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Thema: Muss es im Schriftverkehr "Büro des Landrats" oder "Büro des Landrates" heißen?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Muss es im Schriftverkehr "Büro des Landrats" oder "Büro des Landrates" heißen?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Durch eine Diskussion mit Kollegen.

  2. #2
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    Gießen
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    Standard Lange und kurze Genitivendung bei Substantiven

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Ihre Frage bezieht sich auf die korrekte Formbildung des Genitivs Singular des Wortes Landrat. Sie möchten wissen, welche der folgenden Varianten korrekt ist.

    Beispiel


    (1) des Landrats
    (2) des Landrates


    Es ist also zu klären, ob der Ausdruck Landrat der kurzen oder langen Genitivendung bedarf. Laut Duden 4 handelt es sich bei der kurzen Endung, also ohne -e-, um den Normalfall im Deutschen (vgl. 195, Randnummer 301). Gründe, die doch die lange Endung erfordern, sind entweder die Lautform oder die Stellung des Wortes im Wortschatz. Das heißt, dass in erster Linie Wörter des Grundwortschatzes den Genitiv mit der Endung -es bilden. Die Faktoren der Lautform (I) und der Stellung im Wortschatz (II) „können sich gegenseitig verstärken, aber auch in Konkurrenz zueinander stehen“ (Duden 4: 196, Randnummer 301).

    In Bezug auf die Lautform ist es so, dass überwiegend Substantive des Grundwortschatzes die im Nominativ auf einen s-Laut enden, die lange Form bevorzugen.

    Beispiel


    (3) der Lachs – des Laches
    (4) der Blitz – des Blitzes


    Bei Fremdwörtern, Wörtern, die nicht zum Grundwortschatz gehören, ist dies nicht der Fall, wenn sie auf eine unbetonte Silbe enden. Jene bleiben meist endungslos. Wird die letzte Silbe aber betont, überwiegt wieder die lange Form.

    Beispiel


    (5) das Tempus – des Tempus (= unbetont)
    (6) der Prozess – des Prozesses (= betont)


    Auch bei Wörtern, deren Endung entweder -sch, -tsch oder -st ist, kommt die lange Form häufiger vor.

    Beispiel


    (7) der Putsch – des Putsches
    (8) das Nest – des Nestes


    Generell handelt es sich hierbei aber eher um Tendenzen als um feste Regeln, da häufig auch die jeweils andere Form möglich ist.

    Bei dem Wort Landrat ist es so, dass beide Formen mehr oder weniger gleichermaßen auftreten können. Eine weitere Regel besagt nämlich, dass „Substantive, deren Stamm auf einen betonten Vokal plus einen oder mehrere Konsonanten endet“ (Duden 4: 197, Randnummer 304), den Genitiv sowohl mit -s als auch mit -es bilden.

    Beispiel


    (9) der Saft – des Safts / des Saftes
    (10) der Belag – des Belags / des Belages


    Da Landrat ein Kompositum aus Land und Rat ist, muss entsprechend auf das zweite Segment der Wortverbindung geachtet werden. Nun ist es so, dass Rat einen betonten Stammvokal hat, sodass beide Varianten (1 und 2) möglich sind.

    Ein weiterer Ansatz zur Erklärung der Varianz der Genitivbildung bei Substantiven, die die lange Form aus phonologischen (= lautlichen) Gründen nicht erfordern, wäre das gesteigerte Bestreben, nach schriftsprachlicher Korrektheit. Obwohl beide Varianten dem jeweiligen Substantiv entsprechend gleichermaßen zur Genitivbildung verwandt werden können, ist es zumindest denkbar, dass die lange Form, da sie deutlicher markiert ist, als besser empfunden wird. Hierbei handelt es sich allerdings nur um eine Vermutung, die sich momentan nicht weiter belegen lässt.
     


    Sprachgebrauch


    Wie im Abschnitt Sprachsystem bereits festgestellt wurde, macht es aus morpho-syntaktischer (= auf die Wortformenbildung bezogen) Sicht bei dem Wort Landrat keinen Unterschied, ob man den Genitiv Singular mit -s oder -es bildet. Nichtsdestotrotz, kann eine kurze Recherche mit google.de helfen, zu sehen, welche der Formen nun tendenziell überwiegt. Für die Suchanfrage der langen Form des Landrates ergeben sich 286 000 Treffer (ca. 47%), während die kurze Form des Landrats auf 322 000 Treffer kommt (ca. 53%). Es zeigt sich also, dass es auch im Sprachgebrauch keine eindeutige Tendenz zur langen oder kurzen Form gibt. Dass die lange Form etwas häufiger vorkommt, könnte daran liegen, dass das zusammengesetzte Wort hinsichtlich der Länge anderen zweisilbigen Wörtern ähnelt, die nicht zusammengesetzt sind. Bei jenen tritt die kurze Form nämlich öfter auf (vgl. Duden 4: 197, Randnummer 304).
     

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