Ihre Frage bezieht sich auf die Verwendung des
temporalen Subjunktors nachdem. Sie möchten wissen, ob es bei der Verwendung dieses nebensatzeinleitenden Konnektors Beschränkungen hinsichtlich des Gebrauchs der Tempora im Haupt- und Nebensatz gibt. Da diese Frage in ähnlicher Form schon einmal beantwortet wurde, wird vor der ausführlichen Beantwortung auf folgenden Link verwiesen, der ebenfalls zum Verständnis des Themas beitragen kann:
http://www.grammatikfragen.de/showth...t=pr%E4teritum
Klassisch verhält es sich so, dass
nachdem verwandt wird, um
Vorzeitigkeit auszudrücken. Es soll also angezeigt werden, dass das im durch den Subjunktor eingeleiteten Nebensatz stattfindende Ereignis zeitlich vor dem Ereignis des Hauptsatzes zu verorten ist. Die Abfolge der Geschehnisse wird entsprechend ausgedrückt. Dies geschieht i.d.R. durch die Verwendung einer Perfektform im Nebensatz. Dabei wird das Perfekt (1) benutzt, wenn der Hauptsatz im Präsens steht und das Plusquamperfekt (2) bei einem Hauptsatz im Präteritum (vgl. Duden 9: 655-656,
nachdem).
Beispiel
(1) Nachdem ich
aufgestanden bin,
wasche ich mein Gesicht.
(2) Nachdem ich
aufgestanden war,
wusch ich mein Gesicht.
Dieser strikte Tempuswechsel zwischen Haupt- und Nebensatz wird allerdings in der Dudengrammatik durch die Formulierung, dass „meist [ein] Tempuswechsel“ (Duden 4: 627, Randnummer 943) vorliegt, relativiert, da
meist indiziert, dass es eben nicht immer so ist. Entsprechend muss es möglich sein, dass in Haupt- und Nebensatz jeweils die gleichen Tempora vorkommen. Der Duden 9 grenzt die Anwendung dieser Möglichkeit jedoch stark ein: Nur bei einem Vorgang, der „als fortdauernd gedacht wird“ (656,
nachdem), kann von der Regel abgewichen werden.
Beispiel
(3) Das
erfuhr Karin Erb, nachdem sie
anfing, im Internet zu recherchieren (Internetbeleg).
Hingegen wird der Gebrauch des gleichen Tempus in Haupt- und Nebensatz im Duden 9 als inkorrekt angesehen, wenn eine Fortdauer des Vorgangs nicht gegeben ist. Dies allerdings scheint vor dem Hintergrund, dass das zeitliche Verhältnis und somit die Abfolge beider Ereignisse durch den Subjunktor schon ausreichend markiert ist, nicht besonders überzeugend. Seiner Bedeutung wegen gibt
nachdem ja bereits an, dass der eine Vorgang vor dem anderen stattfindet, sodass, um das Verständnis zu wahren, keine Notwendigkeit besteht, die Vorzeitigkeit noch ein weiteres Mal durch die Tempora Perfekt oder Plusquamperfekt zu markieren. Dass
nachdem bereits durch seine eigene Bedeutung Vorzeitigkeit ausdrückt, geht ebenfalls aus dem entsprechenden Lemma im Deutschen Universalwörterbuch (DUW) hervor (vgl. 1229,
nachdem).
Außerdem wird eine weitere standardsprachlich akzeptierte Abweichung von der präskriptiven (= vorschreibend) Erklärung zum Gebrauch von
nachdem angeführt. So kann der Subjunktor nicht nur temporal sondern auch temporal-kausal gebraucht werden. Hierbei kommt dem Subjunktor die Aufgabe zu, einen begründenden Gliedsatz einzuleiten (ebd.) (4).
Beispiel
(4) [Nachdem] sich die Sache verzögerte, verloren viele das Interesse daran. (ebd.)
Die Ausnahmen sowie die Eigensemantik (= Eigenbedeutung) von
nachdem weisen also darauf hin, dass es sich bei der traditionellen Verwendung der Perfektformen zur Markierung der Vorzeitigkeit nicht um eine grammatische Grundregel handelt, die zwingend befolgt werden müsste. Entsprechend ist es Ihnen überlassen, ob Sie der Tradition folgen wollen, indem Sie die Vorzeitigkeit zweimal markieren oder doch eher vom Tempuswechsel absehen.
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