Bei Ihrer Frage geht es um die Analyse von
das als Relativpronomen (
das) oder als Subjunktor (
dass). Aus diesem Grunde handelt es sich auch um eine grammatische Frage und nicht nur um eine Frage nach der Schreibung.
Wir möchten zunächst unsere Analyse Ihres Beispiels vorausschicken und anschließend auf eine Diskussion zu einem vergleichbaren Zweifelsfall hinweisen.
Der gesamte Satz ist als Prädikativ-/Kopulakonstruktion zu analysieren:
Beispiel
(1) Wittgenstein ist X.
In Prädikativkonstruktionen erfolgt stets eine Gleichsetzung eines X mit dem Subjekt. Das Verb
sein wird in solchen Konstruktionen Kopulaverb genannt. Als andere Kopulaverben kommen noch
bleiben und
werden in Frage.
In (2) ist X als Nominalgruppe im Nominativ realisiert, am gleichen Kasus erkennt man auch gut die Gleichsetzung mit dem Subjekt:
Beispiel
(2) Wittgenstein ist ein berühmter Philosoph.
In Ihrem Beispiel ist x aber nicht einfach eine Nominalgruppe, sondern x ist satzförmig. Satzförmige Realisierungen von Prädikativen sind relativ selten, die Dudengrammatik bringt das folgende Beispiel:
Beispiel
(3) Otto wird, was schon sein Großvater wurde. (§ 1207)
Bei Ihrem Beispiel kommt nun die Schwierigkeit hinzu, dass in das satzförmige Prädikativ ein weiterer Nebensatz eingebettet ist, und zwar
das/dass er sei. Das satzförmige Prädikativ ist hier also
was wir wollen, das/dass er sei. Es bleibt nun die Frage zu klären, in welchem Verhältnis dieser Nebensatz zum übergeordneten Prädikativsatz
was wir wollen steht, damit dann die Entscheidung für
das (= Relativpronomen) oder
dass (= Subjunktor) getroffen werden kann.
Das Verb
wollen verlangt – wenn es nicht mit einem Infinitiv verbunden ist - ein direktes Objekt:
Beispiel
(4) Alle Kinder wollen Ferien.
Der Nebensatz
dass er sei ist deshalb u.E. als Objektsatz zu betrachten:
Beispiel
(5) Wir wollen, dass Wittgenstein x sei.
Ein-
das-Relativsatz kommt hingegen nicht als Realisierung des von
wollen geforderten Objekts in Frage.
Die Analyse des Beispiels wird dadurch erschwert, dass x in diesem Nebensatz nicht realisiert ist. Das könnte – dies hat eine Diskussion des Beispiels mit Studenten ergeben - zur Vermutung führen, dass
sein hier als Vollverb gebraucht wird und dass es also um die Existenz von Wittgenstein gehe. Da das ja offenbar nicht gemeint ist, führte das bei den befragten Studenten häufig zu der Schlussfolgerung, es müsse doch
das heißen.
Wir vermuten, dass auf die Nennung des X hier deshalb verzichtet werden kann, weil das Satzgefüge ja ohnehin bereits in eine komplexere Prädikativkonstruktion eingebettet ist. Es handelt sich um eine Verschränkung, die wie folgt aufgelöst werden kann:
Beispiel
(6) Wittgenstein ist, was er ist.
Die Variante (6) ist sozusagen die einfache Ausgangsvariante. Der Teil
was er ist wird durch
wollen ergänzt, das führt zu der Verschränkung:
[was er ist] + [wir wollen, dass]:
Beispiel
(7) Wittgenstein ist, was [wir wollen, dass] er ist.
Man kann das noch verdeutlichen, indem man das Korrelat
das in den übergeordneten Kopulasatz einfügt:
Beispiel
(8) Wittgenstein ist das, was wir wollen, dass er sei.
Daran erkennt man wiederum, dass mit
was hier ein sogenannter „freier Relativsatz“ gebildet wird (Dudengrammatik § 404), bei dem das Bezugswort im übergeordneten Satz „hinzuzudenken ist“ (DG ebd.). Eine Analyse des Beispiels als Relativsatz (also mit
das) erachten wir deshalb auch nicht für sinnvoll, weil
was als Bezugswort für ein Relativpronomen nicht in Frage kommt, weil es selbst ein Relativpronomen ist.
Betrachten wir nun noch einen vergleichbaren Zweifelsfall:
Beispiel
(9) Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinen andern zu.
Hierzu hat ein berühmter Grammatiker, Peter Eisenberg, wie folgt Stellung bezogen:
http://books.google.de/books?id=tCuA...enberg&f=false
Wir stimmen zwar Peter Eisenberg darin zu, dass es "Ein Satz voller Haken und Ösen ist", nicht aber seiner Einschätzung, dass eine Objektsatzlesart nur in Frage käme, wenn es sich bei
was du willst um einen Frage- und nicht um einen Relativsatz handeln würde.
Peter Eisenberg spricht davon, dass Bestandteile zweier Teilsätze durcheinander gebracht werden. Einen solchen Fall von „Durcheinanderbringen“ nennt man Satzverschränkung. Die Satzverschränkung ist u.E. durchaus grammatisch analysierbar. In beiden Beispielen handelt es sich um eine Art "Objekthäufung":
In (9) ist Objekt zu
willst sowohl
was als auch
dass man dir tut. Die Verschränkung kann man sich so vorstellen:
Beispiel
(10) Du willst nicht, dass man dir was tut.
(11) Du tust nicht, was du nicht willst.
Beispiel
-> (9) Was du nicht willst, dass man dir tut…
Auch für Ihr Beispiel gilt, dass
was ebenso Objekt ist zu
wollen wie
dass er sei.
Für eine Relativsatzdeutung müsste es in beiden Beispielen für
das ja ein Bezugselement im übergeordneten Teilsatz geben. Eisenberg hält diese Lösung offenbar prinzipiell für eher geeignet als die Objektsatzdeutung:
Das wäre dann als Relativpronomen zu
was zu interpretieren, was aber wiederum Relativpronomen zu
das ist. Das wäre dann auf eine Konstruktion wie die folgende zurückzuführen:
Beispiel
(12) Das, was, das man dir tu, du nicht willst, das füg auch keinem andern zu.
Eisenberg sagt dazu, dass es eine solche Konstruktion (also eine Konstruktion, bei der sich ein Relativpronomen auf ein Relativpronomen bezieht) im Deutschen aus guten Gründen nicht gebe, (12) ist also nur als ein Durchspielen einer potentiellen Deutungsmöglichkeit zu verstehen.
Eisenberg schlussfolgert letztendlich in Bezug auf beide Analysemöglichkeiten, dass der Satz nicht aufgeht. Das halten wir nicht für eine zufriedenstellende Lösung, denn der Satz existiert ja. Die Sprachgebrauchsdaten (vgl. unten) zeigen, dass (9) sogar sehr häufig vorkommt. Bei (9) könnte man nun einfach sagen, dass es sich eben um ein Sprichwort handele, in dem sich eine eigentlich nicht erklärbare Struktur verfestigt hat. Ihr Beispiel zeigt ja aber gerade, dass die Konstruktion auch außerhalb dieses verfestigten Gebrauchs möglich ist.
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