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Thema: zu "lassen + Infinitiv" und Adjektiv (beide unter Kommentar)

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard zu "lassen + Infinitiv" und Adjektiv (beide unter Kommentar)

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden-Grammatik, Wörterbücher, Deutsche Grammatik von Helbig/Buscha

    Guten Tag!

    1. Sind die fettgedruckten Adjektive möglich? Wenn nein, wie könnte man die Idee ausdrücken?

    Erfundenes Beispiel: "Die gesprochenen Sprachen in einer bestimmten Region":

    Deutsch 45%
    Englisch 20%
    Französisch 15%
    Portugiesisch 10%
    Finnisch 8%
    Spanisch 2%


    A. Deutsch ist "die meistgesprochene" / "die erstmeistgesprochene" / "die am meisten gesprochene" Sprache in dieser Region.

    B. Englisch ist "die zweitmeistgesprochene" Sprache in dieser Region.

    C. Französisch ist "die drittmeistgesprochene" Sprache in dieser Region.

    D. Spanische ist "die letztmeistgesprochene" / "die wenigstgesprochene" / "die erstwenigstgesprochene" / "die letztwenigstgesprochene" / "die am wenigsten gesprochene" Sprache in dieser Region.

    E. Finnisch ist "die vorletztmeistgesprochene" / "die zweitwenigstgesprochene" / "die vorletztwenigstgesprochene" Sprache in dieser Region.

    __________________________________________________ ___________________________

    2. Was ist/wo liegt der Unterschied zwischen den Strukturen:

    A. lassen + jdn (+ etwas) + Infinitiv:

    Elke und Leo lassen Paul alle Mülleimer wegbringen.

    Er lässt Leo das Auto Waschen.

    Sie lässt Leo arbeiten.

    B. lassen + etwas + von jdm + Infinitiv

    Elke und Leo lassen alle Mülleimer von wegbringen.

    Er lässt das Auto von Leo waschen.


    Vielen Dank im Voraus!

    Mit freundlichen Grüßen
    AC

  2. #2
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    Ort
    Kassel
    Beiträge
    23

    Standard "meistgesprochen" und lassen + Inf mit "von"

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    1. meistgesprochen

    Zunächst lohnt sich ein Blick auf die beiden am wenigsten auffälligen (oder: wenigstauffälligen) Formen die meistgesprochene und die am meisten gesprochene. Erstere entsteht nämlich aus Zweiterer, nämlich durch Zusammenbildung, eine Wortbildungsart im Deutschen. Dabei ist zu beachten, dass die zusammengeschriebenen Varianten immer die kürzere Superlativform auf -st ohne am enthalten. Wichtig ist, dass meist in Zusammenbildungen oft vorkommt, d.h. produktiv ist, vgl. auch [I]meistgelesen[/I, meistbegünstigt usw. Das Gleiche ist bei erst, einem anderen Beispiel von Ihnen, zu beobachten. Es gehört zu den Ordinalzahlen, die in Zusammenbildungen ebenfalls häufig begegnen, vgl. etwa erstplatziert, erstgenannt usw. (s. auch ertklassig aus erste Klasse)
    Ausgehend von den Beispielen mit produktivem erst und meist lässt sich sagen, dass alle anderen Vorkommen, d.h. solche mit zweit, dritt, letzt und wenigst, Analogiebildungen zu den Ausgangsfällen darstellen. Die Basis für diese Analogiebildungen bilden dabei sprachliche Muster, die semantischer oder grammatischer Natur sein können. Solche Muster können als Netzwerke von miteinander zusammenhängenden Wörtern aufgefasst werden. M.a.W.: Wörter hängen sozusagen nie in der Luft, sondern weisen diverse Beziehungen zu anderen Wörtern auf. Bei Ordinalzahlen sind solche Relationen besonders auffällig. Sagt man erst-, so hat man dabei automatisch zweit-, dritt-, letzt- usw. im Kopf und umgekehrt. Diese Wörter implizieren sich gegenseitig, sie bilden eine Reihe und stehen uns auf diese Weise als sprachliche Muster zur Verfügung. Das Gleiche gilt für meist, das einerseits, unter grammatischem Aspekt, als Adjektiv in der Komparationsreihe viel-mehr-meist bzw. als Adverb in der Komparationsreihe sehr-mehr-am meisten steht, und andererseits, unter semantischem Aspekt, über eine Antonymierelation zu wenigst in Beziehung gesetzt werden kann. Solche Zusammenhänge ermöglichen die von Ihnen angeführten Wortbildungsprodukte. Sie können Sich also folgende Ableitung vorstellen:

    1. Es gibt Zusammenbildung als Wortbildungsart im Deutschen.
    2. erst und meist sind dabei produktive Erstglieder, weshalb sie leicht zu Mustern für weitere Wortbildungsprodukte werden können.
    3. Man bildet analog zu erst-X auf der Basis des Musters erst/zweit usw. weitere Wörter. Ähnliches gilt für meist.

