Ergebnis 1 bis 2 von 2

Thema: Verb im Plural oder Singular

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Verb im Plural oder Singular

    Ich habe hier einige Sätze, bei denen ich nicht sicher bin, ob das Verb im Plural oder Singular richtig ist.

    Da sich der Chef, insbesondere jedoch seine Nachfolger(,) eindeutig strategisch positionierte/n.
    So wurde/n die Tochtergesellschaft ausgegliedert und andere Teile unter fremde Kontrolle gestellt.
    So wurde/n die x-Seite als Verlierer und die Y-Seite als Gewinner wahrgenommen.

  2. #2
    Registriert seit
    03.07.2014
    Ort
    Gießen
    Beiträge
    271

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.


    Sprachsystem


    Ihre Frage betrifft die Kongruenz zwischen dem finiten Verb eines Satzes und dem Subjekt. Dabei wird hier unter Kongruenz verstanden, dass das finite Verb im Numerus mit dem Subjekt übereinstimmen muss. Dieses Abstimmen von Verb auf Subjekt macht uns in der Regel keine Schwierigkeiten. Probleme treten jedoch besonders dann auf, wenn nicht klar ist, in welchem Numerus das Subjekt steht - wie es in ihren Beispielsätzen der Fall ist.

    Siehe zu dieser Fragestellung auch: http://www.grammatikfragen.de/showth...ixid=kongruenz


    Wenden wir uns zunächst diesem Beispiel zu:

    Beispiel

    (1) So wurde(n) die x-Seite als Verlierer und die Y-Seite als Gewinner wahrgenommen.


    Hier entsteht die Unklarheit darüber, in welchem Numerus das Subjekt steht dadurch, dass wir hier gleich zwei Subjekte vorliegen haben:

    Beispiel

    (1a) So wurde(n) die x-Seite (= Subjekt 1) als Verlierer und die Y-Seite (= Subjekt 2) als Gewinner wahrgenommen.


    Beide Subjekte stehen an sich im Singular, man könnte jedoch annehmen, dass beide Subjekte im Singular zusammen aufaddiert werden und sich daraus der Plural ergibt, getreu dem Motto 1+1=2. Legt man diese Regel zu Grunde, dann muss das finite Verb im Plural stehen. (Vgl. dazu Kongruenzregel II der Dudengrammatik für Subjekte mit gereihten Subjektteilen ) Nach dieser Regel wäre die richtige Variante:

    Beispiel

    (1b) So wurden die x-Seite als Verlierer und die Y-Seite als Gewinner wahrgenommen.


    Man könnte den Satz jedoch auch anders interpretieren. Dabei könnte man davon ausgehen, dass es sich hierbei eigentlich um zwei Sätze handelt, die mit dem Konjunktor und verbunden worden sind. Dabei wurden sie zu einem Satz zusammengezogen. Ursprünglich lautete der Satz dann:

    Beispiel

    (1c) So wurde die x-Seite als Verlierer [wahrgenommen] und die Y-Seite [wurde] als Gewinner wahrgenommen.


    Dabei ist es möglich, in einem solchen Satz gleichartige Bestandteile einzusparen, um so die Komplexität des Satzes etwas zu verringern. Spart man diese gleichartigen Bestandteile ein, kommt man zur folgenden Variante:

    Beispiel

    (1d) So wurde die x-Seite als Verlierer und die Y-Seite als Gewinner wahrgenommen.


    Nehmen wir an, dass es sich hierbei um einen zusammengezogen Satz handelt, dann greift die Kongruenzregel III der Dudengrammatik für Subjekte in zusammengezogenen Sätzen. Nach dieser muss sich das finite Verb an das näherstehende Subjekt anpassen , also in unserem Beispiel an das Subjekt die x-Seite .

    Vor diesem Hintergrund lassen sich bei diesem Beispiel beide Varianten sprachsystematisch erklären. Es gibt in dieser Frage kein Richtig und kein Falsch.


    Nun ist es uns auch möglich die anderen beiden Beispiele nach diesen Regeln zu beurteilen. Betrachten wir dazu zunächst das folgende Beispiel:

    Beispiel

    (2) So wurde(n) die Tochtergesellschaft ausgegliedert und andere Teile unter fremde Kontrolle gestellt.


    Anders als bei dem vorherigen Beispiel ist es hier nicht möglich einfach die zwei Subjekte miteinander aufzuaddieren, da sie sich auf unterschiedliche Verben beziehen:

    Beispiel

    (2a) So wurde(n) die Tochtergesellschaft (= Subjekt 1) ausgegliedert (= Vollverb 1) und andere Teile (= Subjekt 2) unter fremde Kontrolle gestellt (= Vollverb 2).


