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Thema: Erfordert "zum" in jedem Fall eine Substantivierung? z.B. Ich kam gar nicht zum lernen. Ich war zum arbeiten da und nicht zum schwatzen.

  1. #1
    Oskar Gast

    Standard Erfordert "zum" in jedem Fall eine Substantivierung? z.B. Ich kam gar nicht zum lernen. Ich war zum arbeiten da und nicht zum schwatzen.

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    beim Schreiben eines Textes

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    duden.de

    Muß man „zum“ in jedem Fall als „zu dem“ betrachten und ein Verb substantivieren?
    „Zum“ bedeutet ja nicht das gleiche, wie „zu dem“.

    Könnte man „zum“ in einigen Fällen auch als verkürzte Form von „um zu“ oder als Abwandlung von zu + Infinitiv betrachten und den Charakter des Verbes erhalten? (-m hätte dann eine Funktion wie ein Fugen-S in anderen Fällen)
    Kann die Schreibweise eine Frage der Betrachtungsweise sein, wie z.B. in: „Wir saßen am Feuer mit singen und saufen.“

    Gelten die gleichen Regeln für „beim“ - „bei dem“ und „am“ - „an dem“?

  2. #2

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Sie haben Recht, wenn Sie anführen, dass eine Verschmelzung (zum) nicht mit der Folge von Präposition und Artikelwort (zu + dem) gleichgesetzt werden kann. Die Verschmelzung hat unter anderem andere semantische Eigenschaften (Beispiel 1) oder ist in bestimmten Wendungen obligatorisch, die sonst ungrammatisch wären (Beispiel 2).

    Beispiel

    Beispiel 1:
    Ich gehe sonntags ins Schwimmbad.
    Die Stadtverwaltung möchte das alte Schwimmbad schließen. In das Schwimmbad gehen aber gerade die Studenten aufgrund der Preise gerne.

    Beispiel 2: (Leuschner / Mortelmans / Groodt: Grammatikalisierung im Deutschen)
    Das kommt vom Rauchen.
    Das kommt von dem Rauchen.*


    In den Fällen, die Sie schildern, handelt es sich um Verschmelzungen. Der Ursprung dieses Grammatikalisierungsvorgangs liegt weit über 1000 Jahre zurück. Dass es sich um Verschmelzungen und Substantivierungen handelt und nicht um Formen von Infinitiven, lässt sich auf der Basis einiger Tests begründen.

    Test 1:


    Präpositionen und somit auch Verschmelzungen regieren eine auf sie folgende Nominalgruppe in einem bestimmten Kasus. Dass es sich um eine Substantivierung handelt, kann hier dadurch getestet werden, dass die Wortgruppe einen Kasus hat. Dies kann man zum einen durch unterschiedliche Flexionsendungen der Verschmelzung zeigen (Beispiele 1), andererseits ist es auch durch Hinzunahme eines Adjektivs erkennbar.

    Beispiele 1:
    a. Ich gehe zum Lernen.
    b. Er ging dann langsam ins Lernen über.

    Wir haben hier die Substantivierung „das Lernen“ , was sich dadurch zeigt, dass sich das mit der Präposition verschmolzene Artikelwort je nach Kasus ändert. Ein Neutrum zeichnet sich durch die folgenden Kombinationen von Artikelwort und Kasus aus: Nominativ – das; Akkusativ – das; Dativ – dem; Genitiv – des.
    In Beispiel 1a regiert die Präposition zu den Dativ. Das -m der Verschmelzung zeigt diesen Kasus an: Ich gehe zu dem Lernen, einem Freund, seinem Bruder, ihm. Die Präposition in regiert in ihrer direktionalen Variante (Angabe einer Richtung) den Akkusativ: Ich ging dann langsam in das Laufen über. Das -s markiert hier eben diesen Kasus.

    Test 2
    Die Beispiele 2 zeigen ein weiteres Indiz dafür, dass es sich um eine Substantivierung handelt: Zwischen die Verschmelzung und die Substantivierung kann ein Adjektiv treten. Es besetzt hier die typische Position zwischen Artikel und Substantiv.

    Beispiel

    Beispiele 2:
    a. Ich gehe zum gemeinsamen/effizienten Lernen.
    b. Er ging dann langsam ins effiziente/gemeinsame Lernen über.


    Test 3:
    Neben Adjektiven kann das substantivierte Verb auch andere Attribute zu sich nehmen (Beispiel 3).

    Beispiel

    Beispiel 3:
    Ich komme heute zum Lernen in der Mensa.
    Ich komme heute zum Gruppentreffen in der Mensa.


    Test 4:
    Semantisch betrachtet lassen sich Infinitive zwar durch eine entsprechende Substantivierung ersetzen, ohne dass sich die Bedeutung des Satzes ändert und auch Teile der erweiterten Infinitivkonstruktion können in einer Nominalgruppe aufgenommen werden (Beispiel 4). Dies gelingt allerdings auch nur bei nicht erweiterten und manchen erweiterten Infinitiven (Beispiel 5).

    Beispiel

    Beispiel 4:
    Um zu lernen, ging ich in die Bibliothek.
    Zum Lernen ging ich in die Bibliothek.

    Beispiel 5:
    a. Um für das Examen zu lernen, ging ich in die Bibliothek.
    a. Zum Lernen für das Examen ging ich in die Bibliothek.
    b. Um meinen Bruder/ihn anzurufen, ging ich in eine Telefonzelle.
    c. Zum Anrufen (meines Bruders?/seiner*) ging ich in eine Telefonzelle.


    Hier zeigt sich, dass erweitere Infinitivkonstruktionen und erweiterte Nominalgruppen ein ähnliches Erweiterungspotential haben. Ihre Beispiele stellen sich jedoch als Substantivierungen und somit Nominalgruppen dar, die in einer Präpositionalgruppe mit Verschmelzung eingebettet sind.


     

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