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Thema: (Singular oder Plural?) Der Sponsor haftet nicht für unmittelbare oder mittelbare Schäden oder für verschärften Schadenersatz, der aus der Verwendung entsteht.

  1. #1

    Standard (Singular oder Plural?) Der Sponsor haftet nicht für unmittelbare oder mittelbare Schäden oder für verschärften Schadenersatz, der aus der Verwendung entsteht.

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Arbeit

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden, Band 9

    Der Sponsor haftet nicht für unmittelbare oder mittelbare Schäden oder für verschärften Schadenersatz, der aus der Verwendung des Produkts ENTSTEHT.
    oder
    Der Sponsor haftet nicht für unmittelbare oder mittelbare Schäden oder für verschärften Schadenersatz, die aus der Verwendung des Produkts ENTSTEHEN.

    -------
    Laut Duden (Band 9), S. 531, müsste hier Singular stehen.
    Beispiel im Duden:
    "Das Buch oder die Schrift, die mein Interesse erregte, habe ich leider nicht erhalten."

    Bei 2 singularischen Bezugswörtern, die mit "oder" verknüpft sind, richtet sich das Pronomen nach dem zunächst stehenden Substantiv. Es steht im Singualar und hat das entsprechende Genus.

    Vielen Dank für Ihre Hilfe.



    Zusatz (Beispiel aus Duden):
    Wenn einer der Subjetteile im Plural steht, hat das Finitum den Numerus des ihm zunächst stehenden Subjektteils:
    Der Vater oder alle müssen...
    Alle oder der Vater muss...

    Müsste demnach in meinem Beispiel doch der Singular stehen? Klingt etwas seltsam.
    Geändert von Gudrun Wolfrath (28.07.2014 um 10:43 Uhr)

  2. #2
    Registriert seit
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    Gießen
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    271

    Standard Kongruenz bei mehreren Bezugswörtern mit unterschiedlichem Numerus

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem

    Bei ihrem Zweifelsfall handelt es sich um einen relativ komplexen Fall, da das Problem hier auf mehrere Weisen entsteht. Zum einen betrifft ihr Zweifelsfall die Kongruenz zwischen dem finiten Verb und dem mehrteiligen Subjekt. Zur Erklärung dieses Zweifelsfalls gibt es bereits vergleichbare Antworten:

    http://www.grammatikfragen.de/showth...ixid=kongruenz

    Zum anderen betrifft ihr Zweifelsfall jedoch auch die Kongruenz zwischen dem Relativpronomen und dem dazugehörigen Bezugsnomen, was die Erklärung komplexer macht.

    Zunächst soll auf die Kongruenz zwischen dem finiten Verb und dem mehrteiligen Subjekt eingegangen werden. Dabei bedeutet Kongruenz hier, dass das finite Verb im Numerus mit dem Subjekt des Satzes übereinstimmen muss. Sprich, wenn das Subjekt im Singular steht, dann muss auch das finite Verb im Singular stehen. Steht das finite Verb hingegen im Plural, muss auch das Subjekt im Plural stehen.

    Beispiel

    Das Kind spielt.
    Die Kinder spielen.


    Diese Abstimmung von Subjekt und finitem Verb bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten. Bei ihrem Beispiel ist es jedoch etwas komplexer. Wir haben hier zwar „nur“ ein Relativpronomen vorliegen, welches das Subjekt bildet, dieses steht jedoch für ein komplexeres Subjekt, was sich aus den unmittelbaren Schäden, den mittelbaren Schäden sowie dem verschärften Schadenersatz zusammensetzt. Zur Veranschaulichung wird der Beispielsatz als Hauptsatz ausformuliert, in dem das mehrteilige Subjekt deutlich wird:

    Beispiel

    Aus der Verwendung des Produkts entsteht/entstehen unmittelbare Schäden oder mittelbare Schäden oder ein verschärfter Schadenersatz.


    Durch unterschiedliche Lesarten lassen sich beide Varianten sprachsystematisch begründen und haben somit auch ihre Berechtigung.

    Eine erste Lesart ist die, dass bei diesem Beispiel ein zusammengezogener Satz vorliegt, der aus mehreren Subjekten besteht, aber nur ein finites Verb aufweist. Das bedeutet, dass der Satz eigentlich aus mehreren Teilsätzen besteht, bei denen einzelne Satzbestandteile weggelassen worden sind. Rekonstruiert man diesen Satz, lautet er:

    Beispiel

    Aus der Verwendung des Produkts entstehen unmittelbare [Schäden] oder [aus der Verwendung des Produkts entstehen] mittelbare Schäden oder [aus der Verwendung des Produkts entsteht] ein verschärfter Schadenersatz.


