass die Verwendung des Indikativs gängig ist, wenn ein Beweis oder eine Quelle für die entsprechende Aussage vorliegt:
    Wie die Polizei mitteilte, kam bei Baabe im Südosten Rügens ein 36-Jähriger Mann aus Radibor in Sachsen ums Leben. (Beispiel aus dem Duden Band 4)

    Simon D. sagt aus, dass er zur Wohnung der heute 21-Jährigen gefahren sei, weil (…). (Beispiel aus dem Duden Band 4)

    Es gibt jedoch auch Formen der Redewidergabe, für welche sowohl der Indikativ als auch der Konjunktiv möglich sind. Beispielhaft hierfür ist die abhängige indirekte Rede. Diese Form der indirekten Rede wird durch einen Nebensatz realisiert, welcher von einem Verb des Sagens, Denkens, Hoffens etc. abhängig ist. Diese Nebensätze können als eingeleitete Nebensätze auftreten (Dass-Satz) oder als uneingeleitete Nebensätze.
    1. Der Bäcker hat gestern meiner Tochter gesagt, dass er sie leider enttäuschen müsse/muss. (Beispiel aus dem Duden Band 4)
    2. Der Bäcker dachte, er müsse jetzt der Tochter die Wahrheit sagen.
    3. Er hoffte, dass sie ihm die Lüge nicht allzu übel nehme/ nimmt/ nehmen wird/ nehmen werde/ nehmen würde. (Beispiel aus dem Duden Band 4)

    Das erste Beispiel zeigt, dass die indirekte Rede auch im Indikativ widergegeben werden kann. Ausschlaggebend dafür ist, dass durch das redeeinleitende Verb die Redewidergabe bereits gekennzeichnet wird. Im zweiten Beispiel wird der Konjunktiv verwendet, um die Gedankenwidergabe kenntlich zu machen. Da es sich um einen uneingeleiteten Nebensatz handelt, scheint die Präferenz des Konjunktivs sehr hoch. Jedoch ist abhängig von der Sprecherintention auch der Indikativ denkbar. Auch im dritten Beispiel werden mehrere Varianten angeführt. Demnach variiert die Wahl zwischen Indikativ und Konjunktion je nach Kommunikationssituation und der Sprecherabsicht.
    Der Konjunktiv kann die wiedergegebene Rede noch einmal als fremdes Gedankengut markieren und ggf. den Effekt einer Distanzierung hervorrufen. Es soll demnach deutlich werden, dass der Sprecher selbst keinen „Gültigkeitsanspruch“ auf das Gesagte erhebt (vgl. Duden Band 4, §771). Jedoch ist darauf zu verweisen, dass auf die Verwendung des Konjunktivs in einem Dass-Satz verzichtet werden kann, sofern der Dass-Satz von einem Verb wie sagen, fragen, schreiben etc. abhängig ist (vgl. Bsp. 1). Auch bei der Verwendung des Indikativs wird die Redewidergabe deutlich. Liegt jedoch keine Redewidergabe vor, sondern eine Behauptung des Sprechers, wird der Indikativ verwendet:
    Ich behaupte, dass das nicht stimmt. (Beispiel aus dem Duden Band 4)
    Wir vermuten, dass er den Zug in Offenburg verlassen hat. (Beispiel aus dem Duden Band 4)

    Bereits diese Ausführungen zeigen, dass die Thematik der korrekten beziehungsweise notwendigen Verwendung des Konjunktivs sehr komplex ist. Der nachstehende Link verweist auf eine ähnliche Frage auf unserem Forum. Hier werden die einzelnen Verwendungsbereiche noch einmal gegenübergestellt:
    https://grammatikfragen.de/showthrea...ght=konjunktiv

    In Ihrem Ausgangsbeispiel haben Sie für den Dass-Satz den Konjunktiv gewählt:
    Er sagte, dass wir nicht wissen könnten, ob die Erde rund sei/ ist.

    Gemäß der obigen Ausführung wäre auch die Wahl des Indikativs eine mögliche Variante:
    Er sagte, dass wir nicht wissen können, ob die Erde rund sei/ ist.

    Durch das Modalverb können wird bereits eine Möglichkeit ausgedrückt, sodass die Verwendung des Konjunktivs zur Verdeutlichung einer Vermutung nicht notwendig ist.
    Entsprechend sind Sie auch frei bei der Wahl des Modus im folgenden Nebensatz. Je nach Kontext und der Sprecherintention ist zu entscheiden, ob der Indikativ oder der Konjunktiv bei der Redewidergabe gewählt wird. Leider gibt es hierzu keine von Ihnen gewünschte Faustregel.
     



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  3. #3

    Standard Vielen Dank! Aber noch eine Frage:

    Sehr geehrte Frau Langsdorf, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort. Sie haben mir (und meinen Mitfragenden) schon sehr weitergeholfen.
    Aber nur um sicher zu gehen, dass ich Ihre Ausführungen richtig verstanden habe, würde ich gerne nochmal auf mein zweites Beispiel zurückkommen:
    -->
    "Generell müsse reflektiert werden, inwieweit bei den Einrichtungen ein Wunsch nach Veränderung besteht/bestehe oder ob der Status Quo nicht bereits zufriedenstellend ist/sei."

    Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind die folgenden zwei Versionen beide richtig. Korrekt?

    1. "Generell müsse reflektiert werden, inwieweit bei den Einrichtungen ein Wunsch nach Veränderung besteht oder ob der Status Quo nicht bereits zufriedenstellend ist."

    2. "Generell müsse reflektiert werden, inwieweit bei den Einrichtungen ein Wunsch nach Veränderung bestehe oder ob der Status Quo nicht bereits zufriedenstellend sei."

    Wir haben hier zwar keine Nennung des Autors, es liegt kein Dass-Satzt vor und es gibt kein redeeinleitendes Verb wie "sagen", "behaupten" usw., aber im Nebensatz ist sowohl der Indikativ als auch der Konjunktion korrekt, weil die Wörter "inwiefern" und "ob" bereits betonen, dass hier Möglichkeiten vorliegen?
    Geändert von M.Schneider (15.08.2018 um 20:19 Uhr)

  4. #4

    Standard Redewidergabe mit Konjunktiv

    Sehr geehrter Nutzer,

    Sie haben richtig erkannt, dass es neben dem Konjunktiv auch andere sprachliche Merkmale gibt, welche die Indirektheit ausdrücken. Es ist auch richtig, dass durch die Subjunktoren inwiefern und ob darauf hindeuten, dass etwas in Frage gestellt und somit nicht als eindeutig faktisch ausgewiesen wird. Ein weiteres Kriterium zur Markierung der Indirektheit liegt in der bereits markierten Form „müsse“. Sie haben somit in Ihrem einleitenden Satz das Modalverb „müssen“ im Konjunktiv. Dadurch wird bereits für den Leser deutlich, dass der Autor des Satzes nicht selbst die Aussage getätigt hat oder sich bezüglich des Inhaltes nicht absolut sicher ist. Sie können den Modus im Nebensatz frei wählen, je nachdem wie stark sie auf die Redewidergabe verweisen möchten.

  5. #5

    Standard

    Vielen Dank für die klare Antwort, jetzt ist alles klar. Sie haben mir (und meiner mitfragenden Bekannten) sehr weitergeholfen.

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