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Thema: Wie schreibt man es richtig: vornedraufschreiben, vornedrauf schreiben oder vorne draufschreiben? hintendrinstehen, hintendrin stehen oder hinten drinstehen?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Wie schreibt man es richtig: vornedraufschreiben, vornedrauf schreiben oder vorne draufschreiben? hintendrinstehen, hintendrin stehen oder hinten drinstehen?

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Ich habe im Internet nach einer Rechtschreibregel gesucht.

    Es tut mir leid, dass es dieses Mal keine Grammatikfrage ist. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir die Frage trotzdem beantworten würden, denn es nervt mich, dass ich nicht weiß, welche Schreibvariante die richtige ist.

    Vielen Dank!

  2. 04.09.2012 12:01


  3. #2

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem



    Ganz „ungrammatisch“ ist Ihre Frage nicht, da es hier um die Prinzipien der Getrennt- und Zusammenschreibung geht, welche grammatische Hintergründe haben. Grundprinzip der Getrennt- und Zusammenschreibung ist die Unterscheidung zwischen Zusammensetzungen (Einwortschreibung) und Wortgruppen (Getrenntschreibung). Wortgruppen werden getrennt geschrieben, weil jeder Bestandteil für sich als ein selbständiges Wort gilt. Bei Zusammensetzungen bilden die jeweiligen Bestandteile als Ganzes eine Wortform.

    Ob es sich bei bestimmten Wendungen um eine Wortgruppe oder eine Zusammensetzung handelt, ist eine Frage der Grammatik und muss daher mithilfe grammatischer Mechanismen hinterfragt werden.

    Mit einem Verb als zweitem Bestandteil können sich Ausdrücke mit Adjektiven, Substantiven, Verben, Präpositionen oder Adverbien verbinden. Je nachdem ob es sich um eine Zusammensetzung oder Wortgruppe handelt, werden sie zusammen- oder getrennt geschrieben.

    Beispiel


    (1) danksagen/ Dank sagen (Zusammensetzung/ Wortgruppe aus Substantiv und Verb)
    (2) feststehen/ fest stehen (Zusammensetzung/ Wortgruppe aus Adjektiv und Verb)
    (3) übersetzen (Zusammensetzung aus Präposition und Verb)
    (4) dabeisitzen/ dabei sitzen (Zusammensetzung/ Wortgruppe aus Adverb und Verb)
    (5) kennenlernen/ kennen lernen (Zusammensetzung/ Wortgruppe aus Verb und Verb)


    In den meisten dieser Beispiele stehen Zusammensetzung und Wortgruppe nebeneinander. Aber woher weiß ich nun, wann ich zusammen- oder getrennt schreiben muss? Von welchen Kriterien hängt diese Entscheidung ab?

    Allgemein werden Bestandteile, die eine Zusammensetzung mit einem Verb eingehen, als „Verbpartikel“ bezeichnet. In den meisten Fällen sind Verbpartikel formgleich mit Präpositionen und Adverbien. Hierbei können nun Zweifelsfälle entstehen, wenn Unsicherheit darin besteht, ob es sich bei dem Bestandteil um ein selbständiges Adverb und somit insgesamt um eine Wortgruppe (Getrenntschreibung) oder eine Verbpartikel und somit um eine Zusammensetzung (Zusammenschreibung) handelt. Im amtlichen Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung werden für diese Entscheidung verschiedene Kriterien angeboten:

    1. Ein mögliches Kriterium ist der Akzent: „Bei Zusammensetzung liegt der Hauptakzent normalerweise auf der Verbpartikel, während bei Wortgruppen das selbständige Adverb auch unbetont sein kann.


    Beispiel

    (6) wiedersehen vs. wieder sehen


    2. Ein weiteres Unterscheidungskriterium ist die Wortfolge:

    a) „Das Adverb kann im Aussagesatz vor dem finiten Verb an erster Stelle stehen, die Verbpartikel hingegen nicht.