    Um die Komplexität dieser Konstruktion zu reduzieren, ist es möglich, dass finite Verb einzusparen. Dazu ein vereinfachtes Beispiel:

    Beispiel

    Die Kinder [gehen schwimmen] und die Jugendlichen gehen schwimmen.


    Hier stellt es kein Problem dar, das erste finite Verb einzusparen, da es mit dem zweiten finiten Verb grammatisch gleich ist. Bei Ihrem Beispiel hingegen entsteht die Schwierigkeit, dadurch dass ein Teil der eingesparten finiten Verben im Plural steht, ein anderer Teil hingegen im Singular.

    Möchte man Ihr Beispiel als zusammengezogenen Satz analysieren, bietet die Dudengrammatik zur Lösung dieses Zweifelsfalls die Regel an, dass sich das finite Verb nach dem näherstehenden Subjekt richtet. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1614-1616) Dadurch wäre die folgende Variante die richtige Wahl:

    Beispiel

    Aus der Verwendung des Produkts entstehen unmittelbare [Schäden] oder mittelbare Schäden oder ein verschärfter Schadenersatz.

    Es wäre demnach der Plural korrekt, da das näherstehende Subjekt die unmittelbaren Schäden sind, welche im Plural stehen. Bei ihrem Ausgangsbeispiel hingegen, wäre dann der Singular zu wählen, da das näherstehende Subjekt der verschärfte Schadenersatz wäre.

    Dies ist jedoch nicht die einzige Lösung, die vom Duden vorgeschlagen wird. Denn auch die Wahl des Plurals ist sprachsystematisch begründbar. Eine zweite Lesart ist nämlich die, dass mehrere Subjektteile miteinander aufaddiert werden können und so gemeinsam den Plural bilden. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1602)

    Mit dieser Erklärung ist Ihr Zweifelsfall jedoch noch nicht gelöst, denn er betrifft darüber hinaus auch die Kongruenz zwischen dem Relativpronomen und den Bezugsnomen. Dabei gibt es die Grundregel, dass ein Relativpronomen immer im Numerus (Singular/Plural) mit dem Bezugswort übereinstimmen muss. In Ihrem Beispiel liegt ein Relativsatz vor, der sich sowohl auf die unmittelbaren Schäden als auch auf die mittelbaren Schäden sowie den verschärften Schadenersatz bezieht. Dieser wird mit einem Relativpronomen eingeleitet. Dieses Relativpronomen muss nun mit den eben angeführten Bezugswörtern im Numerus übereinstimmen. Ein einführender Satz als Beispiel:

    Beispiel

    Das Kind (= Nominativ, Singular, Neutrum), dessen (= Genitiv, Singular, Neutrum) Mutter meine Freundin ist, strahlt vor Freude.


    Das Problem bei Ihrem Zweifelsfall entsteht dadurch, dass sich das Relativpronomen auf mehrere Substantive bezieht, die mit der disjunktiven Konjunktion oder miteinander verbunden sind. Dadurch ist es unklar, in welchem Numerus die Bezugsphrase steht, da ein Teil der Substantive im Plural steht, ein anderer Teil hingegen im Singular:

    Beispiel

    Der Sponsor haftet nicht für unmittelbare [Schäden] (= Akkusativ, Plural, Maskulinum) oder mittelbare Schäden (= Akkusativ, Plural, Maskulinum) oder für verschärften Schadenersatz (= Akkusativ, Singular, Maskulinum), der/die aus der Verwendung des Produkts entsteht/entstehen.


    Durch diese Unsicherheit in Bezug auf den Numerus der Bezugsphrase entsteht die Frage, wie das Relativpronomen anzupassen ist.

    Die Dudengrammatik bietet zur Lösung dieses Problems die von Ihnen angesprochene Regel an. Diese lautet, dass sich das Pronomen nach dem zunächst stehenden Bezugswort richtet, wenn die einzelnen Bezugsworte mit einem oder verbunden sind. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1594) Das am nächsten stehende Bezugswort ist Schadenersatz. Dieses steht im Singular, weswegen auch das Pronomen im Singular stehen muss. Wendet man diese Regel auf Ihr Beispiel an, dann lautet die richtige Variante:

    Beispiel

    Der Sponsor haftet nicht für unmittelbare oder mittelbare Schäden oder für verschärften Schadenersatz, der aus der Verwendung des Produkts entsteht.


     


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    Geändert von Jacqueline Weiß (04.08.2014 um 17:31 Uhr)

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