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Thema: Was für eine Grammatiform (Passiv, Perfekt, Futur usw.) sind folgende Sätze?

  1. #1

    Standard Was für eine Grammatiform (Passiv, Perfekt, Futur usw.) sind folgende Sätze?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    aus einem Buch

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    keinem

    1. Raucherverbotgesetze dürften bald in allen EU-Ländern verabschiedet werden.

    2. Die Zahl der Raucher dürfte trotz der Raucherverbote nicht drastisch zurückgehen.

    3. Das Raucherverbot in Krankenhäusern, Museen und Theatern dürfte von den meisten respektiert werden.

    4. Billigmarken dürften auf lange Sicht ihre Marktanteile verlieren. (hier ohne werden?)

    5. Zigarettenpausen für die Raucher unter den Angestellten dürften ueberall zur Regel werden.

    Mir ist klar das man hier mit ..DÜRFEN...eine Möglichkeit ausdrückt. aber sonst bitte um Hilfe...dringend

    Vielen lieben Dank im Voraus

  2. #2

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    In Ihren fünf Beispielen finden wir jeweils das Modalverb dürfen. Einer klassischen Gegenüberstellung zufolge werden Modalverben in deontische (nicht-sprecherbezogene) oder epistemische (sprecherbezogene) Modalverben unterteilt. In dem Beispiel Peter darf ein Eis essen ist kein Sprecher auszumachen; hier wird vor allem eine Erlaubnis ausgedrückt. Es handelt sich hier um den so genannten deontischen Gebrauch des Modalverbs dürfen. In dem Beispiel Peter dürfte bereits schlafen wird deutlich, dass ein Sprecher sich nicht sicher darüber ist, ob Peter schläft. Hier haben wir den epistemischen Gebrauch des Modalverbs dürfen. Ihre Vermutung, dass mit dürfen in den obigen Beispielen eine Möglichkeit ausgedrückt wird, geht also in die richtige Richtung. In Ihren Beispielen drückt ein Sprecher eine bestimmte (aus seiner Perspektive allerdings ungewisse) Möglichkeit eines Sachverhaltes aus – das Modalverb dürfen wird jeweils epistemisch gebraucht.

    Epistemische Modalverben haben nur ein beschränktes Flexionsparadigma, d.h. ihnen stehen im Gegensatz zu den deontischen Modalverben nicht alle Möglichkeiten der Verbkonjugation zur Verfügung. Das Flexionsparadigma ist in Bezug auf Tempus und Modus stark eingeschränkt: Beispielsweise gibt es epistemische Modalverben nur im Präsens und im Präteritum. Die epistemischen Modalverben mögen, sollen und wollen kommen nur im Indikativ vor. Bei dürfen ist die Beschränkung besonders stark: dürfen kann demnach nur in der Konjunktiv-II-Form (also dürfte(n)) epistemisch sein.

    Der von Ihnen festgestellte Zusammenhang mit werden dürfte eher zufällig sein: Im Allgemeinen verbinden sich Modalverben mit Infinitiven von Vollverben: Sie können also zusammen mit dem Infinitiv-Präsens-Aktiv (1) (verkaufen müssen), dem Infinitiv-Perfekt-Aktiv (2) (verkauft haben), dem Infinitiv-Präsens-Passiv (3) (verkauft werden) und dem Infinitiv-Perfekt-Passiv (4) (verkauft worden sein) auftreten:

    Beispiel

    (1) Wir müssen den Porsche verkaufen.
    (2) Er muss den Porsche verkauft haben
    (3) Der Porsche muss verkauft werden.
    (4) Der Porsche muss verkauft worden sein.


    Der epistemische Gebrauch ist häufig bei Infinitiv-Perfekt-Verbindungen anzutreffen (Beispiel 2) – dies ist allerdings nicht notwendig so, wie Ihre Beispiele zeigen. In Ihren in der Frage genannten Beispielen 1 und 3 wird das epistemische Modalverb dürfen zusammen mit dem Infinitiv-Präsens-Passiv verwendet. Bei werden handelt es sich in diesen Fällen also um das Hilfsverb des werden-Passiv. Dass werden nicht regelhaft zusammen mit epistemischen Modalverben verwendet wird, zeigen Ihre Beispiele 2 und 4. Hier wird das epistemische Modalverb zusammen mit dem Infinitiv-Präsens-Aktiv verwendet. Es gibt allerdings auch Verbindungen, in denen werden vorkommt, ohne dass es sich dabei um das Hilfsverb des Passivs handelt. Dies zeigt Ihr Beispiel 5, bei dem werden ein Kopulaverb ist. Kopulaverben sind sein, bleiben und werden – mit ihnen werden auf semantischer Ebene zwei Sachverhalte gleich gesetzt (z.B. Petra ist schön, also Petra = schön).

    Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verwendungen des Modalverbs dürfen in Ihren Beispielen epistemisch sind. Die epistemische Lesart wird durch die Konjunktiv-II-Verwendung hergestellt. Ein nächster Schritt in der Bestimmung wäre, nach dem Infinitiv zu schauen, mit dem das Modalverb einen Verbalkomplex bildet. Dieser Infinitiv kann ein werden enthalten, muss es aber nicht. Es ist bei der Bestimmung solcher Verbalkomplexe mit Modalverben folglich zu beachten, dass nicht der Verbalkomplex als Ganzes betrachtet wird. Es empfiehlt sich, die Kategorien des Modalverbs und des Infinitivs gesondert zu bestimmen.
     


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    Geändert von Mathilde Hennig (01.08.2012 um 11:38 Uhr)

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