    Es liegt also kein komplexes Subjekt vor, das in Kongruenz mit einem finiten Verb stehen muss.

    Geht man davon aus, dass es sich hierbei um einen zusammengezogenen Satz handelt, tritt ein weiteres Problem auf. Rekonstruiert man den Satz, dann lautete dieser:

    Beispiel

    (2b) So wurde die Tochtergesellschaft ausgegliedert und andere Teile [wurden] unter fremde Kontrolle gestellt.


    Unsere vorherige Regel ging davon aus, dass bei einem zusammengezogenen Satz gleichartige Bestandteile eingespart werden können. Hier jedoch unterscheidet sich das finite Verb in beiden Sätzen im Numerus und es stellt sich die Frage, ob es trotzdem eingespart werden kann. In der Dudengrammatik heißt es, dass die Beurteilung dieser Einsparung unterschiedlich ausfällt und es wird kein abschließendes Urteil gefällt. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1413) Demnach wird die Einsparung von einzelnen Sprachbenutzern als nicht richtig erachtet, dennoch ist sie nicht ausgeschlossen. Nimmt man hier an, dass ein finites Verb eingespart werden kann, dann greift die Kongruenzregel III, bei der sich das finite Verb nach dem am nächsten stehenden Subjekt richtet:

    Beispiel

    (2c) So wurde die Tochtergesellschaft ausgegliedert und andere Teile unter fremde Kontrolle gestellt.


    Dennoch ist die Wahl des Plurals nicht abwegig und lässt sich vor allem semantisch begründen. Setzt man das finite Verb in den Plural, dann zeigt man damit an, dass hier zwei Propositionen miteinander verbunden werden. Propositionen sind Beschreibungen von Sachverhalten, also quasi der Inhalt von Aussagen. Der Sachverhalt, dass die Tochtergesellschaft ausgegliedert wurde und der, dass andere Teile unter fremde Kontrolle gestellt worden sind, sind also nicht unabhängig voneinander, sondern sollen zusammen gedacht werden. Um diese Zusammengehörigkeit auszudrücken, könnte der Plural gewählt werden:

    Beispiel

    (2d) So wurden die Tochtergesellschaft ausgegliedert und andere Teile unter fremde Kontrolle gestellt.


    Sowohl 2c als auch 2d sind also sprachsystematisch begründbar. Dennoch scheint es hier – anders als in Beispiel 1 – Schwierigkeiten mit beiden Varianten zu geben, denn eine Interpretation als Satz mit komplexen Subjekt ist nicht möglich, eine Interpretation als zusammengezogener Satz bringt jedoch das Problem mit sich, dass ungleichartige Satzbestandteile eingespart wurden.



    Die gleiche Problematik trifft auf das dritte Beispiel zu:

    Beispiel

    (3) Da sich der Chef, insbesondere jedoch seine Nachfolger, eindeutig strategisch positionierte(n), […].


    Nimmt man hier einen Satz mit komplexem Subjekt an, wäre die folgende Variante zu wählen:

    Beispiel

    (3a) Da sich der Chef, insbesondere jedoch seine Nachfolger, eindeutig strategisch positionierten, […].


    Diese Variante erscheint jedoch deswegen schwierig, weil hier mit dem Einschub insbesondere jedoch seine Nachfolger keine einfache und-Koordination vorliegt, wie es in den vorherigen Beispielen der Fall war. Würde der Satz wie folgt lauten, könnte er wie die anderen Beispiele analysiert werden:

    Beispiel

    (3b) Der Chef und seine Nachfolger positionierte(n) sich strategisch eindeutig


    In Ihrem Beispiel jedoch findet eher eine Präzisierung des Gesagten statt. Es werden also nicht nur zwei Subjekte aneinander gereiht, sondern es wird ausdifferenziert, wer sich strategisch positionierte. Vor diesem Hintergrund scheint eine Lesart, die davon ausgeht, dass Subjekte aufaddiert werden können, in diesem Fall nichtsinnvoll. Vielmehr handelt es sich bei insbesondere jedoch seine Nachfolger um eine Apposition. Eine Apposition ist eine Beifügung, mit der ein Bezugsnomen näher bestimmt werden soll. Liegt ein Bezugswort mit einer Apposition vor, dann richtet sich das finite Verb in der Regel nach dem Bezugswort. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1626) Wendet man diese Regel auf Ihr Beispiel an, dann würde der Satz lauten:

    Beispiel

    (3c) Da sich der Chef, insbesondere jedoch seine Nachfolger, eindeutig strategisch positionierte, […].


