Ergebnis 1 bis 4 von 4

Thema: Ist "ICh gehe HINTER" Dialekt oder korrekte deutsche Sprache?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Ist "ICh gehe HINTER" Dialekt oder korrekte deutsche Sprache?

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    jedes Mal, wenn ich sage: "Ich gehe HINTER" oder "Bring doch bitte mal xy hinter" fragt mich mein Mann besserwissend "hinter Was?".

    Ich bin der festen Überzeugung, dass man durchaus sagen kann, dass man "hinter" geht, und zwar nicht in dem Sinne, dass man "Hinter etwas" geht, sondern quasi in dem Sinne von "nach dahinten".

    Mein MAnn meint, das wäre Dialekt (ich wohne in BAd Kreuznach, er wuchs in Viernheim auf). Ich bin der festen Überzeugung, dass das nicht so ist und dass alle Menschen (außer natürlich meinem MAnn) so sprechen- nicht nur hier bei mir zu HAuse.... :-)

    Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir einen Hinweis schicken könnten, wer von uns beiden nun Recht hat.

    Vielen Dank für Ihre Mühe,

    Silke Lindenthal

  2. #2

    Standard Adverbiale Verwendung von "hinter"

    Sprachsystem

    In den von Ihnen genannten Beispielsätzen Ich gehe hinter und Bring doch bitte mal xy hinter wird das Wort hinter adverbial verwendet, d. h. es umschreibt das Verb näher, indem es Genaueres über die Richtung der Bewegung aussagt. Insofern wäre es im konkreten Satz als Richtungsadverbial (adverbiale Bestimmung der Richtung) einzustufen, während man es losgelöst vom Kontext der Wortart Adverb zuordnen würde.

    Diese Art der Verwendung ist Ihrem Mann offenbar unbekannt – er kennt hinter nur als Präposition und im Gegensatz zum Adverb steht eine Präposition in einem Satz nie allein. Eine Präposition verlangt immer bestimmte „Mitspieler“ und dies tut dann auch Ihr Mann, wenn er Sie fragt: „Hinter was?“ Die Präposition und Ihr Mann fordern hier also ein Wort oder eine Wortgruppe im Akkusativ, damit ausgedrückt ist, wohin sie gehen oder wohin genau er etwas bringen soll (z. B. Ich gehe hinter das Haus oder Bring doch bitte mal xy hinter die Garage).
     


    Sprachgeschichte

    Neben hinter als Präposition wird auch die Verwendung von hinter als Adverb in J. C. Adelungs grammatisch-kritischem Wörterbuch der hochdeutschen Mundart (zuerst erschienen 1774-1786) erwähnt. Als Beispiel nennt er den Satz Treib das Vieh hinter, bezeichnet diesen jedoch als „elliptisch“ (unvollständig) und „nur im gemeinen Leben üblich“, d. h. nicht hochsprachlich.

    Auch die Brüder Grimm führen hinter als Adverb in ihrem Wörterbuch auf. Ihren Analysen zufolge steht hinter im Sinne von „nach hinten“ mit Verben der Bewegung (z. B. hinter kommen/bringen/gehen; er ist hinter ins thal geritten). Zwar ordnen die Grimms diese Art der Verwendung nicht explizit dem „nicht hochsprachlichen“ Bereich zu, stellen aber fest, dass die Verwendung von hinter als Adverb nicht so häufig ist wie die als Präposition.
     


    Sprachvariation

    Nachdem hinter als Adverb in früheren Zeiten als „nicht standardsprachlich“ oder zumindest als selten eingestuft wurde, ist es auch heute keineswegs so, dass alle Menschen hinter als Adverb verwenden. Insofern scheint diese Art der Verwendung tatsächlich regional begrenzt zu sein. Das bedeutet aber nicht, dass es falsch ist, Ich gehe hinter zu sagen, denn auch wenn dieser Sprachgebrauch nicht in allen Dialekten oder der deutschen Standardsprache vorkommt, so kann er doch in der Ihnen vertrauten regionalen Varietät vollkommen normal und richtig sein. "Dialekt" ist also nicht gleichzusetzen mit "falschem Deutsch" und "Standardsprache" mit "korrektem Deutsch" - dies sind einfach verschiedene Varietäten des Gesamtsystems "Deutsch" mit gegebenenfalls abweichenden Regeln und Normen.

    Die Verwendung von hinter als Präposition mit dem Akkusativ ist allerdings standardsprachlich anerkannt, so dass viele Menschen einen Satz wie Ich gehe hinter wahrscheinlich als unvollständig empfinden und sich fragen: „Wohinter denn?“ Wenn in einer bestimmten Situation klar ist, welcher Ort gemeint ist, würden sie vermutlich eher so etwas sagen wie Ich gehe nach (da)hinten oder Ich gehe dahinten hin.
     


    Umfrage zum Umgang mit dieser Antwort

    War diese Antwort hilfreich für Sie? Wie gehen Sie damit um?
    Helfen Sie unserem Forschungsteam von der Universität Gießen dabei herauszufinden, wie eine solche Grammatik benutzt wird, welche Erläuterungen interessant sind und wie Sie damit umgehen. Durch die Beantwortung unseres Fragebogens tragen Sie dazu bei, die Qualität unserer Antworten und die Qualität von Grammatiken zu verbessern!

    Umfrage öffnen

    Geändert von Melanie Löber (24.04.2011 um 09:47 Uhr)

  3. #3
    Unregistriert Gast

    Standard korrekt?! mit einem Lächeln

    Dass dialekt-gefärbte Sprechweise nicht zwangsläufig "falsch" ist, ist unstrittig.
    Dass die Verwendung mit Akkusativ bei korrektem Gebrauch formvollendet ist - ebenso.
    Entscheidend ist der Kontext:
    In einem Deutsch-Aufsatz an einem Gymnasium wäre diese Schreibweise (sofern nicht als direkte Rede) zumindest "schlechter Stil", da es sich eben nicht um eine eindeutig "hochsprachliche" Ausdrucksweise handelt.
    Es gibt hinreichend Möglichkeiten, diesen Sachverhalt auch "hochsprachlich" darzustellen (siehe oben).
    Im privaten Umfeld ist der adverbiale Gebrauch wie so viele Dialekt-Färbungen sympathisch, authentisch und unbedingt zu pflegen.
    Dem dialekt-unkundigen Gatten können sie fortan mit dem Wissen um J. C. Adelungs Deutung mit einem Lächeln und Verständnis begegnen.

  4. #4

    Standard Wohin?

    Ergänzung 1:

    Beide Versionen werden offenbar in Bad Kreuznach umgangssprachlich verwendet. In den drei Standarddeutsch (at, ch, de) muss es grammatisch richtig heissen:

    Ich gehe nach hinten. (Wohin?)
    Bring doch bitte einmal den Hund nach hinten! (Wohin?)


    Ergänzung 2:

    Mein Mann meint, das sei Dialekt. (Konjunktiv)

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein