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Thema: Ist folgender Tempusgebrauch korrekt und um welche Form handelt es sich: "Ich wollte getankt haben"

  1. #1

    Standard Ist folgender Tempusgebrauch korrekt und um welche Form handelt es sich: "Ich wollte getankt haben"

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Frage einer (schwäbischen) Kursteilnehmerin

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Internetrecherche

  2. #2
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    Ort
    Gießen
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    271

    Standard Vergangenheit von Modalverben

    Sprachsystem


    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    In Ihrer Frage geht es um die Bestimmung des Verbalkomplexes wollte getankt haben. Konkret möchten Sie wissen, um welche Tempusform es sich handelt. Analysiert man diesen Verbalkomplex, dann wird er auf die folgende Weise gebildet:

    wollte = konjungiertes Modalverb (1. Pers. Sg. Prät. Akt. Ind.)
    +
    getankt haben = Infinitiv Perfekt (bestehend aus Partizip II + haben)

    Mit diesem komplexen Verbalkomplex bestehend aus finitem Modalverb und dem Infinitiv Perfekt eines Vollverbs kann in Ihrem Beispiel artikuliert werden, dass der Sprecher ein gewisses Vorhaben in der Vergangenheit hatte, von dem auszugehen ist, dass er es nicht in die Tat umgesetzt hat. Mit dem Modalverb wird dabei diese Absicht artikuliert, während der Infinitiv die Absicht näher konkretisiert, in dem angegeben wird, worin die Absicht bestand.

    Generell lässt sich sagen, dass der Zweifel daraus resultieren kann, dass es sich nicht um die gebräuchlichste Tempusform handelt. Modalverben können nämlich generell auf zwei Weisen die Vergangenheit ausdrücken:

    1) wollte + Infinitiv Präsens
    2) will + Infinitiv Perfekt


    Häufiger kommt dabei die erste Bildungsvariante vor, wie bspw. in:

    Beispiel

    „Der 23-jährige Rosenauer fuhr nicht mit dem brennenden Fahrzeug zur Tankstelle, sein Pkw fing vielmehr beim Warten auf die Zapfsäule Feuer: ‚Ich wollte tanken und mir eine Jause kaufen.‘“ (NON10/AUG.09807 Niederösterreichische Nachrichten, 18.08.2010)

    „Die 18-Jährige war zwei Tage nach ihrem Geburtstag mit einem neuen Wagen unterwegs und wollte tanken, teilte die Polizei mit.“ (RHZ10/MAI.06028 Rhein-Zeitung, 17.05.2010; Kompakt)


    Die zweite Variante, die Vergangenheit zu bilden, wie Sie sie auch in Ihrem Beispiel verwenden, korreliert vor allem mit einem bestimmten Gebrauch von Modalverben. Allgemein können Modalverben auf zwei unterschiedliche Weisen gebraucht werden:

    1) Deontischer Gebrauch: Der deontische Gebrauch von Modalverben ist ein nicht-sprecherbezogener. Durch das Modalverb wird dabei eine Aussage über die Wirklichkeit getätigt, indem angegeben wird, ob etwas der Fall ist, ob etwas möglich / notwendig / erlaubt oder erwünscht ist. (Vgl. IDS Mannheim: Modalverben im Verbalkomplex) Beispiele für diesen Gebrauch sind:

    Beispiel

    Ich kann erst in einer Stunde kommen.
    Er musste letzte Woche nach Hause fahren, weil seine Frau plötzlich ins Krankenhaus gebracht wurde.


    Es werden also mit diesem Modalverben Aussagen über die Beschaffenheit der Welt gemacht, die unabhängig von dem jeweiligen Sprecher sind.

    2) Epistemischer Gebrauch: Anders als der deontische Gebrauch ist der epistemische Gebrauch sprecherabhängig. Epistemisch gebrauchte Modalverben können einerseits zur Redewiedergabe dienen und andererseits angeben, wie wahrscheinlich etwas aus Sicht einer bestimmten Person ist. (Vgl. IDS Mannheim: Modalverben im Verbalkomplex) Epistemisch werden die Modalverben in den folgenden Beispielen gebraucht:

    Beispiel

    Der Maler soll das Bild wieder vernichtet haben.
    Es wurde bei einem Maler ein Bild bestellt. Der Maler dürfte das Bild jetzt fertig haben.
    Es wurde bei einem Maler ein Bild bestellt. Der Maler könnte das Bild jetzt fertig haben.


    Die Bildung der Vergangenheit eines Modalverbs auf die von Ihnen gewählte Weise korreliert insbesondere mit der epistemischen Verwendung von Modalverben. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 679 / 816) Als Beispiel für die Verwendung von finitem Modalverb und Infinitiv Perfekt werden in der Dudengrammatik genannt:

    Beispiel

    Sie muss Jura studiert haben.
    Ich kann den Schlüssel im Büro vergessen haben.


    In dieser epistemischen Funktion werden Verbalkomplexe wie in Ihrem Beispielsatz regelmäßig gebraucht. Aber auch in einer deontischen Verwendungsweise ist die Bildung eines solchen Verbalkomplexes je nach Kontext möglich. Ein solcher Kontext könnte in Bezug auf Ihr Beispiel sein:

    Beispiel

    Ich wollte gestern getankt haben, habe es dann aber doch zeitlich nicht mehr geschafft.


    Fazit: Demnach lässt sich festhalten, dass aus grammatischer Perspektive die Verwendung dieses Verbalkomplexes möglich ist, um zu artikulieren, dass jemand in der Vergangenheit ein bestimmtes Vorhaben hatte. Bevorzugt wird diese Form vor allem bei epistemisch gebrauchten Modalverben. Sollte einem diese Form zu gestelzt oder ungewöhnlich erscheinen, ist es auch möglich die Vergangenheit mithilfe des Präteritums des Modalverbs + dem Präsensinfinitiv auszudrücken.

     

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