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Thema: Was kann „ein Kind bekommen“ genau bedeuten?

  1. #1
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    1

    Standard Was kann „ein Kind bekommen“ genau bedeuten?

    In einem DaF-Lehrwerk ist folgender Hörtext:
    Werner sagt: „Wir wollten noch nicht so früh Kinder haben. Nach dem Studium haben wir beide gearbeitet und viele Reisen gemacht. Mit 38 hat Renate unsere Tochter bekommen, dann haben wir geheiratet.” (Dazu gibt es eine Richtig/Falsch-Frage „Renate und Werner haben nach der Geburt der Tochter geheiratet“.)

    Der Zeitpunkt, der im „unsere Tochter bekommen“ impliziert ist, scheint mir nicht ganz eindeutig zu sein. Meiner Ansicht nach ist damit nicht klar gesagt, dass beide schon vor (also noch in der Schwangerschaft von Renate) oder erst nach der Geburt ihrer Tochter geheiratet haben.

    Sehe ich das richtig so? Mein deutschsprachiger Kollege meint, „ein Kind bekommen“ bedeute eindeutig „ein Kind zur Welt bringen“. Schließt es dann also „ein Kind empfangen“ automatisch aus?

    Vielen Dank!

  2. #2

    Standard

    Ihre Frage besteht aus zwei Teilfragen:
    1. Die Frage nach der Bedeutung von ein Kind bekommen
    2. die Frage nach den zeitlichen Abläufen innerhalb des Beispiels.

    1. Da es sich bei einer Frage zur Bedeutung eines Wortes um keinen den Sprachgebrauch betreffenden grammatischen Zweifelsfall handelt, wird hier auf unser auf Zweifelsfälle ausgerichtetes Antwortschema mit den Icons verzichtet. Wir möchten Sie dennoch bitten, unseren kurzen Fragebogen zur Bewertung unserer Antwort auszufüllen.

    Ihr Kollege hat es völlig richtig erklärt: ein Kind bekommen ist als Redewendung konventionalisiert und bedeutet ein Kind zur Welt bringen. Zwar ist eine davon abweichende wörtliche Verwendung im Sinne von ein Kind erhalten/empfangen prinzipiell möglich, diese müsste aber durch den Kontext explizit ausgewiesen sein. Das ist in Ihrem Beispiel nicht der Fall.

    2. Auch hier verzichten wir auf die Markierung durch unsere Icons, da Sprachsystem und Sprachgebrauch in der folgenden Erläuterung stark ineinander übergehen.
    Auch bezüglich der zeitlichen Abläufe im Beispiel aus dem DaF-Lehrbuch kann man feststellen, dass die Autoren des Lehrbuchs das Beispiel angemessen formuliert haben: Neben konkreten Markierungen für zeitliche Abfolgen (das sind im vorliegenden Beispiel nach in nach dem Studium und dann im letzten Teilsatz) greift hier auch das sogenannte Prinzip des 'temporalen Ikonismus', das besagt, dass die Abfolge der sprachlichen Struktur die Abfolge des Dargestellten impliziert. M.a.W.: Im Rahmen einer zeitliche Abfolgen darstellenden Erzählstruktur wie im vorliegenden Beispiel ist die Abfolge der Schilderungen von Ereignissen sozusagen als "Abbild" (deshalb: Ikonismus) der zeitlichen Abfolge zu verstehen. Wir benötigen hier deshalb keine sprachstrukturellen Markierungen in allen Teilsätzen. Durch nach in nach dem Studium und dann im letzten Teilsatz ist die Erzählung ausreichend als eine Erzählung von aufeinanderfolgenden Ereignissen gekennzeichnet, der keine solche Markierung enthaltende Teilsatz mit 38 hat Renate unsere Tochter bekommen reiht sich da einfach ein. Renate und Werner haben also tatsächlich erst nach der Geburt der Tochter geheiratet.

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    Geändert von Jacqueline Weiß (22.09.2015 um 13:28 Uhr)

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