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Thema: Meine Frage bezieht sich auf die Feststellung des Kasus einer Nominalphrase. Häufig wird, z.B. auf Internetforen, suggeriert, dass der Fall allein mit der Frageprobe erfragt werden könnte. Stimmt das? Falls nicht, welche anderen Methoden gibt es?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Meine Frage bezieht sich auf die Feststellung des Kasus einer Nominalphrase. Häufig wird, z.B. auf Internetforen, suggeriert, dass der Fall allein mit der Frageprobe erfragt werden könnte. Stimmt das? Falls nicht, welche anderen Methoden gibt es?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Na ja, ich suche belastbarer Regeln, für Fälle, bei denen sich mein Bauchgefühl nicht entscheiden kann

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Skripte der Uni Jena, leider im Detail kompliziert und als Erinnerungsstütze nicht griffig genug

     

  2. #2

    Standard Kasusbestimmung ohne Frageprobe

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Die Frageprobe ist die in der Schulgrammatik gängige Variante der Kasusbestimmung. Wie Sie schon richtig annehmen, gibt es jedoch auch andere Möglichkeiten.
    Teilweise kann man den Kasus an den Formen der Wörter erkennen. Bei Substantiven im Deutschen gibt es fünf unterschiedliche Flexionsklassen:

    I endungslos
    Nominativ Zahl
    Genitiv Zahl
    Dativ Zahl
    Akkusativ Zahl
    II stark
    Nominativ Raum
    Genitiv Raum(e)s
    Dativ Raum(e)
    Akkusativ Raum
    III stark (Eigennamendeklination)
    Nominativ Anna
    Genitiv Annas
    Dativ Anna
    Akkusativ Anna
    IV schwach
    Nominativ Prinz
    Genitiv Prinzen
    Dativ Prinzen
    Akkusativ Prinzen
    V Plural (für alle Klassen identisch)
    Nominativ Leute
    Genitiv Leute
    Dativ Leuten
    Akkusativ Leute
    Anhand der Beispiele wird deutlich, dass kaum Formen eindeutig erkennbar sind, da sie im Flexionssystem mehrmals vorkommen. In der Sprachwissenschaft nennt man dies Synkretismen.
    Hierbei ist zu beachten, dass die gesamte Nominalgruppe zusammenhängend flektiert wird. Da die Endungen der Substantive häufig identisch sind, kann man meist erst durch den Artikel den Kasus erkennen. Eine Nominalgruppe enthält einen Kern (lexikalisches Zentrum) und einen Kopf (grammatisches Zentrum) sowie ggf. zusätzliche Attribute (z.B. Adjektive). Der Kern ist meist ein Substantiv. An diesem ist der Kasus, wie die Tabellen zeigen, meist nicht eindeutig erkennbar. Deshalb erkennt man den Kasus am Kopf der Nominalgruppe. Dieser ist meist ein Artikel. Enthält eine Nominalgruppe keinen Artikel, kann auch ein Adjektiv der Kopf sein, an dem der Kasus erkennbar ist. Das Adjektiv wird dann stark dekliniert. Folgt das Adjektiv auf einen Artikel, wird es schwach dekliniert, es zeigt dann nicht den Kasus an.
    In den folgenden Beispiel-Tabellen ist immer der Kopf der Nominalgruppe, also das grammatische Zentrum, hervorgehoben.

    endungslos
    Nominativ die Zahl, die hohe Zahl
    Genitiv der Zahl, der hohen Zahl
    Dativ der Zahl, der hohen Zahl
    Akkusativ die Zahl, die hohe Zahl
    stark
    Nominativ der Raum, der große Raum
    Genitiv des Raum(e)s, des großen Raum(e)s
    Dativ dem Raum, dem großen Raum
    Akkusativ den Raum, den großen Raum
    Schwach
    Nominativ der Prinz, der junge Prinz
    Genitiv des Prinzen, des jungen Prinzen
    Dativ dem Prinzen, dem jungen Prinzen
    Akkusativ den Prinzen, den jungen Prinzen
    Plural
    Nominativ die Leute, die fleißigen Leute, fleißige Leute
    Genitiv der Leute, der fleißigen Leute, fleißiger Leute
    Dativ den Leuten, den fleißigen Leuten, fleißigen Leuten
    Akkusativ die Leute, die fleißigen Leute, fleißige Leute
    Aufgrund der Artikel sind wesentlich weniger Formen identisch, einige können eindeutig identifiziert werden. „Des Raumes“ kann beispielsweise eindeutig als Genitiv identifiziert werden, während „die Zahl“ sowohl Nominativ als auch Akkusativ sein kann.
    Kann der Kasus aufgrund der Flexion noch nicht eindeutig bestimmt werden, ist der Kontext im Satz entscheidend. Sätze sind im Deutschen vom Verb aus aufgebaut. Verben „fordern“ bestimmte Ergänzungen im Satz. Dabei ist für jedes Verb festgelegt, welche Satzglieder im Satz enthalten sein müssen. Dieses Prinzip nennt sich Valenz. Weiß man, welche Ergänzungen ein Verb fordert, kann dies bei der Satzgliedbestimmung helfen.

    Das Verb sehen fordert beispielsweise ein Subjekt und ein Akkusativobjekt (Frageprobe: Wer sieht wen?). Bei
    Anna sieht einen Baum.
    ist aufgrund der Bedeutung eindeutig, dass Anna das Subjekt ist und somit im Nominativ steht und einen Baum das Akkusativobjekt ist und im Akkusativ steht. Bei
    Anna sieht Klaus.
    ist aufgrund des Kontextes dagegen keine eindeutige Bestimmung möglich. Da Subjekt-Verb-Objekt die häufiger vorkommende Anordnung von Satzgliedern ist, könnte man darauf schließen, dass Anna das Subjekt und Klaus Objekt ist. Da Satzglieder aber im Satz verschiebbar sind, ist diese Zuordnung nicht eindeutig. In diesem Beispiel liegt eine Mehrdeutigkeit vor, die Kasus sind hier nicht eindeutig bestimmbar.
    Welche Ergänzungen ein Verb fordert, kann man beispielsweise im elektronischen Valenzwörterbuch (E-Valbu) des IDS Mannheim nachschauen (https://grammis.ids-mannheim.de/verbvalenz).

    Nicht nur Verben, sondern auch Präpositionen können von Nominalgruppen einen bestimmten Kasus "fordern". Wegen steht z.B. immer mit dem Genitiv, bei immer mit dem Dativ und für immer mit dem Akkusativ.

    Eine weitere Möglichkeit der Kasusbestimmung besteht darin, die zu bestimmende Wortgruppe durch ein anderes Wort zu ersetzen, an welchem der Kasus erkennbar ist. Insbesondere Namen und Feminina enthalten viele identische Formen. Will man im Satz
    Das Buch gehört Lisa.
    den Kaus von Lisa bestimmen, ersetzt man das Wort durch eine andere Nominalgruppe:
    Das Buch gehört der Frau.
    Die Bestimmung ist noch immer nicht eindeutig, denn der Frau kann sowohl Genitiv als auch Dativ sein.
    Das Buch gehört dem Mann.
    Nun ist der Dativ eindeutig erkennbar, denn die Form dem Mann kommt in keinem anderen Kasus vor.

    Fazit
    Auch ohne die Frageprobe ist der Kasus teilweise an den Formen erkennbar. Ansonsten kann der Kasus mit Hilfe des Satzkontextes oder durch Ersetzen erkannt werden.

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  3. #3

    Standard Konjunktiv

    "Häufig wird, z.B. auf Internetforen, suggeriert, dass der Fall allein mit der Frageprobe erfragt werden könnte. (...)"

    Konjunktiv:
    Häufig wird, z. B. auf Internetforen, suggeriert, dass der Fall allein mit der Frageprobe erfragt werden KÖNNE.

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