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Thema: Anna versteckt sich. Das Wort "sich": gehört es zum Prädikat - "sich verstecken" oder handelt es sich dabei um das Akkusativobjekt?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Anna versteckt sich. Das Wort "sich": gehört es zum Prädikat - "sich verstecken" oder handelt es sich dabei um das Akkusativobjekt?

     

  2. #2
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    Standard Satzgliedfunktion von Reflexivpronomen

    Da eine Frage zur Satzanalyse keine Grammatikfrage in unserem Sinne ist (d.h. keine Frage zu einem grammatischen Zweifelsfall, sondern eine Frage zur Satzanalyse), wird hier auf unser übliches Antwortschema mit den Icons verzichtet. Wir möchten Sie dennoch bitten, unseren kurzen Fragebogen zur Bewertung unserer Antwort auszufüllen.

    Sie möchten wissen, um welches Satzglied es sich bei dem Wort sich in Kombination mit dem Verb verstecken handelt. Dazu machen Sie bereits zwei Vorschläge:

    1. Das Wort sich gehört zum Verb und ist damit Teil des Prädikats.
    2. Das Wort sich ist ein eigenständiges Satzglied und damit ein Akkusativobjekt.


    Mit diesen Vorschlägen verweisen Sie auf ein existierendes Problem in der linguistischen Debatte, wie es auch im folgenden Beitrag thematisiert wurde:

    http://www.grammatikfragen.de/showth...kkusativobjekt

    Eine Position in dieser Debatte ist die der Dudengrammatik. Diese stuft das Reflexivpronomen sich als eigenständiges Satzglied ein, das eine Objektfunktion erfüllt. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 547ff.) Dennoch wird auch dort bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Debatte differenzierter betrachtet werden kann.

    Im Hintergrund der Debatte steht die Unterscheidung, ob es sich bei einem Verb um ein echt-reflexives Verb handelt oder lediglich um ein Verb, das reflexiv gebraucht wird. Echt-reflexive Verben zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit einem Reflexivpronomen stehen, welches semantisch allerdings leer ist. Das bedeutet, dass das Reflexivpronomen eigentlich keine eigenständige Bedeutung trägt. Darüber hinaus kann man es nicht erfragen und nicht an den Satzanfang stellen. Ein typisches Beispiel für ein echt-reflexives Verb wäre sich schämen, wie im Beispiel:

    Beispiel

    Max schämte sich vor seinen Eltern der schlechten Note wegen.


    Da das Reflexivpronomen semantisch leer ist und eng zum Verb gehört, gibt es die Tendenz dahingehend, das Reflexivpronomen als Teil des Prädikats zu klassifizieren. Anders hingegen ist es bei reflexiv gebrauchten Verben. Reflexiv gebrauchte Verben stehen wie echt-reflexive Verben mit einem Reflexivpronomen im Satz. Das Reflexivpronomen funktioniert bei diesen wie ein Objekt, ist also semantisch nicht leer, was sich u.a. daran erkennen lässt, dass es sich durch ein nicht-reflexives Objekt ersetzen lässt. Dies zeigt das folgende Beispiel exemplarisch:

    Beispiel

    Hans kauft sich ein Buch.
    Hans kauft Marie ein Buch.


    Vor diesem Hintergrund kann das Reflexivpronomen hier als Objekt eingestuft werden.

    Tiefergehend wird die Unterscheidung im folgenden Beitrag vorgenommen:
    http://www.grammatikfragen.de/showth...flexivpronomen

    Um also herauszufinden, ob sich tendenziell eher ein eigenständiges Satzglied ist oder Teil des Prädikats, muss überprüft werden, ob verstecken ein echt-reflexives Verb ist. Dazu bieten sich die folgenden Tests an:

    1. In einem ersten Test kann sich die Bedeutung von sich näher betrachtet werden. Objekte zeichnen sich dadurch aus, dass durch sie semantische Rollen artikuliert werden. Zu diesen semantischen Rollen gehören:
    das Agens -> die handelnde Person (z.B. Peter baut ein Haus.)
    das Patiens -> das von einer Handlung betroffene (z.B. Peter baut ein Haus.)
    der Rezipient -> der Empfänger eines Vorgangs (z.B. Peter leiht Marie den Koffer.)

    In Ihrem Beispiel übernimmt Anna die Funktion des Agens, denn sie ist es, die die Handlung des Versteckens ausübt. Da Anna und sich auf dieselbe Person verweisen, erscheint es in diesem Beispiel eher ungewöhnlich davon auszugehen, dass sich die Funktion des Patiens übernimmt, also desjenigen, das von der Handlung betroffen ist. Geht man davon aus, dass sich nicht die Funktion eines Patiens übernimmt, dann ist es semantisch leer, was eher für die Klassifizierung von sich als Teil des Prädikats sprechen würde.

    2. Bei einem zweiten Test wird überprüft, wie sich das Wort sich im Satz verschieben lässt. Echte Satzglieder zeichnen sich dadurch aus, dass sie alleine vor dem finiten Verb stehen können. Wenn sich alleine diese Position einnehmen kann, dann handelt es sich um eigenständiges Satzglied. Wendet man diese Probe auf Ihr Beispiel an kommt man zu folgendem Ergebnis:

    Beispiel


    Anna versteckt sich.
    Sich versteckt Anna.


    Es zeigt sich, dass das Wort sich in diesem Fall im Vorfeld stehen kann, was dafür spricht, dass es sich bei sich eher um ein eigenständiges Satzglied als um ein Prädikatsbestandteil handelt.

    3. Ein weiterer Test besteht in einer Ersatzprobe. Bei dieser wird das Reflexivpronomen durch eine Nominalgruppe ersetzt. Ist diese Ersatzprobe möglich, dann spräche dies dafür, sich eher als Objekt zu klassifizieren. Angewendet auf Ihr Beispiel kommt man dabei zu folgendem Ergebnis:

    Beispiel

    Anna versteckt sich.
    Anna versteckt den Schlüssel.
    Anna versteckt das Tagebuch.


    Mit diesem Test wird deutlich, dass das Reflexivpronomen durch eine Nominalgruppe ersetzt werden kann.

    Insgesamt scheinen die Tests den Eindruck zu vermitteln, dass es sich bei dem Wort sich in Kombination mit verstecken tendenziell eher um ein eigenständiges Satzglied handelt. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Interpretation als Prädikatsbestandteil ausgeschlossen ist. Vielmehr handelt es sich hierbei um ein Kontinuum zwischen den Polen echt-reflexiver Verben, bei denen sich ein Prädikatsbestandteil ist, und reflexiv gebrauchten Verben, bei denen sich ein eigenständiges Satzglied ist. Bei diesem Kontinuum befindet sich verstecken eher näher am Pol von reflexiv gebrauchter Verben und sich wäre somit eher ein Objekt.

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