Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Ihre Grammatikfrage betrifft den Unterschied zwischen Relativsätzen und Objektsätzen. Konkret möchten Sie wissen, welche Satzart der zweite Teilsatz im folgenden Beispiel ist:
Beispiel
1) Was wollt ihr denn, das(s) ich ihm sage?
Wenn es sich um einen Relativsatz handelt, dann ist das einleitende Wort das Relativpronomen
das, bei einem Objektsatz hingegen wäre es der Subjunktor
dass.
Zur Beantwortung dieser Frage empfiehlt sich die Beachtung des folgenden Beitrags, bei dem eine ähnliche Problematik bereits diskutiert wurde:
http://www.grammatikfragen.de/showth...erschr%E4nkung
Um Ihrem Zweifelsfall nachzugehen, soll sich zunächst die Struktur der Frage angesehen werden. Diese soll etwas anschaulicher gemacht werden, indem die entsprechende Frage vorerst als Aussagesatz formuliert wird. Der Aussagesatz kann entsprechend lauten:
Beispiel
2) Ihr wollt, dass ich ihm etwas sage.
In diesem Beispielsatz besteht der Hauptsatz aus dem Subjekt
ihr und dem Prädikat
wollt. Das Verb
wollen kann im Deutschen unterschiedlich verwendet werden: Es kann zum einen als ein Modalverb verwendet werden. Modalverben zeichnen sich grammatisch dadurch aus, dass sie einen Infinitiv regieren, mit dem bei dem Verb
wollen angegeben wird, was gewollt wird. Entsprechend könnte ein Satz mit
wollen als Modalverb wie folgt aussehen:
Beispiel
3) Ich will studieren.
Zum anderen kann
wollen auch als Vollverb genutzt werden, wie in Ihrem Beispiel. Als Vollverb benötigt es jemanden, der will, und etwas, das gewollt wird. Anders als bei dem Modalverb
wollen fordert das Vollverb
wollen also keinen Infinitiv. Es benötigt aber darüber hinaus ein Objekt, um einen grammatischen Satz zu bilden. Das heißt, dass ein Satz mit
wollen die folgende Struktur hat:
Beispiel
4) Jemand will x.
Das x kann im Deutschen durch ein Wort (5), eine Wortgruppe (6) oder durch einen Teilsatz, einen sogenannten Objektsatz, (7) realisiert werden:
Beispiel
5) Ihr wollt
(et)was.
6) Ihr wollt
ein Gespräch.
7) Ich wollt,
dass ich ihm etwas sage.
Grammatisch betrachtet erfüllt dabei der Objektsatz in 7 dieselbe Funktion wie das unterstrichene Wort in 5 und die unterstrichene Wortgruppe in 6. Der Objektsatz hat damit also eine Satzgliedfunktion. Er realisiert eine vom Verb geforderte Konstituente. In Beispielsatz 2 fungiert also der zweite Teilsatz dass ich ihm sage als Objektsatz, da es sich hierbei um den zweiten nötigen Mitspieler von
wollen handelt. Das einleitende
dass wird dabei mit doppeltem
s geschrieben, weil es sich hierbei um den Subjunktor
dass handelt, der einen solchen Objektsatz einleiten kann.
Vor diesem Hintergrund könnte die von Ihnen formulierte Frage so verstanden werden, dass es sich bei dem vorliegenden Nebensatz um einen Objektsatz handelt. Der Objektsatz würde dann die notwendige Ergänzung zu
wollen darstellen, mit der angegeben wird, was gewollt wird. Entsprechend dieser Lesart müsste es sich bei
dass also um einen Subjunktor handeln und Ihr Beispielsatz also lauten:
Beispiel
8) Was wollt ihr denn, dass ich ihm sage?
Diese Lesart bereitet jedoch mehrere Probleme: Ein erstes Problem besteht darin, dass es zu einer sogenannten Objekthäufung kommt, denn nicht nur der Nebensatz kommt als Objekt zu wollen in Frage, sondern auch das Interrogativpronomen (Fragepronomen)
was. Wenn dieses aber bereits die notwendige Ergänzung zu
wollen darstellt, dann bedarf es keines weiteren Objektsatzes mehr für diese Funktion. Ein zweites Problem entsteht durch ein fehlendes etwas im Objektsatz, was deutlich wird, wenn man sich die Struktur des Nebensatzes ansieht.
Auch das Verb
sagen verlangt nämlich bestimmte Mitspieler im Satz und zwar einen Sprecher, der etwas sagt, einen Inhalt, was gesagt wird und einen Hörer, an den sich das Gesagte richtet. Damit hat ein Satz mit sagen die folgende Struktur:
Beispiel
9) Jemand sagt jemandem x.
