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Thema: Heißt es: Unternehmerisches Denken und sorgfältiges, eigenverantwortliches Arbeiten ist für mich genauso selbstverständlich wie eine gute Zusammenarbeit mit dem Vertriebsinnendienst. Oder: ... sind für mich genauso ....

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es: Unternehmerisches Denken und sorgfältiges, eigenverantwortliches Arbeiten ist für mich genauso selbstverständlich wie eine gute Zusammenarbeit mit dem Vertriebsinnendienst. Oder: ... sind für mich genauso ....

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Im Rahmen eines Bewerbungsschreibens

  2. #2

    Standard Kongruenz bei mehrteiligen Subjekten bzw. zusammengezogenen Sätzen

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    Sprachsystem

    Bei dem Satz Unternehmerisches Denken und sorgfältiges, eigenverantwortliches Arbeiten ist/sind für mich genauso selbstverständlich wie eine gute Zusammenarbeit mit dem Vertriebsinnendienst stellt sich die berechtigte Frage, ob das finite Verb im Singular oder im Plural stehen muss. Es ist sozusagen eine Grundregel der deutschen Sprache, dass das finite Verb (also der Teil des Prädikats, der die Personal- und Numerusmarkierung trägt) mit dem Subjekt hinsichtlich der Person und des Numerus abgestimmt wird. In den Grammatiken wird diese Abstimmung als Kongruenz (oder auch Korrespondenz) bezeichnet.

    Normalerweise bereitet das den Sprechern gar keine Schwierigkeiten – steht das Subjekt im Singular, muss auch das finite Verb in den Singular gebracht werden, und genauso im Plural. Die Herstellung von Kongruenz läuft also quasi automatisch ab. Es gibt allerdings Subjekte, bei denen nicht so leicht zu entscheiden ist, ob sie nun im Singular oder im Plural stehen, was natürlich auch die Herstellung von Kongruenz mit dem finiten Verb erschwert. Genau dies trifft auch auf Ihren Fall zu.

    Der Grund dafür, dass es Ihnen schwer fällt zu entscheiden, ob es ist oder sind heißen muss, liegt also nicht beim finiten Verb selbst, sondern beim Subjekt. Das Subjekt dieses Satzes besteht aus zwei Teilen (unternehmerisches Denken und sorgfältiges, eigenverantwortliches Handeln), die durch die Konjunktion und miteinander verbunden sind. Der Dudengrammatik zufolge sind in diesem Fall Singular und Plural des finiten Verbs zulässig (vgl. S. 1006, § 1608), da man den Satz grammatisch auf zweierlei Art und Weise deuten kann.

    Obwohl die einzelnen Subjektteile unternehmerisches Denken und sorgfältiges, eigenverantwortliches Arbeiten für sich genommen im Singular stehen, können sie zu einem Plural „zusammenaddiert“ werden. Wenn man das gesamte Subjekt dann als pluralisch auffasst, ist es naheliegend, auch das finite Verb in den Plural zu setzen. In diesem Fall würde also die Duden-Kongruenzregel II für Subjekte mit gereihten Subjektteilen zur Anwendung kommen, derzufolge es Unternehmerisches Denken und sorgfältiges, eigenverantwortliches Arbeiten sind für mich genauso selbstverständlich wie ... heißen müsste.

    Aber auch der Singular ist grammatisch begründbar: Man kann den Satz nämlich auch so betrachten, als ob er ursprünglich einmal aus zwei Sätzen bestanden hätte, die dann zu einem Satz zusammengezogen wurden. Der „Originalsatz“ könnte so ausgesehen haben:

    Beispiel

    Unternehmerisches Denken [ist für mich genauso selbstverständlich wie eine gute Zusammenarbeit mit dem Vertriebsinnendienst] und sorgfältiges, eigenverantwortliches Arbeiten ist für mich genauso selbstverständlich wie eine gute Zusammenarbeit mit dem Vertriebsinnendienst.


    Das ist natürlich ziemlich umständlich, weshalb Sprecher dazu tendieren, Bestandteile, die in beiden Sätzen vorkommen, einmal einzusparen. Tut man dies, so bleibt vom ersten Teilsatz nur das Subjekt unternehmerisches Denken übrig, während u. a. das finite Verb ist wegfällt. In diesem Fall greift die Duden-Kongruenzregel III für Subjekte in zusammengezogenen Sätzen mit nur einem finiten Verb, die besagt, dass das finite Verb sich nach dem näher stehenden Subjekt richtet. Das wäre in Ihrem Satz sorgfältiges, eigenverantwortliches Arbeiten, das bekanntlich im Singular steht.

    Fazit: Beide Varianten sind standardsprachlich anerkannt und somit „richtig“, der Plural ist allerdings gebräuchlicher.
     


    Sprachgeschichte

    Anhand von Dokumenten aus früheren Sprachzuständen (etwa dem Mittelhochdeutschen oder dem Frühneuhochdeutschen) lässt sich zeigen, dass die Deutschen schon seit geraumer Zeit rätseln, ob der Singular oder der Plural des finiten Verbs in solchen Fällen die bessere Wahl ist – in den alten Schriften findet sich mal der Singular, mal der Plural. Eine endgültige Klärung des Zweifelsfalls ist auch heute nicht abzusehen, aber die Tendenz geht offenbar zu einer mehr „integrativen“ Betrachtungsweise des Subjekts, d. h. es wird zunehmend als ein komplexes Element mit pluralischem Charakter aufgefasst, was den Plural des finiten Verbs zur Folge hätte.
     


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