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Thema: Heißt es im Perfekt "Ich habe mir den Wind um die Nase wehen lassen" oder statt lassen gelassen?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es im Perfekt "Ich habe mir den Wind um die Nase wehen lassen" oder statt lassen gelassen?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Arbeitsblatt auf C1-Niveau

  2. #2

    Standard Perfektbildung bei infinitivregierenden Verben

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Ihre Frage betrifft die Perfektbildung bei infinitivregierenden Verben. In Ihrem Beispiel setzt sich der Verbalkomplex, welcher im Satz die Funktion des Prädikats erfüllt, aus drei Verben zusammen:
    Der dreigliedrige Verbalkomplex aus Ihrem Beispiel
    habe (Hilfsverb) wehen (Vollverb) lassen/gelassen („infinitivregierendes Verb“)
    Vollverben tragen im Verbalkomplex die Bedeutung, während z.B. Modalverben dazu dienen, diese Bedeutung zu modifizieren, also z.B. eine Fähigkeit darzustellen (ich kann schreiben) oder eine Veranlassung oder Erlaubnis wie im Fall von lassen (ich lasse schreiben oder ich lasse gehen). lassen wird zwar nicht zu den Modalverben gezählt, verhält sich jedoch ähnlich wie solche, denn es steht auch mit einem einfachen Infinitiv. Hilfsverben habe eine grammatische Funktion; so bildet das Hilfsverb haben z.B. das Tempus Perfekt in Ihrem Beispiel.

    Modalverben verlangen (regieren), dass das Vollverb im Infinitiv steht (ich darf/kann/muss/soll/will schreiben); es handelt sich also um Rektion. So verlangt auch das Verb lassen in der Bedeutung veranlassen/erlauben, dass das Vollverb im Infinitiv steht (ich lasse schreiben/gehen). Analog dazu kommt es in der Perfektbildung mit haben nach Duden Band 4 „Die Grammatik“ und Duden Band 9 „Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“ dazu, dass lassen auch wie Modalverben im Infinitiv bleiben kann, anstatt das Partizip auszubilden:
    Beispiel aus der Dudengrammatik zur Perfektbildung bei infinitivregierenden Modalverben
    „Wir haben nichts tun müssen.“

    Beispiel aus Duden Band 9 zur Perfektbildung bei lassen
    „Sie hat ihn kommen lassen.“
    „Sie hat das Buch liegen gelassen
    (neben: liegen lassen)
    Beide Varianten sind daher aus sprachsystematischer Perspektive denkbar, weil lassen sich zwar wie ein Modalverb verhält, jedoch nicht den Status eines solchen hat. Wir möchten daher im Folgenden auf Sprachgebrauchsdaten zurückgreifen.
     


    Sprachgebrauch

    Die Ergebnisse der Sprachgebrauchsanalyse anhand des deutschen Referenzkorpus (DeReKo) des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim und einer Google-Recherche zeigt folgende Verhältnisse:
    Ergebnisse der Recherche im DeReKo
    hat die Frist verstreichen lassen: 19 Treffer
    hat die Frist verstreichen gelassen: 0 Treffer

    Ergebnisse der Recherche in Google
    habe mir den Wind um die Nase wehen lassen: 404 Treffer
    habe mir den Wind um die Nase wehen gelassen: 0 Treffer
    Beide Recherchen zeigen, dass in der Perfektbildung mit lassen und einem Vollverb die Variante mit lassen im Infinitiv dominiert, speziell auch in Ihrem konkreten Beispiel, was die zusätzliche Google-Recherche zeigt. Mit dieser Variante sind Sie daher auf der sicheren Seite.

    Hinweis zu Googledaten:
    Die Sprachgebrauchsdaten werden in der Regel mit dem wissenschaftlich fundierten Recherchesystem des Instituts für deutsche Sprache Mannheim COSMAS II erhoben und durch Googlebefunde ergänzt. Die Googlesuche ist vor allem notwendig, wenn in der Textsammlung des IdS (DeReKo = Deutsches Referenzkorpus), obwohl diese inzwischen 24 Milliarden Wortformen umfasst, die gefragten Varianten nur relativ selten oder gar nicht vorkommen. Bei Google finden sich häufig deutlich mehr Treffer, die Zahlen sind aber aus den folgenden beiden Gründen mit Vorsicht zu genießen:

    1. Google unterscheidet nicht zwischen "echten" Sprachgebrauchstreffern und metasprachlichen Diskussionen. Die Frage zu downgeloadet/gedownloadet in unserem Forum bspw. ist auch ein Treffer bei Google. Insgesamt betrachtet machen die metasprachlichen Diskussionen aber in aller Regel den deutlich geringeren Anteil an den Gesamttreffern aus.

    2. Google bemüht sich um personalisierte und schnelle Suchergebnisse, die Treffergenauigkeit steht hier also nicht im Vordergrund. Dennoch - und deshalb wird hier trotz der genannten Einschränkungen auf Google zurückgegriffen - lassen sich doch Eindrücke über allgemeine Gebrauchstendenzen gewinnen.
     


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    Geändert von Lars Bepler (14.12.2018 um 15:00 Uhr)

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