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Thema: Heißt es: Liebe und Erinnerung ist das was bleibt oder: sind das was bleibt

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Heißt es: Liebe und Erinnerung ist das was bleibt oder: sind das was bleibt

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Danksagung im Trauerfall

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    noch nicht versucht

  2. #2
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    03.07.2014
    Ort
    Gießen
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    271

    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Ihre Frage betrifft die Kongruenz zwischen dem finiten Verb eines Satzes und dessen Subjekt. Kongruenz bedeutet, dass das finite Verb hinsichtlich des Numerus mit dem Subjekt des Satzes übereinstimmen muss. Ist das Subjekt also im Plural, ist es auch das finite Verb. Ist hingegen das Subjekt im Singular, dann muss auch das finite Verb im Singular stehen. Das Problem in Ihrem Beispiel besteht nun darin, dass nicht klar ist in welchem Numerus das Subjekt steht, da wir zwei Subjekte vorliegen haben:

    Beispiel

    Liebe (= Subjekt 1) und Erinnerung (= Subjekt 2) ist / sind das, was bleibt.


    Durch das Vorhandensein dieser zwei Subjekte, ergeben sich nun verschiedene Lesarten für Ihren Beispielsatz:

    1) Bei einer ersten Lesart werden zwei Subjekte miteinander koordiniert und bilden zusammen ein komplexeres Subjekt. Man spricht hier auch von einem gereihten Satz. Bei diesem werden die zwei im Singular stehenden Subjekte miteinander zum Plural aufaddiert. Dadurch stünde das Subjekt im Plural und das finite Verb würde sich entsprechend an dieses Subjekt anpassen. (Vgl. dazu Kongruenzregel II der Dudengrammatik für Subjekte mit gereihten Subjektteilen) Dies spräche für die folgende Variante:

    Beispiel

    Liebe und Erinnerung sind das, was bleibt.


    2) In einer zweiten Lesart könnte es sich bei Liebe und Erinnerung um ein Wortpaar handeln, das formelhaft zusammengehört und eine gemeinsame Einheit ausdrückt. In der Dudengrammatik finden sich exemplarisch für solche formelhaften Wortpaare die folgenden Beispiele:

    Beispiel

    Grund und Boden darf nicht zum Objekt wilder Spekulation werden.
    Zeit und Geld fehlt uns.
    Krankheit und Müdigkeit macht auch Bauern fein. (F. Kafka)


    Für diesen Fall gilt die Regel, dass „bei formelhaften Wortpaaren ohne Artikel […] das finite Verb vor allem dann im Singular [steht], wenn das Wortpaar inhaltlich eine Einheit ausdrückt.“ (Dudengrammatik, Randnummer 1609) Dieser Erklärungsansatz würde also dafür sprechen, das finite Verb in Ihrem Beispiel in den Singular zu setzen, wodurch es entsprechend lauten würde:

    Beispiel

    Liebe und Erinnerung ist das, was bleibt.


    3) Betrachtet man weiterhin den Einfluss der Bedeutung, so heißt es in der Dudengrammatik, dass „je abstrakter die Bedeutung eines Subjekts ist, desto eher neigt man dazu, das finite Verb in den Singular zu setzen“. (Dudengrammatik, Randnummer 1610) Bei „gewöhnlichen Abstrakta“ wird jedoch noch häufiger der Plural verwendet. Veranschaulicht wird dies an den Beispielen:

    Beispiel

    Der Hass und die Gewalt sind (= Plural) immer noch da.
    Der Hass und die Gewalt beherrschen (= Plural) noch immer das Leben zwischen Juden und Palästinensern. (Internetbelege)


    Die Koordination von Liebe und Erinnerung könnte sich ähnlich wie die Substantive in diesen Beispielen verhalten, sodass sich darüber wieder die Wahl des Plurals erklären lässt.

    4) Bei einer weiteren Lesart wird der Satz als zusammengezogener Satz verstanden. Dieser zeichnet sich dadurch aus, dass eine Ellipse (= Einsparung) vorliegt, bei der gleiche Satzbestandteile eingespart werden. Was dies konkret bedeutet, kann an einem Beispiel veranschaulicht werden:

    Beispiel

    Liebe ist das, was bleibt, und Erinnerung ist das, was bleibt.


    Dieser Satz wäre die Rekonstruktion zu Ihrem Beispiel, wenn man annimmt, dass eine Ellipse vorliegt. Im Gegensatz zu Ihrem Beispiel ist hier das finite Verb ist in jedem Teilsatz realisiert. Es lägen hier also zwei vollständige Sätze mit jeweils einem eigenen finiten Verb vor. Dieses müsste dann jeweils im Singular stehen, da das Subjekt des jeweiligen Teilsatzes ebenfalls im Singular steht. Aus sprachökonomischen Gründen können jedoch gleiche Satzbestandteile eingespart werden, wie sie es bereits vorgenommen haben:

    Beispiel

    Liebe […] und Erinnerung ist das, was bleibt.


    Nimmt man an, dass Ihrem Beispiel eine solche Einsparung zugrunde liegt, dann müsste das realisierte finite Verb sich nach dem Subjekt richten, das näher an ihm dran steht. (Vgl. Kongruenzregel III der Dudengrammatik für Subjekte in zusammengezogenen Sätzen) In diesem Fall wäre es das Subjekt Erinnerung, das im Singular steht. Da Erinnerung im Singular steht, müsste auch sein im Singular stehen und es lauten:

    Beispiel

    Liebe und Erinnerung ist das, was bleibt.


    Demnach sind beide von Ihnen vorgeschlagenen Varianten sprachsystematisch begründbar.
     


    Sprachgebrauch


    Um einen Eindruck darüber zu bekommen, welche Variante im Sprachgebrauch überwiegt, wurde eine Stichprobe mit Google erhoben. Das Ergebnis zeigt die folgende Tabelle:

    Treffer in Google
    Liebe und Erinnerung sind ca. 4.360 Treffer
    Liebe und Erinnerung ist ca. 7.150 Treffer

    Im Sprachgebrauch kommen entsprechend beide Varianten vor. Allerdings scheint die Variante mit dem finiten Verb im Singular von den Sprachbenutzern tendenziell präferiert zu werden.

    Hinweis zu Googledaten: Die Sprachgebrauchsdaten werden mit dem wissenschaftlich fundierten Recherchesystem des Instituts für deutsche Sprache Mannheim COSMAS II erhoben und durch Googlebefunde ergänzt. Die ergänzende Googlesuche ist notwendig, da in der Textsammlung des IdS (DeReKo = Deutsches Referenzkorpus), obwohl diese inzwischen 24 Milliarden Wortformen umfasst, die gefragten Varianten häufig nur relativ selten vorkommen. Bei Google finden sich häufig deutlich mehr Treffer, die Zahlen sind aber aus den folgenden beiden Gründen mit Vorsicht zu genießen:

    1. Google unterscheidet nicht zwischen "echten" Sprachgebrauchstreffern und metasprachlichen Diskussionen. Die Frage zu downgeloadet/gedownloadet in unserem Forum bspw. ist auch ein Treffer bei Google. Insgesamt betrachtet machen die metasprachlichen Diskussionen aber in aller Regel den deutlich geringeren Anteil an den Gesamttreffern aus.

    2. Google bemüht sich um personalisierte und schnelle Suchergebnisse, die Treffergenauigkeit steht hier also nicht im Vordergrund. Dennoch - und deshalb wird hier trotz der genannten Einschränkungen auf Google zurückgegriffen - lassen sich doch Eindrücke über allgemeine Gebrauchstendenzen gewinnen.
     

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