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Thema: Futurperfekt, Passiv, Modalverben

  1. #1
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    Standard Futurperfekt, Passiv, Modalverben

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Die Frage ist auf mich gestoßen

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden, Pons, Langenscheidt, in Dussmann, in der Uni....

    Guten Tag,

    ich habe in Internet zwei Möglichtkeiten gefunden, die sich laut dieser Seite möglicherweise für ein Futurperfekt Passiv mit Modalverben eignen können.

    ***** In dieser beiden Internetseiten,
    http://mmtux.idf.uni-heidelberg.de/P...RK_passiv.html
    http://www.sprachtrainer.ch/img/uplo...tiv-passiv.pdf

    finde ich als Futur II mit Modalverb
    (Aktiv) Die Fachgruppe wird das Gesetz ausgearbeitet haben können.
    (Passiv) Das Gesetz wird ausgearbeitet worden sein können.



    ***** In dieser Internetseite,
    http://www.deutschlernen-blog.de/Gra...Verbformen.pdf
    http://www.deutschegrammatik20.de/pa...mit-modalverb/

    finde ich als Futur II mit Modalverb
    (Aktiv) Er wird das Auto haben kaufen können.
    (Passiv) Das Auto wird von ihm haben gekauft werden können.

    Ich weiß, dass diese Zeitformen sehr selten gebraucht sind. Ich bin nicht Deutsch als Muttersprache, aber ich möchte mindestens sie einmal gesehen oder gelesen haben. In meinen grammatischen Büchern ist es immer, entweder "ist ungebräuchlich" oder "zu schwer", geschrieben. Und dann kommt immer noch ein ähnlicher Satz im Buch: Wir ersetzen diese Zeitform durch etwas.... OK sage ich allein vor dem Schreibtisch, aber dann geht mein Gehirn verrückt: Was für eine Zeitform ??

    Vielleicht eignet sich eine Zeitform besser für die objektive Bedeutung während der anderen für die subjektive ?
    Ich habe genau keine Ahnung wie das Futur II Passiv mit einem Modalverb konjugiert werden soll, außer Vermutung... Wissen Sie das ?

    Danke für Ihre Hilfe,
    Denebe.
    Geändert von denebe (28.11.2013 um 18:32 Uhr)

  2. #2

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Wir halten die folgende Variante für richtig:

    Beispiel

    (1) Das Gesetz wird ausgearbeitet worden sein können.

    Dementsprechend würden wir das andere Beispiel entsprechend umformulieren:

    Beispiel

    (2) *Das Auto wird von ihm haben gekauft werden können.
    (2a) Das Auto wird von ihm gekauft worden sein können.

    Futur II ist eine Perfektbildung. Das bedeutet, der Übergang von Futur I zu Futur II ist das Ergebnis einer Perfektbildung, vg. beispielsweise:

    Beispiel

    (3) Er wird die Aufgabe bearbeiten.
    (4) Er wird die Aufgabe bearbeitet haben.
    (5) Die Aufgabe wird bearbeitet werden.
    (6) Die Aufgabe wird bearbeitet worden sein.

    Das Futur II wird deshalb auch als "Futurperfekt" bezeichnet (beispielsweise in der Dudengrammatik).
    An diesen Beispielen erkennen wir bereits, dass als Hilfsverben für die Bildung des Futur II sowohl haben als auch sein in Frage kommen, da das ja auch die beiden Hilfsverben zur Perfektbildung sind. Die entscheidende Frage ist also, ob für den Übergang von Futur I zu Futur II das Hilsverb haben oder das Hilfsverb sein zu wählen ist. Die Gegenüberstellung der beiden Beispielpaare lässt erkennen, dass sich die Wahl des Hilfsverbs nicht automatisch nach dem Vollverb (bearbeiten) richtet. Dieses Verb bildet das Perfekt ja mit dem Hilfsverb haben:

    Beispiel

    (7) Er hat die Aufgabe bearbeitet
    ,
    sodass auch das Futur II resp. Futurperfekt (4) mit diesem Hilfsverb gebildet wird. In (6) dagegen erfolgt die Perfektbildung nicht am Vollverb, sondern am Hilfsverb werden. Das Futur I in (5) besteht aus der finiten Verbform wird und dem Infinitiv Passiv; das Futur II in (6) besteht aus der finiten Verbform wird und dem Infinitiv Perfekt Passiv. Der Infinitiv Passiv von bearbeiten lautet bearbeitet werden, der Infinitiv Perfekt Passiv lautet bearbeitet worden sein.
    Entsprechend ist auch die Frage nach dem Futur II der Kombination von Passiv und Modalverben eine Frage nach der Perfektbildung, bzw. danach, welches der Verben im Verbalkomplex hier eigentlich Gegenstand der Perfektbildung ist. Analog zum Futur II in (6) erfolgt auch hier die Perfektbildung am Hilfsverb werden und nicht am Vollverb, deshalb ist die richtige Variante:

    Beispiel

    (8) Die Aufgabe wird bearbeitet worden sein können.

    Die Formenbildung ist hier einerseits natürlich deshalb so schwierig, weil es sich um einen Verbalkomplex mit einem sehr hohen Komplexitätsgrad handelt. Ein anderer Grund für die Schwierigkeit liegt hier auch darin, dass Perfektbildungen sowohl beim Modalverb als auch beim vom Modalverb abhängigen Infinitiv erfolgen können, wie die folgenden Beispielpaare illustrieren:

    Beispiel

    (9) Der Arzt muss den Mann operiert haben.
    (10) der Art hat den Mann operieren müssen.

    In (9) wird das Modalverb mit einem Infinitiv Perfekt kombiniert, in (10) wird das Modalverb selbst ins Perfekt gesetzt.
    Die Wahl der jeweiligen Perfektform kann nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext erfolgen, vgl. bspw.:

    Beispiel

    (9a) Der Arzt muss den Mann bereits operiert haben, sonst läge er noch nicht wieder im Krankenzimmer. (= epistemischer bzw. subjektiver Gebrauch; Vermutung)

    Beispiel

    (9b) Der Arzt muss den Mann bis nächste Woche operiert haben, sonst könnte er sterben. (= deontischer bzw. objektiver Gebrauch)

    Beispiel

    (10a) Der Arzt hat den Mann gestern operieren müssen = Der Arzt musste den Mann gestern opieren. (= deontischer bzw. objektiver Gebrauch).

    Man kann also auch nicht sagen, dass sich verschiedene Formbildungsmöglichkeiten immer komplementär auf den deontischen und epistemischen Modalverbgebrauch verteilen. Auch wenn all diese Faktoren sicherlich dazu beitragen, dass die Formenbildung bei Modalverben schwer zu durchschauen ist, so ist der vorliegende Fall (Modalverb + Passiv + Futur II) jedoch lediglich eine Frage der Formenbildung und nicht des Gebrauchs.
     


    Bitte beachten Sie auch unsere Antwort zum Zustandspassiv:
    http://www.grammatikfragen.de/showth...refixid=tempus

  3. #3
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    Standard

    Guten Tag Mathilde,

    Vielen Danke für Ihre sehr interessante Antworte. Ich habe alles durchgelesen.

    Ich halte auch als Futur II für richtig:
    Das Gesetz wird ausgearbeitet worden sein können.

    ---------------------------------------------------------------------------

    Aber logisch heißt es nicht, dass ein anderer Satz falsch ist. Ich verweise auf diese zwei Sätzen (Quelle 1 und 2):
    „(Aktiv) Er wird das Auto haben kaufen können.
    (Passiv) Das Auto wird von ihm haben gekauft werden können. „

    ---------------------------------------------------------------------------

    (Aktiv)
    (1) Er bearbeitet die Aufgabe. (Präsens)
    (2) Er wird die Aufgabe bearbeiten. (Futur I)
    (3) Er wird die Aufgabe bearbeitet haben. (Futur II, Perfekt von dem Vollverb bearbeiten)

    (Passiv)
    (4) Die Aufgabe wird bearbeitet. (Präsens)
    (5) Die Aufgabe wird bearbeitet werden. (Futur I)
    (6) Die Aufgabe wird bearbeitet worden sein. (Futur II, Perfekt von dem Hilfsverb werden)

    Mit Modalverb.
    (Aktiv)
    (7) Er muss die Aufgabe bearbeiten.
    (8) Er wird die Aufgabe bearbeiten müssen.
    (9) Er wird die Aufgabe bearbeitet haben müssen. ("müssen" hinter dem Perfekt von bearbeiten)

    (Passiv)
    (10) Die Aufgabe muss bearbeitet werden.
    (11) Die Aufgabe wird bearbeitet werden müssen.
    (12) Die Aufgabe wird bearbeitet worden sein müssen.

    --------------------------------------------------------

    Hinweise:

    (2)->(3) Perfekt von bearbeiten. (bearbeiten = Vollverb)
    (5)->(6) Perfekt von werden (werden = Hilfsverb)

    (8)->(9) Perfekt von bearbeiten, mit hinter dem Modalverb "müssen".
    (11)->(12) Perfekt von werden, mit hinter dem Modalverb "müssen".

    In (9), statt das Modalverb „müssen“ hinter dem Perfekt von "bearbeiten" hinzuzufügen, benutzen wir das Perfekt von "müssen" mit dem unveränderten Vollverb "bearbeiten", es würde ergeben:

    (9a) Er wird die Aufgabe haben bearbeiten müssen .

    In (12), statt das Modalverb "müssen" hinter dem Passiv Perfekt "bearbeitet worden sein" hinzuzufügen, benutzen wir das Perfekt von "müssen" mit dem einfachen Passiv "bearbeitet werden", es würde ergeben:

    (12a) Die Aufgabe wird haben bearbeitet werden müssen.

    Meine Fragen:

    Sind (9a) und (12a) grammatisch richtig ?

    Falls ja, Haben (9) und (9a) eine gleiche Bedeutung ?

    Falls ja, können wir z.B. sagen, dass (9a) ein Futur II oder ein „Ersatzfutur“ II ist ?

    Identische Frage mit (12) und (12a).

    Mit freundlichen Grüßen,
    Denebe.
    Geändert von denebe (01.12.2013 um 06:50 Uhr)

  4. #4

    Standard

    Lieber Nutzer,

    falls Sie tatsächlich "nur" Deutsch lernen und noch kein Grammatiker sind, dann sind Sie auf dem besten Wege, einer zu werden.

    Ihre Argumentation ist schlüssig und die Herleitung der Formen auch. Der Knackpunkt scheint tatsächlich zu sein, dass es bei einem so komplexen Verbalkomplex verschiedene "Anschlussstellen" für die Perfektbildung gibt. Und da außerdem die Unterscheidung zwischen epistemischem und deontischem Modalverbgebrauch greift, gibt es aus sprachsystematischer Sicht verschiedene Kombinationsmöglichkeiten (vgl. die Diskussion der Beispiele 9 und 10 in meiner ersten Antwort). Man könnte nun vermuten, dass sich durch diese Unterscheidung auch die beiden diskutierten Varianten für das Futur II begründen lassen:

    (1) Die Aufgabe hat bearbeitet werden können.
    (2) Die Aufgabe wird haben bearbeitet werden können.
    -> deontisch

    (3) Die Aufgbe kann bearbeitet worden sein.
    (4) Die Aufgabe wird bearbeitet worden sein können.
    -> epistemisch

    Die Formulierung erfolgt hier aber bewusst konjunktivisch: Nicht alle Möglichkeiten, die das Sprachsystem uns zur Verfügung stellt, werden im Sprachgebrauch auch verwendet.
    Eine kleine Umfrage unter Studenten zu den folgenden Beispielpaaren hat Folgendes ergeben:

    (5) Er wird die Aufgabe bearbeitet haben müssen.
    (6) Er wird die Aufgabe haben bearbeiten müssen.
    (7) Das Auto wird von ihm haben gekauft werden können.
    (8) Das Auto wird von ihm gekauft worden sein können.

    Die Studenten waren gebeten worden, sich ausschließlich auf der Basis ihres Sprachgefühls für jeweils eine der beiden Varianten zu entscheiden. Sie hatten auch die Möglichkeit, beide Varianten für gebräuchlich zu erklären. Die Ergebnisse sind:

    (5) 72
    (6) 1
    (5+6) 1
    (7) 0
    (8) 72
    (7+8) 1

    Das Ergebnis ist eindeutig: Präferiert wird die ursprünglich auch von mir als "richtig" deklarierte Variante. Daraus lässt sich schlussfolgern:
    1. Die Unterscheidung zwischen epistemischem und deontischem Gebrauch trägt wahrscheinlich nicht mehr auf dieser Komplexitätsebene.
    2. Die sprachsystematischen Möglichkeiten werden aufgrund der hohen Komplexität nicht voll ausgeschöpft.

    Beste Grüße
    Mathilde Hennig
    Geändert von Mathilde Hennig (03.12.2013 um 11:34 Uhr)

  5. 27.02.2017 11:41

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