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Thema: Heißt es "auf hohem technischem Niveau" oder "auf hohem technischen Niveau"?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es "auf hohem technischem Niveau" oder "auf hohem technischen Niveau"?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Peinlicherweise hat mich die Frage schon während meines Studiums beschäftigt; in meiner redaktionellen Tätigkeit rächt sich jetzt leider, dass ich da nicht rechtzeitig recherchiert habe...

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Nein, leider nicht, obwohl ich als angehender Linguist an der Quelle saß. Unverzeihlich.

  2. #2

    Standard Heißt es "auf hohem technischem Niveau" oder "auf hohem technischen Niveau"?

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Bei Ihrem Zweifelsfall geht es darum, ob das Adjektiv technisch in der Konstruktion auf hohem technischem/n Niveau stark oder schwach flektiert (dekliniert, gebeugt) wird. Muttersprachlern ist oft gar nicht bewusst, dass es im Deutschen zwei Arten der Adjektivflexion gibt, da sie im alltäglichen Sprachgebrauch meist „automatisch“ die passende Form wählen. Zu Problemen kommt es allerdings häufig, wenn mehrere Adjektive vor einem Substantiv stehen (wie in Ihrem Fall die Adjektive hoch und technisch). Die folgende Tabelle zeigt zunächst einmal die starken und schwachen Formen des Adjektivs technisch im Singular.

    starke Adjektivflexion schwache Adjektivflexion
    Nominativ technisches Niveau (das) technische Niveau
    Genitiv technischen Niveaus (des) technischen Niveaus
    Dativ technischem Niveau (dem) technischen Niveau
    Akkusativ technisches Niveau (das) technische Niveau

    Da die Präposition auf in Ihrem Beispiel den Dativ erfordert, gilt es hier in der Tat, eine Entscheidung zwischen der starken Endung –em und der schwachen Endung –en zu treffen. Für das erste Adjektiv hoch haben Sie diese Entscheidung bereits getroffen, denn hier sind Sie sich sicher, dass es hohem heißen muss. Der Grund dafür ist, dass der Wortgruppe hohem technischem/n Niveau kein Artikel vorangeht, der den Kasus (Fall) der gesamten Wortgruppe deutlich anzeigen würde (wie es z. B. der bestimmte Artikel dem in der rechten Tabellenspalte tut). Für das erste Adjektiv bedeutet das, dass es sozusagen die Funktion des Artikels mit übernimmt und deshalb eine starke Kasusmarkierung erhält – es wird zum „Hauptmerkmalsträger“.

    Bleibt die Frage, ob das zweite Adjektiv technisch dann auch stark flektiert werden muss oder ob die schwache Flexion ausreicht. Für diesen Fall stellt die Dudengrammatik die Grundregel auf, dass Adjektive „parallel“ flektiert werden, d. h. sie sind innerhalb einer Wortgruppe entweder alle stark oder alle schwach (vgl. Duden 4, S. 948). Dieser Grundregel folgend muss die Formulierung also auf hohem technischem Niveau lauten.
     


    Sprachgeschichte

    Die Variante auf hohem technischen Niveau wird allerdings dadurch erklärbar, dass die Sprecher und Schreiber des Deutschen es z. B. aus sprachökonomischen Gründen für ausreichend halten könnten, die starke Adjektivendung nur einmal, nämlich am Hauptmerkmalträger hohem, auszudrücken. Alle weiteren Adjektive könnten prinzipiell schwache Endungen erhalten, wenn durch die Endung des Hauptmerkmalträgers klar wird, dass es sich um einen Dativ handelt. Die Endung des ersten, starken Adjektivs gilt dann quasi für alle anderen Adjektive mit. Diese Tendenz, bestimmte grammatische Merkmale nur noch an einem Wort innerhalb einer Wortgruppe deutlich anzuzeigen, bezeichnet man als Monoflexion.
     


    Sprachgebrauch

    Wie sehr sich bei dieser speziellen Wortgruppe die Tendenz zur Monoflexion schon gegen die Parallelflexion durchgesetzt hat, zeigt eine Suchanfrage bei Google: Gibt man dort den Suchbegriff „auf hohem technischen Niveau“ ein, so erhält man 91.300 Treffer (= 75 %), bei „auf hohem technischem Niveau“ dagegen nur 30.400 (= 25 %). In COSMAS II, dem digitalen Zeitungstextarchiv des Instituts für Deutsche Sprache, ist die Situation beinahe identisch: „Auf hohem technischen Niveau“ bringt es hier auf 97 Treffer (= 76 %), während „auf hohem technischem Niveau“ nur 30-mal zu finden ist (= 24 %).

    Da diese Wortgruppe vergleichsweise häufig verwendet wird, kann es sein, dass sie zukünftig in der Form auf hohem technischen Niveau fest wird, wohingegen andere „freie“ Konstruktionen mit zwei attributiven Adjektiven nach wie vor die Parallelflexion beibehalten.
     


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  3. #3
    Unregistriert Gast

    Standard

    nach Prinzip der Monoflexion ist der Hintere richtig,

  4. #4
    Unregistriert Gast

    Standard Duden

    Der Duden Nr 9 (Richtiges und gutes Deutsch) geht unter "Adjektive 1.2.1, Besonderheiten der Adjaktivdeklination" aber auch darauf ein, dass es von der Parallelflexion besonders im Dativ Singular des Maskulinums und Neutrums Schwankungen von der Regel gibt.
    Dort wird beschrieben, dass, wenn das zweite Adjaktiv mit dem Substantiv eine Bedeutungseinheit bildet, dieses zweite Adjaktiv schwach flexiert wird. Als Beispiel wird angegeben: "Nach heftigem parlamentrischen Streit", oder: "Mit hellem elektrischem Licht."
    Meines Erachtens kann man dies auch auf das Beispiel "Auf hohem technischen Niveau" anwenden, denn das Adjaktiv "hoch" modifiziert ja das "technische Niveau". Es ist nicht so, dass das Niveau sowohl hoch als auch technisch ist.
    Dann ist also auch "auf hohem technischen Niveau" laut Duden korrekt.

    LG,
    Haexel

  5. #5

    Standard Wechselflexion als Kennzeichen für Unterordnung

    Lieber Nutzer,

    haben Sie herzlichen Dank für Ihre Anmerkung, wir stimmen gerne zu. In der neueren Auflage des Duden 9 ("Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle") heißt es unter 1.4. ("Deklination mehrerer aufeinanderfolgender Adjektive") zu den Schwankungen im Dativ Singular und Neutrum: "Als Grundregel gilt hier: Bildet das zweite Adjektiv mit dem Substantiv eine Bedeutungseinheit, die als Ganzes vom ersten Adjektiv modifiziert wird, dann kann Wechselflexion eintreten." (S. 29) Die Wertung der Wechselflexion als optional basiert auf Korpusanalysen, die für die Auflage von 2016 durchgeführt wurden. Es ist also gut möglich, ein Unterordnungsverhältnis durch Wechselflexion zu kennzeichnen.

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