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Thema: "geschulte" Wahrnehmungsfähigkeit

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard "geschulte" Wahrnehmungsfähigkeit

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Mache gerade einen redaktionellen Text

    Guten Tag, mein Kunde ist mit meiner Textformulierung " Mit ihrer geschulten Wahrnehmungsfähigkeit, ist Frau xyz in der Lage....."
    unglücklich und behauptet, "geschulte Wahrnehmungsfähigkeit" wäre wie der weisse Schimmel. Also doppelt gemoppelt.
    Ich sage, jede Fähigkeit kann geschult werden und das darf man dann auch als etwas Besonderes hervorheben.
    Was wäre richtig?

  2. #2
    Registriert seit
    04.07.2014
    Ort
    Gießen
    Beiträge
    85

    Standard Tautologie und Wortsemantik

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    Bei Ihrer Frage, ob das Wort geschulte hinsichtlich seiner Bedeutung sozusagen in Wahrnehmungsfähigkeit bereits enthalten ist, handelt es sich nicht um eine grammatische Frage. Besser würde diese Thematik in den Bereich der Semantik oder auch Lexikologie passen. Aus grammatischer Perspektive stellt es zumindest kein Problem dar, das deverbale Adjektiv geschulte attributiv zum Substantiv Wahrnehmungsfähigkeit zu benutzen.

    Bei Ihrem anderen Beispiel weißer Schimmel, welches Ihrer beabsichtigten Formulierung ähnle, handelt es sich um einen Tautologie, was bedeutet, dass wesentliche Bedeutungsaspekte des einen Ausdrucks im anderen wieder aufgegriffen werden oder dass beide Ausdrücke sogar synonym, gleichbedeutend, sind. Bei weißer Schimmel ist es nun so, dass Schimmel nicht des Attributs weiß bedarf, da sich der Ausdruck Schimmel seiner Definition nach auf ein weißes Pferd bezieht, sofern nicht der Schimmelpilz gemeint ist. Entsprechend kann auf das Adjektiv weiß hier ohne Informationsverlust verzichtet werden. Verhielte es sich also bei geschulte Wahrnehmungsfähigkeit gleichermaßen, hieße das, dass die Wahrnehmungsfähigkeit gemäß ihrer Definition immer geschult sein müsse. Um dies zu klären, kann ein Blick in das Deutsche Universalwörterbuch (DUW) helfen.

    Da es sich bei Wahrnehmungsfähigkeit um ein Determinativkompositum handelt, also ein zusammengesetztes Wort, bei dem das Erstglied das Zweitglied genauer identifiziert, genügt es, sich die Bedeutung von Fähigkeit anzuschauen, da es sich bei der Wahrnehmungsfähigkeit um eine bestimmte Fähigkeit handelt und nicht um eine Art der Wahrnehmung. Im DUW ist beim Eintrag Fähigkeit die Rede von einer „geistige[n], praktische[n] Anlage, die zu etw. befähigt“ und vom „Imstandesein, […] Vermögen etw. zu tun“ (DUW 567, „Fähigkeit“). Folglich geht hieraus nicht hervor, dass eine Fähigkeit zwangsläufig immer geschult sein muss. Ganz im Gegenteil wird sogar auf die Anlage, etwas tun zu können, verwiesen. Demnach ist geschulte Wahrnehmungsfähigkeit keine Tautologie. Ob man die Formulierung aus stilistischen Gründen jedoch für unangemessen hält, ist eine andere Angelegenheit, die hier nicht geklärt werden kann.
     

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