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Thema: Des Campers Fluch ist Regen und Besuch, oder "...sind Regen und Besuch?

  1. #1
    Friederike Holtstiege Gast

    Standard Des Campers Fluch ist Regen und Besuch, oder "...sind Regen und Besuch?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    stand auf einem Frühstücksbrettchen/ Weihnachtsmarkt

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    Nein

    In unserer Familie streiten sich die Geister...ich bedanke mich für kompetente Antwort!

  2. #2
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    Gießen
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    Standard

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Ihre Frage betrifft die Kongruenz von finitem Verb und Subjekt eines Satzes. Im Deutschen gilt die Regel, dass das finite Verb eines Satzes mit dem Subjekt des Satzes hinsichtlich des Numerus übereinstimmen muss. Steht das Subjekt also im Plural, trifft dies auch das finite Verb zu. Ist hingegen das Subjekt im Singular, dann muss auch das finite Verb im Singular stehen. Um diese Regel nun anwenden zu können, muss geklärt werden, was das Subjekt in Ihrem Satz ist.

    Zunächst lässt sich diesbezüglich festhalten, dass der Satz die typische Struktur eines Kopulasatzes aufweist. Ein Kopulasatz zeichnet sich dadurch aus, dass er häufig aus dem Verb sein besteht, welches mit einer Nominalgruppe oder einem Adjektiv auftritt, welche jeweils in Kasus und Numerus mit einem anderen Satzglied übereinstimmen und mit denen Eigenschaften einem Gegenstand oder einer Person zugeschrieben werden. Beispiele für solche Kopulasätze wären:

    Beispiel


    1) Daniel ist ein fleißiger Student.
    2) Marie ist eine gute Lehrerin.


    Die Struktur der beiden Sätze sieht jeweils so aus, dass sie mit dem Subjekt beginnen, dann das finite Verb folgt und schließlich eine Nominalgruppe im Nominativ anknüpft, die kongruent zu dem jeweiligen Subjekt ist. Diese Nominalgruppe erfüllt die Aufgabe, dem Subjekt gewisse Eigenschaften zuzuschreiben und wird als Prädikativum bezeichnet:

    Beispiel

    1a) Daniel (Nominativ Singular Maskulinum) ist ein fleißiger Student (= Nominativ Singular Maskulinum).
    2a) Marie (Nominativ Singular Femininum) ist eine gute Lehrerin (= Nominativ Singular Femininum).


    In beiden Sätzen stimmt das finite Verb ist mit dem jeweiligen Subjekt Daniel / Marie hinsichtlich des Numerus überein.

    Analysiert man Ihren Beispielsatz auf diese Weise, dann steht man vor mehreren Schwierigkeiten:

    Zunächst stellt sich die Frage, was das Subjekt des Satzes ist. In Frage kommen dafür die Wortgruppe des Campers Fluch sowie Regen und Besuch. Beide Wortgruppen stehen im Nominativ und können so die Funktion des Subjekts einnehmen. In der Dudengrammatik findet sich allerdings ein Testverfahren, das zur Unterscheidung von Subjekt und Prädikativ (also der gleichgesetzten Nominalgruppe) dienen kann. Es wird vorgeschlagen das Kopulaverb durch ein anderes Verb zu ersetzen, das eine Konjunktionalgruppe verlangt, also einer mit als eingeleiteten Wortgruppe. Dafür wird das folgende Beispiel genannt:

    Beispiel

    (3) [Sein größter Erfolg] war [die Erfindung der Glühbirne].
    (3a) [Als sein größter Erfolg] gilt [die Erfindung der Glühbirne].


    Die Nominalgruppe, die im umformulierten Satz zur Konjunktionalgruppe wird, ist das Prädikativum, die andere das Subjekt:

    Beispiel

    (3b) Sein größter Erfolg [= Prädikativum] war die Erfindung der Glühbirne [= Subjekt].


    Dieses Testverfahren kann man nun auf Ihr Beispiel anwenden:

    Beispiel

    (4) Des Campers Fluch ist/sind Regen und Besuch
    (4a) Als des Campers Fluch gilt/gelten Regen und Besuch.


    Demnach ist die Wortgruppe Regen und Besuch das Subjekt des Satzes, während des Campers Fluch das Prädikativum ist. Da sich das finite Verb des Satzes immer nach dem Subjekt desselben richtet, stellt sich nun die Frage, in welchem Numerus das Subjekt steht, da es aus zwei Teilen besteht. Dazu gibt es drei unterschiedliche Lesarten:

    1. Lesart: Die beiden Subjekte stehen jeweils im Singular. Werden zwei Subjekte aber mit und koordiniert, dann bilden sie zusammen ein komplexes Subjekt, bei dem zwei im Singular stehenden Subjekte zum Plural aufaddiert werden. Legt man diese Analyse zu Grunde, dann müsste das finite Verb ebenfalls im Plural stehen und es lauten:

    Beispiel


    (5) Des Campers Fluch sind Regen und Besuch


    Allerdings stößt man bei dieser Lesart auf ein Problem: Kopulasätze sind sogenannte Gleichsetzungssätze. Das heißt, dass bei diesen beide Wortgruppen entweder im Singular oder im Plural stehen. In der Regel werden keine Dinge gleichgesetzt, die einen unterschiedlichen Numerus aufweisen. Eine Ausnahme dafür wäre jedoch das Beispiel:

    Beispiel

    (6) Besonders Rechtschreibfehler (=Plural) waren ihm immer ein Gräuel (=Singular). (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1632)


    In ihrem Beispiel würde dann das im Plural stehende Subjekt Regen und Besuch mit dem Prädikativum des Campers Fluch nicht hinsichtlich des Numerus übereinstimmen, da dieses im Singular steht. In der Dudengrammatik heißt es für diesen Fall, dass dann das finite Verb in der Regel im Plural steht, wodurch sich die Wahl des Plurals verstärkt wird. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1632)

    2. Lesart: In einer zweiten Lesart läge in Ihrem Beispiel eine Koordinationsellipse vor. Koordinationsellipsen zeichnen sich dadurch aus, dass im Satz mehrfach auftretende Satzbestandteile eingespart werden könne, sofern diese hinsichtlich ihrer grammatischen Kategorien identisch sind. Rekonstruiert man Ihren Beispielsatz vor diesem Hintergrund könnte er lauten:

    Beispiel

    (7) Des Campers Fluch ist Regen und [des Campers Fluch ist] Besuch.


    Nimmt man an, dass Ihrem Beispiel eine solche Einsparung zugrunde liegt, dann müsste das realisierte finite Verb sich nach dem Subjekt richten, das näher an ihm dran steht. Das wäre in Ihrem Fall das Subjekt Regen, sodass das finite Verb im Singular stehen müsste:

    Beispiel


    (8) Des Campers Fluch ist Regen und Besuch.


    3. Lesart: Auch eine weitere Lesart würde für die Wahl des Singulars sprechen. In dieser Lesart handelt es sich bei Regen und Besuch, um ein Wortpaar handeln, das formelhaft zusammengehört und eine gemeinsame Einheit ausdrückt. Beispiele in der Dudengrammatik sind dafür:

    Beispiel

    (9) Grund und Boden darf nicht zum Objekt wilder Spekulation werden.
    (10) Krankheit und Müdigkeit macht auch Bauern fein. (F. Kafka)


    Liegt ein solches zusammengehörendes Wortpaar ohne Artikel vor, dann steht das finite Verb in der Regel im Singular. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 1609)

    Es lässt sich also festhalten, dass beide Varianten aus sprachsystematischer Perspektive möglich sind. Die Wahl des Plurals lässt sich über den Gedanken erklären, dass sich zwei Subjekte im Singular zum Plural aufaddieren. Die Wahl des Singular hingegen lässt sich über die Annahme einer Koordinationsellipse begründen, bei der sich das realisierte finite Verb nach dem am nächsten stehenden Subjekt richtet, oder durch das Vorliegen eines Wortpaares, das eine Einheit bildet.
     


    Sprachgebrauch


    Um zu überprüfen, wie der Sprachbenutzer mit dieser Problematik umgeht, wurde mit Google nach den von Ihnen vorgeschlagenen Varianten gesucht. Das Ergebnis zeigt die folgende Tabelle:

    Treffer in Google
    Des Campers Fluch ist Regen und Besuch ca. 781 Treffer
    Des Campers Fluch sind Regen und Besuch ca. 393 Treffer
    ist Regen und Besuch ca. 1.290 Treffer
    sind Regen und Besuch ca. 430 Treffer

    Die Tabelle zeigt, dass im Sprachgebrauch beide Varianten faktisch vorkommen, es jedoch eine Tendenz zur Wahl des Singulars gibt.

    Hinweis zu Googledaten: Die Sprachgebrauchsdaten werden mit dem wissenschaftlich fundierten Recherchesystem des Instituts für deutsche Sprache Mannheim COSMAS II erhoben und durch Googlebefunde ergänzt. Die ergänzende Googlesuche ist notwendig, da in der Textsammlung des IdS (DeReKo = Deutsches Referenzkorpus), obwohl diese inzwischen 24 Milliarden Wortformen umfasst, die gefragten Varianten häufig nur relativ selten vorkommen. Bei Google finden sich häufig deutlich mehr Treffer, die Zahlen sind aber aus den folgenden beiden Gründen mit Vorsicht zu genießen:

    1. Google unterscheidet nicht zwischen "echten" Sprachgebrauchstreffern und metasprachlichen Diskussionen. Die Frage zu downgeloadet/gedownloadet in unserem Forum bspw. ist auch ein Treffer bei Google. Insgesamt betrachtet machen die metasprachlichen Diskussionen aber in aller Regel den deutlich geringeren Anteil an den Gesamttreffern aus.

    2. Google bemüht sich um personalisierte und schnelle Suchergebnisse, die Treffergenauigkeit steht hier also nicht im Vordergrund. Dennoch - und deshalb wird hier trotz der genannten Einschränkungen auf Google zurückgegriffen - lassen sich doch Eindrücke über allgemeine Gebrauchstendenzen gewinnen.
     


    Fazit: Demnach sind beide von Ihnen vorgeschlagene Varianten möglich. Im Sprachgebrauch gibt es jedoch eine leichte Tendenz zur Wahl des Singulars.

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