    Beispiel

    (7) Dabei wollte sie nicht immer sitzen, sondern auch ab und zu mal stehen (Adverb dabei)

    Aber:

    Dabeisitzen wollte sie nicht immer (Verbpartikel dabei-).


    b) „Zwischen Adverb und Infinitiv können ein oder mehrere Satzglieder eingeschoben werden, zwischen Verbpartikel und verbalen Bestandteil hingegen nicht."


    Beispiel

    (8) Sie wollte dabei nicht immer sitzen, sondern auch ab und zu mal stehen (Adverb dabei)

    Aber:

    Sie wollte nicht immer dabeisitzen (Verbpartikel dabei-).


    Da es sich bei Ihren Beispielen um komplexere Verbindungen als die bis hierher verwendeten Ausdrücke handelt, nämlich Adverb + Adverb + Verb, müssen wir versuchen, Schritt für Schritt vorzugehen und zunächst mit den vereinfachten Begriffen „draufschreiben/ drauf schreiben“ und „drinstehen/ drinstehen“ zu arbeiten.

    Wendet man die oben genannten Kriterien an, zeigt sich, dass hier beide Varianten möglich sind:

    1. Kriterium des Akzents:

    Beispiel


    (9) „Wir müssen auf das Paket draufschreiben, welches Alter das Kind haben soll, das das Paket bekommt.“ (aus: Braunschweiger Zeitung, 12.11.2005)
    (10) „Papier ist geduldig, da kann man alles drauf schreiben.“ (aus: Nürnberger Nachrichten, 08.01.2001)

    (11) „Dort sollte drinstehen, was die Schweiz für eine Armee und für eine Luftwaffe für ihre Sicherheitsbedürfnisse braucht.“ (aus: St. Galler Tagblatt, 26.08.2010)

    (12) „Zudem müsse natürlich drin stehen, welchen medizinischen Maßnahmen man zustimme und welche man ablehne.“ (aus: St. Galler Tagblatt, 30.10.2010)


    Zugegebenermaßen eröffnet das Betonungskriterium große Interpretationsspielräume, so dass dies nicht immer eine eindeutige Entscheidungshilfe darstellt. Aus diesem Grund ist es umso hilfreicher, dass es noch ein weiteres Kriterium gibt, mit welchem man dem Zweifelsfall nachgehen kann.

    2. Kriterium der Wortfolge:

    a) Adverb an erster Stelle im Aussagesatz vor dem finiten Verb:

    Beispiel

    (13) Darauf (*Drauf) wollte er nicht schreiben, sondern lieber auf ein Schmierblatt. (darauf = Adverb)

    Draufschreiben wollte er nicht. (drauf = Verbpartikel)


    Die erste Variante in Beispiel (13) mit „Drauf“ als Adverb an erster Stelle im Aussagesatz scheint nicht wirklich zu funktionieren. Hierbei muss man sich mit „Darauf“ behelfen. Somit würde zumindest dieses Kriterium eine Getrenntschreibung eher ausschließen. Bei Ihrem anderen Beispiel „drin stehen/ drinstehen“ ist diese Kriterium jedoch erfüllt, so dass hier beide Varianten problemlos möglich scheinen.

    Beispiel

    (14) Drin wollte er lieber nicht stehen, sondern draußen. (drin = Adverb)

    Drinstehen wollte er nicht. (drin = Verbpartikel)


    b) Bei selbständigem Adverb mehrere Satzglieder zwischen Adverb und Infinitiv:

    Beispiel

    (15) Er wollte darauf (*drauf) nicht immer mit einem Bleistift schreiben. (darauf = Adverb)
    Er wollte nicht immer mit einem Bleistift draufschreiben. (drauf = Verbpartikel)

    (16) Er wollte nicht drin im Tor stehen. (drin = Adverb)
    Er wollte nicht im Tor drinstehen. (drin = Verbpartikel)


    Auch hier muss man auf die Form „darauf“ ausweichen, damit die erste Konstruktion in Beispiel (15) möglich ist. Damit ist allerdings die Getrenntschreibung für diese Wortverbindung nicht vollends ausgeschlossen, da hier immer noch das Betonungskriterium greifen kann.
    Dass beide Varianten im Sprachgebrauch vertreten sind, zeigt eine Untersuchung in der Suchmaschine Google und im Zeitungskorpus des Instituts für deutsche Sprache. (siehe weiter unten „Sprachgebrauch“)

    Nun zu der Frage, wie das zweite zusätzliche Adverb („vorne“ bzw. „hinten“) angeschlossen wird: Heißt es „vornedrauf schreiben“ oder „vorne draufschreiben“ oder „vornedraufschreiben“ oder doch „vorne drauf schreiben“ bzw. „hintendrin stehen“ oder „hinten drinstehen“ oder „hintendrinstehen“ oder doch „hinten drin stehen“?

    Die vorher erläuterten Kriterien lassen sich auch auf diese Wortverbindungen anwenden, so dass hier ebenfalls Getrennt- und Zusammenschreibung möglich sind.

    Außerdem kann „vornedrauf“ bzw. „hintendrin“ als komplexe Verbartikel angesehen werden, so dass hier die gleichen Prinzipien wie bei einfachen Verbpartikeln greifen.
    Dies belegen auch Befunde bei Google mit 20.400 Treffer für „vornedrauf“ und 70.500 Treffer für „hintendrin“. Zwar überwiegen bei diesen Wortverbindungen tatsächlich die getrenntgeschriebenen Varianten „vorne drauf“ und „hinten drin“ mit jeweils ca. 200.000 Treffern, aber die dennoch hohe Trefferquote für die Zusammenschreibung lässt darauf schließen, dass ein Gebrauch als komplexe Verbpartikel nicht ungewöhnlich ist.

    Fazit: Es kann also nicht immer zweifelsfrei entschieden werden, ob es sich um eine Wortgruppe oder eine Zusammensetzung handelt. Somit stehen dem Schreibenden in diesen Fällen gewisse Freiräume zur Verfügung. Dies soll jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass hier individuelle Willkür herrscht, sondern vielmehr dass man aufgrund verschiedener nebeneinander konkurrierender grammatischer Prinzipien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.

    Letztendlich bleibt es also Ihre Entscheidung, welche der Lesarten Sie wählen. Dabei können Sie sich natürlich in unterschiedlichen Kontexten auf verschiedene Kriterien stützen und Ihre Ausdrücke variieren.
     



    Sprachgebrauch



    Im sprachsystematischen Teil wurde bereits der Sprachgebrauch angerissen. Um einen kleinen Überblick zu erhalten, wie die Sprachgemeinschaft mit diesem durchaus kniffligen Fall umgeht, hier noch einmal eine Übersicht zu allen Treffern in der Suchmaschine Google und im Zeitungskorpus des Instituts für deutsche Sprache.


    Treffer bei Google Treffer bei Cosmas II
    draufschreiben 157.000 125
    drauf schreiben 101.000 21
    vornedrauf 20.400 5
    vorne drauf 287.000 170
    vorne draufschreiben 935 -
    vornedrauf schreiben 83 -
    vornedraufschreiben 3 -
    vorne drauf schreiben 3.790 -

    Treffer bei Google Treffer bei Cosmas II
    drinstehen 386.000 249
    drin stehen 714.000 364
    hintendrin 70.500 88
    hinten drin 213.000 919
    hinten drinstehen 7.160 23
    hintendrin stehen 4.000 16
    hintendrinstehen 2.860 2
    hinten drin stehen 50.100 117



    Insgesamt belegen die Zahlen noch einmal die vielfältigen Möglichkeiten, diese Verbindung im schriftsprachlichen Gebrauch auszudrücken. Zudem fällt auf, dass bei einfacher Verbpartikel, vor allem bei „draufschreiben“ vs. „drauf schreiben“ (bei Google), der Abstand zwischen Getrennt- und Zusammenschreibung geringer ist als bei komplexer Verbpartikel.
     


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