    Dass es hierbei zu "Auswüchsen" (positiv gewandt: kreativen Wortbildungen) kommt, gehört bei Analogie vielfach mit dazu. So ist etwa erstmeistgesprochen auf den ersten Blick ein Beispiel für Tautologie. Bei näherem Hinsehen ist es jedoch im Kontext der von Ihnen erfundenen Rangliste, die die Ordinalzahlreihe (ein sprachliches Muster) hervorruft, sehr wohl logisch.


    2. lassen + Infinitiv

    Zunächst ist vorauszuschicken, dass lassen ein spezielles Verb ist, das in sehr vielen Konstruktionen möglich ist. Für Ihre Beispiele gilt, dass lassen ein Subjekt, ein Akkusativobjekt und ein anderes Verb im Infinitiv fordert (1). Zu diesem Infinitiv kann zusätzlich noch ein Akkusativ hinzugefügt werden (2):

    Beispiel

    1. Sie lässt ihren Mann arbeiten.
    2. Sie lässt ihren Mann das Auto waschen.


    In 1 ist Sie Subjekt und ihren Mann Akkusativobjekt zu lassen. ihren Mann ist dabei gleichzeitig, indirekt, Subjekt zu arbeiten. In 2 gehört zum infiniten Verb (waschen) nicht nur ein indirektes Subjekt (ihren Mann), sondern auch ein Akkusativobjekt, nämlich das Auto. Unter semantischem Aspekt sagt man, dass Sie Agens (also die handelnde Person) zu lassen und ihren Mann Agens (also die handelnde Person) zu arbeiten bzw. zu waschen ist. Auffallend ist also die Janusköpfigkeit von ihren Mann: Es ist Akkusativobjekt zu lassen, drückt aber gleichzeitig die handelnde Person (das Agens), also indirekt das Subjekt, zum infiniten Verb (arbeiten bzw. waschen) aus. Ersetzt man nun den Akkusativ durch eine von-Phrase, so lohnt sich dabei ein Vergleich mit dem Passiv:

    Beispiel

    2. Sie lässt ihren Mann das Auto waschen.
    2a Sie lässt das Auto von ihrem Mann waschen.
    3. Das Auto wird von ihrem Mann gewaschen.


    Die von-Phrase in 3, einem Passivsatz, ist der in lassen-Sätzen ähnlich. Sie drückt auch in Passivsätzen das Agens zum infiniten Verb (hier als Partizip II: gewaschen) aus. Es ist also anzunehmen, dass die von-Variante bei lassen vor allem dann in Frage kommt, wenn eine passivische Lesart des durch das Vollverb (waschen) ausgedrückten Sachverhalts unterstellt werden kann oder soll. Auch die Dudengrammatik (2009, S. 815) weist auf eine solche Deutung hin. Ein weiteres Indiz für die Passivparellele sind folgende Beispiele:

    Beispiel

    1. Sie lässt ihren Mann arbeiten.
    5. *Sie lässt von ihrem Mann arbeiten.

    verglichen mit

    1a Heute wird gearbeitet.
    3. Das Auto wird von ihrem Mann gewaschen.


    Ihre B-Varianten mit von sind nicht möglich, wenn das von lassen geforderte, im Infinitiv stehende Verb intransitiv ist, d.h. kein Akkusativobjekt zulässt. Ein solches Verb ist arbeiten. Für solche Verben ist auch im Passiv typisch, dass die von-Phrase fehlt. Sie stehen im subjektlosen Passiv (1a). Bei transitiven Verben, d.h. solchen mit einem Akkusativobjekt, kann die von-Phrase jedoch sowohl in lassen- als auch in herkömmlichen Passivsätzen ohne Weiteres stehen (2a bzw. 3).
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    Geändert von Dániel Czicza (24.05.2013 um 15:11 Uhr)

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