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Thema: Ist es falsch zu sagen: Moritz sein Rucksack ist weg. Ist dies umgangssprachlich oder einfach komplett falsch? Müsste es dann heißen: Moritzs Rucksack ist weg?

  1. #1
    Unregistriert Gast

    Standard Ist es falsch zu sagen: Moritz sein Rucksack ist weg. Ist dies umgangssprachlich oder einfach komplett falsch? Müsste es dann heißen: Moritzs Rucksack ist weg?

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Abendunterhaltung mit Freunden

  2. #2
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    Gießen
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    Standard Dativ-Possessiv-Konstruktion

    Sprachsystem


    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    In Ihrer Frage geht es darum, wie Besitzverhältnisse im Deutschen artikuliert werden können. Diesbezüglich machen Sie bereits selbst zwei Vorschläge:

    (1) Vorangestelltes Genitivattribut
    Als eine Variante schlagen Sie vor ein Genitivattribut, nämlich Moritz, voranzustellen. Dabei tritt jedoch die Unsicherheit auf, wie der Genitiv von Moritz lauten würde. In der Regel wird der Genitiv im Deutschen mit der Endung –(e)s gebildet, die an ein Substantiv angehängt wird. Dies zeigen die folgenden Beispiele exemplarisch:

    Beispiel


    das Schloss des Königs
    der Titel des Buchs


    Nun tritt bei Moritz jedoch das Problem auf, dass hier das Substantiv auf den Konsonant z endet. An diesen wird im Deutschen kein Genitiv-s angehängt. Im Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung findet sich die folgende Regel:

    „Eigennamen, deren Grundform (Nominativform) auf einen s-Laut (geschrieben: -s, -ss, -ß, -tz, -z, -x, -ce) endet, bekommen im Genitiv den Apostroph, wenn sie nicht einen Artikel, ein Possessivpronomen oder dergleichen bei sich haben.“ (§ 96 Amtliches Regelwerk)

    Das heißt die Variante mit vorangestelltem Genitivattribut müsste lauten:

    Beispiel

    Moritz’ Rucksack ist weg.


    (2) Dativ-Possessiv-Konstruktion
    Bei der zweiten von Ihnen vorgeschlagenen Variante handelt es sich um eine sogenannte Dativ-Possessiv-Konstruktion. Diese Konstruktionen bestehen zunächst aus einer Konstituente im Dativ, mit der der Besitzer angegeben wird. In Ihrem Beispiel übernimmt diese Funktion das Wort Moritz. Auf diese Konstituente folgt ein Possessivpronomen mit anschließendem Substantiv, nämlich sein Rucksack. (Vgl. Dudengrammatik, Randnummer 2028) Ihr Beispielsatz mit einer Dativ-Possessiv-Konstruktion lautet also:

    Beispiel


    Moritz sein Rucksack ist weg.


    Sie äußern nun zu Recht Zweifel, in welchen Zusammenhängen diese Variante verwendet werden kann. In der Dudengrammatik heißt es dazu:

    „Die Dativ-Possessiv-Konstruktion […] wird ausschließlich mündlich verwendet:

    Beispiel

    dem otto seine operation hat nichts geholfen
    diesen leuten da ihr häuslein


    Trotz ihrer Geläufigkeit in den regionalen Umgangssprachen und in Dialekten wird sie schriftsprachlich nicht verwendet.“ (Dudengrammatik, Randnummer 2028)

    Obgleich diese Konstruktion in der Schriftsprache nicht auftritt, handelt es sich dabei jedoch um keine neuere Erscheinung des aktuellen Sprachgebrauchs, denn bereits zu früheren Zeitpunkten der deutschen Sprache wurden solche Dativ-Possessiv-Konstruktionen verwendet, wie die folgenden Beispiele aus dem Frühneuhochdeutschen zeigen:

    Beispiel

    Und einem frantzosen seinem pferd den schwanz uss zoch (Eulenspiegel ca. 1515)
    Was das fur ein tugent sey, einem andern sein buch lestern (Luther 1530)


    Das bedeutet für Ihre Frage, dass die Verwendung von Dativ-Possessiv-Konstruktionen nicht prinzipiell falsch ist, sondern es darauf ankommt, in welcher Varietät Sie sich ausdrücken möchten. Möchten Sie bspw. einem guten Freund von dem Verschwinden des Rucksacks erzählen, dann kann diese Ausdrucksweise durchaus angemessen sein. Wollen Sie jedoch eine Beschwerde schreiben, dass der Rucksack verschwunden ist oder einen informierenden Brief an die Eltern von Moritz, so scheint diese Variante eher unangemessen zu sein.

    Neben den von Ihnen dargestellten Varianten gibt es noch mindestens zwei weitere Möglichkeiten, Possession auszudrücken.

    (3) Nachgestelltes Genitivattribut
    Possession kann darüber hinaus auch durch ein nachgestelltes Genitivattribut artikuliert werden, wie bspw. in:

    Beispiel

    das Haus meines Nachbars (= nachgestelltes Genitivattribut)


    In Ihrem Fall würde das Beispiel dann lauten:

    Beispiel

    Der Rucksack des Moritz ist weg.


    Anders als beim vorangestellten Genitivattribut muss hier bei Moritz kein Apostroph gesetzt werden. (Vgl. § 96 Amtliches Regelwerk)


    (4) Nachgestellte von-Phrase
    Possession kann darüber hinaus auch mit einer Präpositionalgruppe ausgedrückt werden, die aus von + einer Nominalgruppe besteht. Dann würde es lauten:

    Beispiel

    Der Rucksack von Moritz ist weg.


     

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