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Thema: Wie kann man folgende Satzkonstruktionenbeschreiben? (1) Einer, der macht Feuer. (2) Und dann ist einer, der hängt die Füße ins Wasser. (3) Einer von den Jungs, der guckt mit einem Fernglas

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Wie kann man folgende Satzkonstruktionenbeschreiben? (1) Einer, der macht Feuer. (2) Und dann ist einer, der hängt die Füße ins Wasser. (3) Einer von den Jungs, der guckt mit einem Fernglas

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Transkript /Analyse von Spontansprache einer aphasischen Patientin

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Pittner/Bermann: Deutsche Syntax

    Das sind meines Wissens keine "echten" Relativsätze Relativsätze sind untergeordnet (V-End-Stellung)

  2. #2

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    In der gesprochenen Sprache ist die syntaktische Realisierung von Äußerungen prinzipiell flexibler als in der geschriebenen. Ein häufig genutztes Verfahren im Rahmen flexibler Einheitengestaltung ist dabei die flexible Gestaltung von Satzrändern. Prinzipiell sind sowohl der linke als auch der rechte Satzrand dafür zugänglich:

    Beispiel

    (1) Mein Vater, der hat eine Glatze.
    (2) Hast du ihn schon gesehen, den neuen Bond?

    Die Konstruktion in (1) nennt man 'Linksversetzung', die in (2) 'Rechtsversetzung'. Erklärbar ist das Phänomen durch die Gleichzeitigkeit von Planung und Äußerung in gesprochener Sprache: Da wir in gesprochener Sprache uns häufig nicht die Zeit nehmen, Äußerungen erst sorgfältig zu planen und anschließend zu realisieren (bspw. weil unser Gesprächspartner erwartet, dass wir etwas sagen und wir das Rederecht nicht verlieren wollen), kommt es häufig vor, dass sozusagen die Spuren der Gedankenbildung auch an der Oberfäche erkennbar sind. Das Ergebnis sind weniger integrative Satzstrukturen.
    Ihre Beispiele (1) und (3) können problemlos als Linksversetzungen klassifiziert werden. Bei Linksversetzungen wird jeweils eine Konstituente des Satzes am linken Satzrand sozusagen doppelt realisiert. Mit solchen Linksversetzungen benennen wir erst einmal das, was Gegenstand der folgenden Äußerung sein soll (quasi wie eine Vorankündigung) und treffen anschließend eine Aussage über diesen Gegenstand.
    Beispiel (2) geht über die einfache Linksversetzung hinaus: Hier wird ja nicht nur eine Konstituente gedoppelt, sondern die Konstituente wird zunächst mit einer Kopulativkonstruktion eingeführt (x ist y). Auf diese Weise wird zunächst die Existenz des folgenden Satzgegenstandes hervorgehoben. Auch hier gilt, dass es sich um eine gesprochensprachliche Satzrandkonstruktion handelt, die - wie Sie richtig bemerkt haben - nicht mit einem Relativsatz zu verwechseln ist.

    Den bisherigen Ausführungen konnten Sie entnehmen, dass es sich bei solchen Konstruktionen am linken Satzrand um typische, reguläre Erscheinungen gesprochener Sprache handelt. Ich würde Ihnen deshalb gerne für die Analyse Ihres Transkripts empfehlen, keinen Zusammenhang zur aphasischen Störung des Sprechers herzustellen.

    Als weiterführende Literatur sei empfohlen:

    Auer, Peter 1997: Formen und Funktionen der Vor-Vorfeldbesetzung im gesprochenen Deutsch. In: Schlobinski, Peter (Hrsg.): Syntax der gesprochenen Sprache. Opladen: Westdeutscher Verlag, 55-91.
    Hennig, Mathilde 2006: Grammatik der gesprochenen Sprache in Theorie und Praxis. Kassel: university press.
    Selting, Margret 1994: Konstruktionen am Satzrand als interaktive Ressource. In: Haftka, Britta (Hrsg.): Was determiniert Wortstellungsvariation? Studien zu einem Interaktionsfeld von Grammatik, Pragmatik und Sprachtypologie. Opladen: Westdeutscher Verlag, 299-318.
    Selting, Margret 1995a: Der ‚mögliche Satz‘ als interaktiv relevante syntaktische Kategorie. In: Linguistische Berichte 158, 298-325.
    Stein, Stephan 2003: Textgliederung. Einheitenbildung im geschriebenen und gesprochenen Deutsch: Theorie und Empirie. Berlin / New York: de Gruyter (Studia Linguistica Germanica 69).
     

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