    Die Dudengrammatik schränkt diese Regel jedoch ein, indem sie darauf verweist, dass es auch Fälle gibt, in denen es sich durchgesetzt hat, dass sich das finite Verb nach der Apposition richtet. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1626) Ein Beispiel, das dort aufgeführt wird und ähnlich gelagert ist wie das Ihre, ist:

    Beispiel

    Sehr viele Menschen, vor allem die intellektuelle Elite, hat sich in den dunklen Jahren dem Regime verweigert.


    Hier richtet sich das finite Verb nach der Apposition. Da unser Beispiel ähnlich strukturiert ist, liegt es nahe, dass sich das finite Verb auch hier nach der Apposition richtet. Dann müsste Ihr Beispiel wie folgt heißen:

    Beispiel

    (3d) Da sich der Chef, insbesondere jedoch seine Nachfolger, eindeutig strategisch positionierten, […].


    Neben diesem grammatischen Grund für die Wahl des Plurals, lässt sich diese auch semantisch begründen. Bei einer Präzisierung verliert das, was vor der Präzisierung stand, seine Gültigkeit. Relevant für den weiteren Inhalt des Satzes ist vor allem das, was durch die Präzision artikuliert wird. Wenn dies der Fall ist, dann erscheint es durchaus plausibel, dass das nachfolgende Verb sich im Numerus nach dem richtet, was seine Gültigkeit nicht verloren hat.

    Auch hier haben wir prinzipiell auch die Möglichkeit, von einem zusammengezogenen Satz auszugehen. Analysiert man den Satz als zusammengezogenen Satz, wäre dies der vollständige Satz:

    Beispiel

    (3e) Da sich der Chef [eindeutig strategisch positionierte], [sich] insbesondere jedoch seine Nachfolger, eindeutig strategisch positionierten, […].


    Auch hier entsteht wie bei 2b das Problem, dass sich die eingesparten Bestandteile des Satzes im Numerus unterscheiden und es strittig ist, solche Einsparungen vorzunehmen. Angenommen man erachtet dies als gerechtfertigt, dann muss sich das realisierte finite Verb nach dem am nächsten stehenden Subjekt richten. In Ihrem Beispiel steht das finite Verb am nächsten an dem Subjekt seine Nachfolger. Da dieses im Plural steht, ist auch für das finite Verb der Plural zu wählen:

    Beispiel

    (3f) Da sich der Chef, insbesondere jedoch seine Nachfolger (= Nominativ Plural Maskulinum), eindeutig strategisch positionierten, […].


    Demnach scheinen bei Beispiel 3 auch beide Interpretationen möglich zu sein, wobei die einzelnen Interpretationen auch hier Schwierigkeiten aufweisen. Letztendlich legt die semantische Perspektive neben der grammatischen die Wahl des Plurals nahe.


    Fazit: Bei Beispiel 1 lassen sich beide Varianten aus sprachsystematischer Sicht begründen und somit kann das Verb sowohl im Singular und Plural gewählt werden. Auch in Beispiel 2 ist dies möglich, wobei jede Interpretation verschiedene Probleme mit sich bringt. In Beispiel 3 lassen sich ebenfalls sowohl für den Singular als auch den Plural Gründe anführen. Dennoch erscheint hier allein schon aus semantischer Perspektive die Wahl des Plurals als sinnvoller.

     


    Umfrage zum Umgang mit dieser Antwort

    War diese Antwort hilfreich für Sie? Wie gehen Sie damit um?
    Helfen Sie unserem Forschungsteam von der Universität Gießen dabei herauszufinden, wie eine solche Grammatik benutzt wird, welche Erläuterungen interessant sind und wie Sie damit umgehen. Durch die Beantwortung unseres Fragebogens tragen Sie dazu bei, die Qualität unserer Antworten und die Qualität von Grammatiken zu verbessern!

    Umfrage öffnen


Ähnliche Themen

  1. Antworten: 1
    Letzter Beitrag: 31.07.2014, 10:59
  2. Monoflexion - Wie ist das mit Dativ Plural?
    Von Michael im Forum Fragen zur Grammatik
    Antworten: 1
    Letzter Beitrag: 10.04.2014, 15:09
  3. Antworten: 1
    Letzter Beitrag: 28.08.2013, 15:57
  4. Singular oder Plural im Folgesatz? Eines unserer Objekte.
    Von Unregistriert im Forum Fragen zur Grammatik
    Antworten: 3
    Letzter Beitrag: 26.06.2013, 16:04
  5. Ist die Zahl 0,5 Plural oder Singular?
    Von Unregistriert im Forum Fragen zur Grammatik
    Antworten: 1
    Letzter Beitrag: 26.01.2012, 23:27

Lesezeichen

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein