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Thema: deiktische, kohaerenzstiftende, kongruenzstiftende Elemente

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard deiktische, kohaerenzstiftende, kongruenzstiftende Elemente

    Hallo zusammen,


    kann mir bitte jemand die im Titel aufgefuehrten Begriffe anhand folgenden Beispiels erklaeren? Was sind deiktische, kohaerenzstiftende und kongruenzstiftende Elemente?

    Als der Beamte das Paket geoeffnet hatte, erkannte er am Inhalt, dass es sich dabei um eine lang erwartete Sendung eines Kollegen aus dem Ministerium handelt. Warum haette er mit dem Oeffnen warten sollen?

    Danke!

  2. #2
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    Standard Deixis, Kohärenz und Kongruenz

    Da metasprachliche Fragestellungen keine den Sprachgebrauch betreffenden grammatischen Zweifelsfälle sind, wird hier auf unser auf Zweifelsfälle ausgerichtetes Antwortschema mit den Icons verzichtet. Wir möchten Sie dennoch bitten, unseren kurzen Fragebogen zur Bewertung unserer Antwort auszufüllen.

    Der Formulierung Ihrer Frage lassen sich zunächst drei wichtige Begriffe entnehmen, nämlich Deixis, Kongruenz und Kohärenz. Sie dienen alle der Herstellung eines Textzusammenhanges, wobei sie jeweils andere Facetten von Textzusammenhängen darstellen. Während Deixis und Kongruenz vor allem grammatisch, als Mittel der so genannten Textkohäsion, zu interpretieren sind, bezieht sich Kohärenz auf einen Textzusammenhang, der auf kulturellem Wissen basiert.

    Deixeis (Pluralform zu Deixis) sind sprachliche Ausdrücke, mit denen Sie in einer gegebenen Gesprächssituation oder einem Text auf unmittelbar präsente Einheiten (z.B. Gegenstände, Personen oder Orte) zeigen und Ihren Gesprächspartner oder den Leser auf diese Einheiten orientieren können. Dies ist vergleichbar mit der Funktion Ihres Zeigefingers, mit dem Sie ja auch auf bestimmte Punkte zeigen und so die Aufmerksamkeit Ihres Gesprächspartners lenken können. Deiktische Elemente sind also sozusagen sprachliche Zeigefinger. Sie können z.B. mit Ihrem Freund Pullover kaufen gehen und im Kleiderladen Folgendes äußern:

    (1) Ich kaufe dir diesen Pulli / den hier / den da drüben

    Mit Hilfe von Ich verweisen Sie auf die sprechende Person (also auf sich selbst), dir steht für die angesprochene Person (den so genannten Adressaten) und durch den Gebrauch von diesen bzw. den, kombiniert mit hier und da drüben, können Sie auf Orte (in Ihrer Nähe bzw. in der Ferne) zeigen. Durch diese verschiedenen Zeigeoptionen entsteht ein komplexer Verweisraum, in dem immer ein zentraler Bezugspunkt (die so genannte Origo) vorhanden ist, von dem aus dann auf verschiedene Punkte gezeigt werden kann. In Gesprächen ist dieser Bezugspunkt immer der Sprecher. So sind hier bzw. da drüben in (1) im Sinne von „in der Nähe des Sprechers“ bzw. „vom Sprecher entfernt“ zu verstehen. Der Bezugspunkt kann auch in schriftlichen Texten gesetzt sein, so verweist z.B. dabei in Ihrem Beispiel zurück auf das Paket und orientiert den Leser darauf.

    Kongruenz ist ein Mittel, um enge grammatische Beziehungen zwischen Wörtern in Sätzen zu signalisieren. Dies bedeutet in der Regel, dass bei der Verbindung von Wörtern miteinander das eine Wort bestimmte grammatische Merkmale des anderen übernimmt. Man sagt auch, dass in diesem Fall Wörter miteinander übereinstimmen, d.h. kongruieren. Bekannt ist etwa die Kongruenz zwischen dem Subjekt eines Satzes und dem dazu gehörenden konjugierten Verb, in Ihrem Beispiel wären es die Paare der Beamte – hatte, erkannte – er, es – handelt und hätte – er. Die Quelle der Kongruenz (also das kongruenzstiftende Element) ist hier jeweils das Subjekt. Um dies an einem der Beispiele zu verdeutlichen: der Beamte trägt die grammatischen Merkmale Singular, 3. Person und das zu konjugierende Verb übernimmt dann diese Merkmale und heißt hatte, nicht aber hatten oder hattest. Kongruenz besteht aber auch etwa zwischen einem Substantiv und dem dazu gehörenden Artikel. So übergibt Paket seine Merkmale Neutrum, Akkusativ und Singular an seinen Artikel, der folglich das und nicht der, den oder die heißt. Für den Textzusammenhang (s. Kohäsion oben) ist Kongruenz insofern wichtig, als sie Verweise im Text (s. Deixis) grammatisch unterstützen kann. Die Wahl des Pronomens er statt etwa es oder sie in Ihrem Beispiel ermöglicht es uns, den Bezug zu der Beamte grammatisch eindeutig herzustellen (Beamte gibt also seine Merkmale Maskulinum, Singular an das Pronomen weiter) und dieses Thema dann im Kopf zu behalten, ohne es wiederholen zu müssen.

    Wenn Textzusammenhänge nicht auf der Basis grammatischer Merkmale (s. Deixis und Kongruenz oben), sondern über kulturelles Wissen hergestellt werden, so geht es dabei einerseits um unser Wissen über Wörter und ihre Bedeutung bzw. über Beziehungen zwischen ihrer Bedeutung. Andererseits ist damit auch gemeint, dass wir Kenntnisse über Fakten, Handlungen und Zusammenhänge in der Welt haben und dass dieses Weltwissen auch der Herstellung eines Textzusammenhangs, in diesem Fall der von Textkohärenz, dienen kann. Beispiele für das Wissen über Wörter bzw. für die Anwendung dieses Wissens in Ihrem kurzen Text sind etwa:

    (2) Paket – Inhalt

    (3) Paket – Sendung

    (4) Beamte – Ministerium – Kollege

    (5) Paket – Öffnen

    Bei (2) entsteht der Zusammenhang zwischen Paket und Inhalt dadurch, dass wir über die Bedeutung des Wortes Paket wissen, dass zu Paketen auch ein Inhalt gehört. Inhalt ist in diesem Sinne ein Teil von Paket und genau diese Teil-Ganzes-Beziehung führt hier zu einem Zusammenhang. In (3) wissen wir, dass Pakete (etwa neben Briefen und Päckchen) einen Typ von Sendungen darstellen, Paket also als Unterbegriff zum Oberbegriff Sendung angesehen werden und der Oberbegriff hier den Unterbegriff ersetzen kann, weil sie beide auf denselben Gegenstand verweisen. In (4) verfügen wir über ein Wissen darüber, dass in Ministerien Beamte arbeiten (können) und dass Beamte auch Kollegen haben bzw. Kollegen voneinander sein können. Mit anderen Worten: Das kulturelle Bild oder Schema Ministerium beinhaltet Beamte, die deshalb Kollegen sind, weil sie im jeweiligen Ministerium arbeiten. In (5) schließlich kann man davon ausgehen, dass es zu unserem Weltwissen gehört, dass Pakete geöffnet werden (können). In diesem Sinne nimmt Öffnen Bezug auf Paket.

    Geändert von Jacqueline Weiß (22.09.2015 um 12:43 Uhr)

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