Dabei kann das x auch hier entweder durch ein Wort (10), eine Wortgruppe (11) oder durch einen Objektsatz realisiert werden (12):
Beispiel
10) Ich sage dir
et(was).
11) Ich sage dir
die Wahrheit.
12) Ich sage dir,
dass du gehen sollst.
Legt man Ihrem Beispielsatz nun die Objektsatzlesart zugrunde, dann fällt auf, dass diejenige Konstituente im Nebensatz fehlt, mit der angegeben wird, was gesagt wird. Dieses Fehlen kann nur dadurch erklärt werden, dass das Interrogativpronomen
was aus dem Hauptsatz als diese benötigte Konstituente verstanden wird.
Die diesem Zweifelsfall zugrunde liegende Konstruktion wird als Satzverschränkung bezeichnet. Eine Satzverschränkung liegt dann vor, wenn – einfach formuliert – die Bestandteile zweier Teilsätze miteinander vermischt werden. Otto Behaghel formuliert in seinem Werk
Deutsche Syntax. Eine geschichtliche Darstellung. Band 3. Die Satzgebilde allgemeiner: „Verschränkung […] besteht darin, daß eine Vorstellung, die sachlich Teil eines untergeordneten Gliedes bildet, zum Bestandteil des Satzes gemacht wird, von dem dieses Glied abhängt.“
Die Satzverschränkung besteht in Ihrem Beispiel also darin, dass das Interrogativpronomen
was Teil des Hauptsatzes ist, obwohl mit ihm nicht nach einem Satzglied des Hauptsatzes gefragt wird, sondern nach einem Satzglied des untergeordneten Satzes. Dies wird besonders durch eine Umformulierung der Frage deutlich:
Beispiel
13) Ihr wollt, dass ich ihm was sage?
Durch diese Satzverschränkung wird es möglich, dass man den Nebensatz
das(s) ich ihm sage auch als Relativsatz lesen kann, der sich auf das Interrogativpronomen
was bezieht. Er modifiziert das Pronomen dahingehend, dass mit ihm näher angegeben wird, nach was gefragt wird. Stellt man den Satz entsprechend um, damit der Relativsatz bei seinem Bezugsausdruck steht, würde er also lauten:
Beispiel
14) Was, das ich ihm sage, wollt ihr denn?
Diese Lesart als Relativsatz ist jedoch ebenfalls problematisch, da sich Relativsätze für gewöhnlich nicht auf Interrogativpronomen beziehen können. Der Satz dient an dieser Stelle trotz der Problematik dazu, die andere Lesart zu erläutern.
Für die Lesart als Relativsatz spricht darüber hinausgehend, dass Relativsätze attributive Nebensätze sind, was bedeutet, dass sie über etwas Genanntes zusätzlich Auskunft geben. Damit sind sie aber aus grammatischer Perspektive prinzipiell weglassbar. Lässt man in dieser Variante den Relativsatz weg, dann führt dies zur Frage:
Beispiel
15) Was wollt ihr denn?
Diese Frage ist aus grammatischer Perspektive vollständig. Dass der Nebensatz also prinzipiell weglassbar ist, spricht für eine Lesart als Relativsatz, denn Objektsätze sind nicht weglassbar.
Entsprechend sind beide Interpretationsvarianten Ihres Beispiels prinzipiell denkbar, sie lassen sich jedoch unterschiedlich grammatisch erklären:
Lautet die Frage
Was wollt ihr, das ihm sage?, dann nimmt man an, dass sich der zweite Teilsatz auf das Interrogativpronomen
was bezieht. Es würde sich um einen Relativsatz handeln, weswegen das Relativpronomen
das zu Beginn des Satzes stehen müsste. Das Problem in dieser Lesart besteht darin, dass sich der Relativsatz auf ein Interrogativpronomen bezieht, was eher ungewöhnlich im Deutschen ist.
Formuliert man jedoch die Frage
Was wollt ihr, dass ich ihm sage?, dann würde der Nebensatz die Funktion eines Objektsatzes übernehmen, der die Funktion einer notwendigen Ergänzung zu
wollen übernimmt. Das Problem in dieser Lesart besteht darin, dass wir zwei Objekte zu
wollen vorliegen haben, nämlich einmal das Interrogativpronomen
was und der Objektsatz. Darüber hinaus würde eine Ergänzung zu dem Verb
sagen fehlen.
Insgesamt ist eine eindeutige grammatische Interpretation Ihres Beispiels aufgrund der vorliegenden Satzverschränkung schwierig. Sie trägt dazu bei, dass sowohl die Lesart als Objektsatz als auch die Lesart als Relativsatz aus den genannten Gründen nicht vollkommen überzeugen können. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein einmaliges sprachliches Phänomen. Vielmehr scheint diese Konstruktion produktiv verwendet zu werden, wie der einleitend erwähnte Beitrag zeigt.
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