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Thema: Wie lautet der Infinitiv von <erkoren>

  1. #1
    Holger Probst FB 06 Gast

    Standard Wie lautet der Infinitiv von <erkoren>

    ....wie im Weihnachtslied "von einer Jungfrau auserkoren", aber wie ist die Grundform? Ich tippe auf "erküren".

  2. #2

    Standard Infinitiv zu "erkoren"

    Sprachgeschichte

    Der Infinitiv, der zu dem Partizip erkoren gehört, lautete ursprünglich erkiesen. Das Verb hatte zunächst die Bedeutung „sehen“, was sich anhand älterer Textbelege noch zeigen lässt:

    Beispiel

    „er verparg sich, das ich sein nit erkoes“ (16. Jh., etwa: Er versteckte sich, damit ich ihn nicht sehen konnte)


    Die Brüder Grimm nennen dann aber als einzige im Neuhochdeutschen fortdauernde Bedeutung dieses Verbs „nach genauer Prüfung wählen/erwählen/auswählen“. Ihnen zufolge kam die Form erkiesen schon genauso im Mittelhochdeutschen vor und als starkes Verb besaß es natürlich einen Ablaut (Vokalwechsel des Verbstamms). Zusätzlich wies es noch einen unregelmäßigen Konsonantenwechsel auf, d. h. das –s– am Ende des Verbstamms änderte sich bei einigen Formen des Präteritums und beim Partizip II zu –r–. Trotz eines kurzen Ausflugs in die Klasse der schwachen Verben, der Formen wie erkieste (im Präteritum) und erkiest (Partizip II) zur Folge hatte, wurde es doch weiterhin meist als starkes Verb gebraucht (erkor und erkoren). Allerdings bildete sich mit der Zeit zu diesen Formen ein neuer Infinitiv hinzu. Sowohl erkiesen als auch das einfache kiesen wurden durch Infinitive verdrängt, die von dem Substantiv kur bzw. kür („Wahl“) abgeleitet wurden, also erküren und küren. Der neue Infinitiv erküren wird inzwischen von der Dudengrammatik als Hauptform gelistet, während erkiesen nur noch als Nebenform genannt wird.
     


    Sprachvariation

    Interessant ist im Zusammenhang mit dem selten gebrauchten Verb erküren/erkiesen allemal, dass sich über seine Flexionsformen eine so breite Diskussion in Internetforen usw. entzündet hat: Gibt man es bei Google ein, so spiegeln die meisten Funde zunächst nicht den tatsächlichen Sprachgebrauch wider, sondern es handelt sich dabei oft um Kommentare etwa zur Infinitivproblematik. Beispiele der realen Verwendung stammen häufig aus der Schweiz (so auch die beiden folgenden).

    Beispiel

    „Dass 115 Wähler einen aus ihrer Mitte zum Chef erkiesen, ist eine Besetzungspolitik, die einmalig ist und wohl auch bleiben wird.“

    „Wo es einen Sieger zu erküren gibt, greifen die Teilnehmer leider oft auch zu unfairen Mitteln.“ (Internetbelege)


    In Wörterbüchern und Nachschlagewerken zur Grammatik wird das Verb insgesamt, zumindest aber der Infinitiv erkiesen und dessen Präsensformen (ich erkiese usw.), als „gehoben“ oder „veraltet“ bezeichnet. So stellt auch der Duden 9 fest, dass „nur noch die Formen des Präteritums und des Partizips II gebräuchlich“ sind, also erkor und erkoren. Die neueste Entwicklung in diesem Bereich stellen schließlich schwache Präteritums- und Partizipialformen zu erküren dar, wie das folgende Beispiel (wiederum aus der Schweiz) zeigt.

    Beispiel

    „Verein der Zürcher Museen erkürt ‚Museum des Monats‘“ (Internetbeleg)
     


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