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Thema: bedeutend, zusehends, aber unerfahrenste

  1. #1

    Standard bedeutend, zusehends, aber unerfahrenste

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Lesen usw.

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    online, Duden, DWDS usw.

    Hallo,

    es gibt das Verb "erfahren" und dazu das Partizip I "erfahrend" und II "erfahren". Wieso wird die Steigerung ohne "d" gebildet: (un-)erfahren, (un-)erfahrener, (un-)erfahrenster und nicht aus dem Partizip I (un-)erfahrend usw?

    Mit freundlichen Grüßen
    Geändert von Helen-Maria (24.02.2019 um 13:51 Uhr)

  2. #2

    Standard Komparation - Abgrenzung von Partizip I und Adjektiv

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Sie thematisieren in Ihrer Frage die Komparation (Steigerung) von Adjektiven. Zu Schwierigkeiten kommt es vor allem durch die Abgrenzung von Partizipien und Adjektiven. Dazu haben Sie verschiedene Wortformen problematisiert:
    1. bedeutendste
    2. zusehends
    3. unerfahrenste
    4. erfahrenste
    Die Wortform zusehends kann als erstes aus der Liste aussortiert werden: Zusehends stellt ein Adverb dar. Adverbien können im Gegensatz zu Adjektiven nicht gesteigert werden. Es handelt sich bei zusehends folglich um die unveränderliche Grundform des Wortes. Die Endung -ds stellt keine Markierung der Komparation dar. Bei den anderen Beispielen handelt es sich laut dem Duden-Universalwörterbuch um Adjektive.
    Es bleibt folglich zu klären, warum 1. ein –d enthält und 3. und 4. nicht. Laut der Dudengrammatik (Duden Band 4) werden Adjektive durch die Endung -st bzw. -est gesteigert. Die Endung -e in Ihren Beispielen ist eine Flexionsendung des Adjektivs innerhalb einer Nominalgruppe:
    das unerfahrenste Kind
    dem unerfahrensten Kind
    der bedeutendste Erfolg
    den bedeutendsten Erfolg
    Die Grundstruktur gestaltet sich wie folgt:
    [unerfahren/bedeutend]Adjektiv[st]Komparation[e(n)]Flexion(Kasus)
    Aus dem Vergleich der Beispiele mit unerfahren und bedeutend kann geschlossen werden, dass das -d in bedeutendste und zusehends nicht durch Komparation bedingt ist, sondern dem Grundwort zugehörig ist.
    Folglich wird auch hier die Komparation durch -st markiert. Die Grundform des Adjektivs lautet bedeutend. Das Adjektiv ist in diesem Fall als Partizip I vom Verb bedeuten abgeleitet.

    Da nun die Wortformen erläutert wurden, soll nun auf den Unterschied zwischen Adjektiv und Partizip eingegangen werden. Partizipien werden ausgehend von Verben gebildet. Wie Sie bereits korrekt dargestellt haben, gibt es ein Partizip I und ein Partizip II im Deutschen. Das Partizip I wird mit -d gebildet:
    suchen -> suchend
    fragen -> fragend
    Das Partizip II wird bei schwachen Verben mit ge- und -t gebildet, bei starken Verben mit ge- und -en:
    schwach: kochen -> gekocht
    stark: singen -> gesungen
    Des Weiteren gibt es auch Verben, welche das Partizip II nicht mit -ge- bilden. Hier ist das Partizip II formgleich mit der 3. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv. Ein solchens Verb ist beispielsweise bedeuten:
    Der Sieg bedeutet (3. Pers. Sg. Präs. Ind. Akt.) ihm viel.
    Der Sieg hat ihm viel bedeutet (Part. II).
    Es handelt sich bei bedeutend folglich um ein Adjektiv, welches ausgehend vom Partizip I des Verbs bedeuten gebildet wird. Dies wird ersichtlich durch die Endung -d, da nur das Partizip I ein -d zur Bildung benötigt.
    Beide Partizipien können wie ein Adjektiv attributiv verwendet werden. Wenn Partizipien als Attribute vorliegen, so spricht man von einem Partizipialattribut. Die nachfolgenden Beispiele zeigen, dass Adjektivattribute und Partizipialattribute in der Regel austauschbar sind:
    der kleine Hund (Adjektivattribut)
    der schwimmende Hund (Partizipialattribut/ Part. I)
    der gepflegte Hund (Partizipialattribut/ Part II)
    Laut §457 der Dudengrammatik (Duden Band 4) können Partizipien jedoch nicht kompariert werden, auch wenn sie möglicherweise wie ein Adjektiv verwendet werden:
    Der bellende Hund -> der *bellendere Hund (Beispiel aus der Dudengrammatik)
    Da Partizipien nicht steigerbar sind, können auch Komparationsformen nicht ausgehend von Partizipien gebildet werden. Zu Verwirrungen kommt es möglicherweise durch die Formgleichheit von Adjektiv und Verb. Im Fall von erfahren lautet sowohl der Infinitiv des Verbs sowie das Partizip II gleich. Daher entsteht möglicherweise der Eindruck, die Steigerungsformen seien ausgehend von einem Verb gebildet worden, da Partizipien wie ein Adjektiv verwendet werden können. Laut Dudengrammatik können sich Partizipien zu eigenständigen Adjektiven entwickeln. Es handelt sich hierbei um lexikalisierte Formen, da der attributive Gebrauch der Partizipien dazu führten kann, dass diese als eigenständige Adjektive gebraucht werden. Deutlich wird dies durch eigenständige Wörterbucheinträge der einzelnen Formen sowohl als Adjektive als auch als Partizipien. Bei unerfahren ist gerade die adjektivische Wortbildung mit –un ein Indiz dafür, dass es sich hierbei um ein lexikalisiertes Adjektiv und nicht mehr um ein Partizip handelt. Deshalb kann es gesteigert werden, obwohl es ursprünglich als Partizip vom Verb abgeleitet wurde.
     


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