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Thema: Heißt es: Ich habe einen PC zu stehen oder: Ich habe einen PC stehen?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es: Ich habe einen PC zu stehen oder: Ich habe einen PC stehen?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Meine Tochter

  2. #2
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    Standard habe (zu) stehen

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    In Ihrem Beispiel mit haben und der Infinitivform von stehen (mit oder ohne zu) handelt es sich um die Kombination verschiedener Verben. Wichtig ist dabei, dass ein finites (Person- und Numeruszeichen tragendes) Verb (hier: habe) die nicht finite (infinite) Form eines anderen Verbs (hier: stehen) fordert. Diese Art verbaler Fügung kommt im Deutschen sehr häufig vor. Es lohnt sich, Ihr Beispiel neben andere ähnliche verbale Fügungen zu stellen:

    Beispiel

    (1) Ich habe einen PC auf meinem Schreibtisch stehen.
    (2) Ich sehe meine Tochter auf meinem Schreibtisch stehen.
    (3) Ich fand gestern meine Tochter auf meinem Schreibtisch stehen.


    Für Ihr Beispiel sowie für (2) und (3) ist typisch, dass das finite Verb nicht nur die Infinitivform des anderen Verbs, sondern auch ein Akkusativobjekt fordert (einen PC bzw. meine Tochter, jeweils kursiv). Solche Verben werden in Anlehnung an die lateinische Grammatikschreibung a.c.i.-Verben genannt (accusativus cum infinitivo = Akkusativ mit Infinitiv). Für das Akkusativobjekt in solchen Fügungen gilt, dass es gleichzeitig als Subjekt des infiniten Verbs (also als Subjekt zu stehen) gelesen wird, sprich: Der PC steht auf meinem Schreibtisch und meine Tochter steht auf meinem Schreibtisch.
    Interessant ist weiterhin, dass haben in (1) unter semantischem Gesichtspunkt doch ein bisschen anders ist als sehen und finden in (2) bzw. (3). Während Letztere ihre Bedeutung beibehalten (ich sehe und finde meine Tochter tatsächlich), geht es bei haben nicht so sehr um den Ausdruck eines Besitzverhältnisses, sondern eher darum, die Fortdauer eines Zustandes oder Geschehens zu signalisieren. So muss der PC in (1) nicht unbedingt mir gehören, vgl. auch folgendes Beispiel:

    Beispiel

    (4) Er hat zurzeit zwei Touristen bei sich wohnen.

     


    Sprachvariation

    Die Variation Infinitiv mit oder ohne zu, die Sie mit Ihrem Beispiel ansprechen, wird u.W. grundsätzlich auf regionale Unterschiede zurückgeführt. So weist die Dudengrammatik (2006, S. 422) einerseits darauf hin, dass die Variante mit zu zwar möglich, nicht jedoch standardsprachlich ist. Der Duden-Band Richtiges und gutes Deutsch (2009, S. 846) merkt das Gleiche an und fügt andererseits hinzu, dass die zu-Variante in Berlin typisch ist. Dieser Hinweis ist bereits in dem online verfügbaren sprachhistorischen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (bei haben: B II, 4b) zu lesen. Im Atlas zur deutschen Alltagssprache (https://www.philhist.uni-augsburg.de...13a/index.html) kann man sehen, dass die zu-Form nicht nur in Berlin, sondern auch weiter östlich, westlich, nördlich und südlich davon verbreitet ist.
    Schwankungen zwischen dem reinen und dem zu-Infinitiv bei verbalen Fügungen kommen nicht nur bei haben vor, sie sind auch in anderen Fällen bekannt, vgl.:

    Beispiel

    (5) Du brauchst meinen PC nicht (zu) reparieren.
    (6) Ich half ihm meinen PC (zu) reparieren.
     
    Geändert von Dániel Czicza (22.06.2013 um 17:47 Uhr)

  3. #3

    Standard Ich habe auf meinem Schreibtisch einen PC.

    Ergänzung:

    Beides ist umgangssprachlich, also nicht standardisiert, und kann deshalb nicht nach Richtig und Falsch beurteilt werden.

    Standarddeutsch (in at, ch, de):
    Ich habe auf meinem Schreibtisch einen PC.
    Auf meinem Schreibtisch steht ein PC.

  4. #4
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    Standard

    Anmerkung zu der Ergänzung:

    Vielen Dank für Ihre Ergänzung. Wir hätten dazu folgende Anmerkungen:

    1. Bei der Ausweisung der zu-Variante als nicht-standardsprachlich haben wir auf die einschlägigen Stellen in der Duden-Grammatik und dem Duden-Band 9 (Richtiges und gutes Deutsch) verwiesen. Selbstverständlich kann behauptet werden, dass beide Varianten (mit und ohne zu) nicht standardisiert sind (und das sogar bezogen auf die deutsche, schweizerische und österreichische Standardvarietät). Allerdings müssten in diesem Fall Argumente für diese Position angeführt werden.

    2. Daraus, dass sprachliche Phänomene umgangssprachlich sind, folgt nicht, dass sie ("deshalb") nicht nach falsch und richtig beurteilt werden können.

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