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Thema: "der" ist ein Genitiv oder ein Dativ ? "was der angestrebten Volksgemeinschaft aller Deutschen vorbildlich zu werden hatte."

  1. #1
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    Standard "der" ist ein Genitiv oder ein Dativ ? "was der angestrebten Volksgemeinschaft aller Deutschen vorbildlich zu werden hatte."

    Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
    Roman: "im Krebsgang" (Günther Grass)

    Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
    das Internet

    Guten Tag,

    Die Frage:
    Ich habe den folgenden Satz gelesen mit dem bestimmten Artikel "der". Ich frage mich, in welchem Kasus dieser Artikel 'der" vorkommt ?

    Das Zitat:
    Das waren, den gängigen Schiffsbau betreffend, normale Zahlen, doch im Gegensatz zu anderen Passagierschiffen war dem Neubau die Aufgabe gestellt, mit 40 nur einer einzigen Passagierklasse alle Klassenunterschiede zeitweilig aufzuheben, was, nach Robert Leys Weisung, der angestrebten Volksgemeinschaft aller Deutschen vorbildlich zu werden hatte.

    Ich schwanke zwischen dem Dativ oder dem Genitiv.
    Meine Umgebung sagt spontan und unsicher das Dativ.
    Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass manchmal beim Wegfallen einer Präposition der Genitiv vorkommt. Z.B. Ich erinnere mich des Urlaubes. Falls eine gängige Präposition weggefallen ist, könnte es auch sein, dass der Genitiv der Kasus ist.

    Danke für Ihre Hilfe,
    Mit freundlichen Grüßen
    Denebe.
    Geändert von denebe (28.02.2016 um 08:43 Uhr)

  2. #2

    Standard Dativ vs. Präpositionalgruppe mit 'für'

    Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.

    Sprachsystem


    Ihre Frage nach dem Kasus von der in Ihrem Beispiel ist deshalb berechtigt, weil der bei Feminina sowohl für den Genitiv als auch Dativ stehen kann. Da das Adjektiv angestrebten schwach dekliniert ist und das Femininum Volksgemeinschaft sowohl im Genitiv als auch im Dativ endungslos ist, kann man hier die Entscheidung für den Kasus nicht auf der Basis der formalen Gestalt der Nominalgruppe treffen.
    Es müssen deshalb die Zusammenhänge im Satz betrachtet werden.
    Ich wiederhole zunächst das vollständige Beispiel:

    Beispiel

    Das waren, den gängigen Schiffsbau betreffend, normale Zahlen, doch im Gegensatz zu anderen Passagierschiffen war dem Neubau die Aufgabe gestellt, mit 40 nur einer einzigen Passagierklasse alle Klassenunterschiede zeitweilig aufzuheben, was, nach Robert Leys Weisung, der angestrebten Volksgemeinschaft aller Deutschen vorbildlich zu werden hatte.

    Um die Analyse zu vereinfachen, reduziere ich den Satz nun auf die zur Debatte stehende Passage:

    Beispiel

    was der angestrebten Volksgemeinschaft aller Deutschen vorbildlich zu werden hatte
    X wird/ist der Volksgemeinschaft vorbildlich

    Anstelle der Variante mit einem Nominalkasus könnte man das Beispiel mit einer Präpositionalgruppe mit für folgendermaßen ausdrücken:

    Beispiel

    X ist vorbildlich für die Volksgemeinschaft

    Für ist nun eine reguläre Formvariante für den Dativ, vgl. die folgenden Beispielpaare:

    Beispiel

    Anna brachte ihrem Freund den Brief zur Post.
    Anna brachte für ihren Freund den Brief zur Post.
    Otto goss der Nachbarin die Zimmerpflanzen.
    Otto goss für die Nachbarin die Zimmerplfanzen.
    Emil hängte der alten Frau ein Bild an die Wand.
    Emil hängte für die alte Frau ein Bild an die Wand.

    Der Dativ ist in diesen Beispielen ein sogenannter 'freier Dativ'. Die freien Dative können für spezifische semantische Verhältnisse genutzt werden. In den Beispielen handelt es sich um einen so genannten 'Dativus commodi' (= Dativ des Nutzens), also Freund, Frau und Nachbarin sind hier sozusagen die Nutznießer der Aktion.
    Die Austauschbarkeit mit für + Präpositionalgruppe spricht also für eine Analyse als Dativ. Wenn diese Argumentation Sie noch nicht überzeugt haben sollte, können Sie noch einen Austauschtest mit einer eindeutig als Genitiv oder Dativ erkennbaren Nominalgruppe vornehmen, bspw.:

    Beispiel

    X ist dem Volk vorbildlich

    vs.

    Beispiel

    X ist des Volks vorbildlich

    Mein Sprachgefühl präferiert hier klar den Dativ.

    Fazit: Es ist zwar richtig, dass es teilweise auch Rektionsvarianten mit Genitiv und Präpositionalgruppe gibt (wie in Ihrem Beispiel erinnern). Daraus folgt aber umgekehrt nicht, dass es sich bei Rektionsvarianz immer um einen Genitiv handeln muss. Vielmehr kann Rektionsvarianz prinzipiell bei allen regierten Nominalkasus vorkommen.
     

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