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Thema: Ist es möglich, das Wort "Gewicht" in Wortbestandteile zu zerlegen?

  1. #1
    rowo Gast

    Standard Ist es möglich, das Wort "Gewicht" in Wortbestandteile zu zerlegen?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Enkelin (5.Klasse)sollte das Wort nach Art der Wortbildung bestimmen und in Wortbestandteile zerlegenen

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Duden, Internet -canoonet

  2. #2
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    Gießen
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    Standard Morphemanalyse von Gewicht

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    In Ihrer Frage geht es um die Wortbestandteile des Wortes Gewicht. Die von Ihnen angesprochenen Wortbestandteile werden in der Fachsprache als Morpheme bezeichnet. Morpheme werden als die kleinsten bedeutungstragenden Einheiten in einer Sprache definiert. Um Ihr Wort also in Morpheme zerlegen zu können, müssen wir beachten, dass jeder Bestandteil eine eigene Bedeutung hat, wobei die Bedeutung jedes einzelnen Morphems zur Gesamtbedeutung des Worts beiträgt.

    Will man das Wort Gewicht in einzelne Morpheme zerlegen, liegt die folgende Teilung intuitiv am nächsten:

    Beispiel

    Ge – Wicht


    Aus unserem heutigen Sprachgebrauch ist diese Zerlegung jedoch nicht sinnvoll zu erklären. Dies liegt vor allem daran, dass der Wicht von seiner Bedeutung her nichts mit dem Themengebiet messen/wiegen zu tun zu hat, sondern mit ihm eine Märchenfigur oder ein kleines Kind bezeichnet wird. Zerteilt man jedoch Wörter in ihre Bestandteile, so sollten die einzelnen Wortbestandteile zur Gesamtbedeutung beitragen, was hier nicht gewährleistet wäre.
     


    Sprachgeschichte


    Dennoch heißt das nicht, dass diese Zerteilung falsch wäre, dann sie lässt sich historisch begründen. Laut dem Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Friedrich Kluge geht das Wort Gewicht auf das germanische Verb *wegti- zurück. Dieses bedeutet so viel wie wägen/wiegen. Abgeleitet von diesem Verb wurde das germanische Substantiv *wehti-. Nach dem Etymologischen Wörterbuch des Deutschen von Wolfgang Pfeifer wird angenommen, dass sich daraus das Wort wicht entwickelte. Dabei handelt es sich jedoch um eine Rekonstruktion, da es keine Belege gibt. Lediglich im Dialektgebiet des Niederdeutschen lässt sich dieses Wort belegen. Im Althochdeutschen entwickelte sich daraus das Wort giwihti. Bei dieser Veränderung lässt sich erkennen, dass das Wort um ein Präfix erweitert worden ist nämlich gi-. Dieses gi- wird im Mittelhochdeutschen zu ge- aufgrund der Nebensilbenabschwächung. Daher lautete das Wort im Mittelhochdeutschen gewiht(e). Nun stellt sich die Frage, wieso im Althochdeutschen das Wort um ein Präfix erweitert worden ist. Sowohl bei Kluge als auf bei Pfeifer findet sich der Verweis, dass das ge- der Kollektivbildung dient. Der Begriff der Kollektivbildung meint, dass eine Sammelbezeichnung für verschiedene Gegenstände gebildet wird. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 268) Hier nun ein Beispiel dafür, was damit gemeint ist:

    Beispiel

    In der Mitte Deutschlands liegen zwei Gebirge vulkanischen Ursprungs.


    Das Wort Gebirge ist ein solches Kollektivum. Es zeichnet sich dadurch aus, dass unter ihm eine Vielzahl von Dingen mit gleicher Eigenschaft summiert wird, in diesem Fall Berge. Es handelt sich also um eine Kollektivbildung zu Berg, welche durch das Präfix ge- markiert wird. Kluge und Pfeifer scheinen anzunehmen, dass auch Gewicht so gebildet worden ist. Es handelt sich um eine Kollektivbildung zu dem Wort wicht, erkennbar an dem Präfix.
     


    Fazit: Vor diesem Hintergrund lässt sich festhalten, dass aus dem aktuellen Sprachgebrauch die Zerlegung in Morpheme nicht möglich ist, da wir das Wort Wicht heute anders verwenden als es früher genutzt wurde. Aus sprachgeschichtlicher Perspektive jedoch scheint die Zerlegung in Morpheme naheliegend, da das ge- als Präfix erst zu dem Lexem wicht hinzugekommen ist, wobei wicht hier jedoch eine andere Bedeutung hat als heute.

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