U.E. sind die folgenden beiden Varianten möglich:
Beispiel
(1) Ich werde das Buch haben lesen müssen.
(2) Ich werde das Buch gelesen haben müssen.
Wir möchten dies wie folgt begründen: Ihr Missverständnis liegt u.E. darin, dass Sie annehmen, dass man am Modalverb ein Konjugationsmerkmal erkennen müsste.
Ein Verbalkomplex ist immer ein Komplex aus nur einer finiten Verbform und verschiedenen infiniten Teilen:
Beispiel
(3) Er wird das Buch lesen.
(4) Das Haus wird gebaut.
(5) Er wird das Buch gelesen haben.
In (3) ist der infinite Teil ein Infinitiv (
lesen), in (4) ein Partzip II (
gebaut) und in (5) eine Kombination aus Partizip II und Infinitiv (
gelesen haben), die man auch als "Infinitiv Perfekt" bezeichnet. Wichtig ist: Auch das Partizip II ist eine infinite Form! Das bedeutet, dass die Form gleich bleibt und nicht in Bezug auf die Kategorien Person und Numerus verändert wird (vgl.
Das Haus wird gebaut vs. die Häsuer werden gebaut).
Beispiel (3) ist die Futur-I-Form von
lesen. Wie Sie sehen, ist das Vollverb
lesen selber dort ja auch als Infinitiv realisiert. Dass das Verb, das ein wichtiger Bestandteil des Futurkomplexes ist, als Infinitiv realisiert ist, spricht also nicht dagegen, dass es sich bei (2) um eine mögliche Variante handelt.
Ihre dritte Variante dagegen
(6) Ich werde das Buch lesen gemusst haben.
ist deshalb nicht möglich, weil das Partizip II des Modalverbs nicht anaolg zu den Partizipien der Vollverben gebildet wird. Vielmehr verwendet man anstelle des Partizips II bei den Modalverben den sogenannten Ersatzinfinitiv:
Beispiel
(7) Ich habe das Buch lesen müssen.
Es gibt zwar auch die Form
gemusst, diese wird jedoch nur verwendet, wenn das Modalverb als Vollverb, also ohne weitere Verbform gebraucht wird:
Beispiel
(8) Ich habe nach Hause gemusst.
Um nun zu rekonstruieren, wie das Futur II mit Modalverben gebildet wird, schlagen wir vor, schrittweise vorzugehen und dabei jeweils zu beobachten, was beim nächsten Schritt passiert:
Beispiel
(9) Ich muss das Buch lesen.
Im Präsens ist das Modalverb das finite Verb. Modalverben haben die Eigenschaft, einen Infinitiv an sich zu binden (= zu "regieren"), deshalb ist das Vollverb
lesen als Infinitiv realisiert.
Beispiel
(10) Ich werde das Buch lesen müssen.
Für die Bildung des Futur I kommt nun das Hilfsverb
werden mit ins Spiel. Nun übernimmt dieses Verb die Funktion, die Kategorien Person und Numerus zu kennzeichnen, es ist das finite Verb. Das Hilfsverb
werden als Hilfsverb zur Futurbildung regiert ebenso wie Modalverben einen Infinitiv. Deshalb ist das Modalverb hier als Infinitivform realisiert. Das Verb
lesen ist nach wie vor der vom Modalverb regierte Infinitiv. Wenn wir nun die Futur-II-Form bilden wollen, wird nach wie vor vom Hilfsverb
werden ein Infinitiv regiert. Dabei muss es sich nun um einen Infinitiv Perfekt handeln, wie in dem folgenden Beispiel ohne Modalverb:
Beispiel
(11) Ich werde das Buch gelesen haben.
Das Futur II wird deshalb teilweise auch als "Futurperfekt" bezeichnet (bspw. in der Dudengrammatik).
In der Konstruktion mit Modalverb haben wir nun sozusagen zwei prinzipielle Möglichkeiten, ein Infinitiv Perfekt unterzubringen, das sind die Varianten (1) und (2):
Beispiel
(1) Ich werde das Buch haben lesen müssen.
(2) Ich werde das Buch gelesen haben müssen.
(1) ist zwar weniger gut als Infinitiv Perfekt erkennbar, da das Perfekt von Modalverben wie gesagt mit einem Ersatzinfinitiv gebildet wird, das ändert aber nichts daran, dass es sich um eine Perfektform handelt. Der Unterschied zwischen (1) und (2) besteht darin, dass in (1) das vom Hilfsverb
werden regierte Modalverb im Infinitiv Perfekt realisiert ist und in (2) das vom Modalverb regierte Vollverb. Bei Modalverben gibt es immer diese beiden prinzipiellen Möglichkeiten, vgl.:
Beispiel
(12) Er hat das Buch lesen müssen.
(13) Er muss das Buch gelesen haben.
(12) ist das Perfekt des Modalverbs, (13) ist ein Modalverb mit einem Infinitiv Perfekt. Auf die damit verbundenen Bedeutungsunterschiede gehen wir hier nicht näher ein.
Streng genommen ist nur (1) das Futur II des Modalverbs, weil hier die Bedingung erfüllt ist, dass der Infinitiv Perfekt vom Hilfsverb
werden regiert ist. (2) ist dagegen ein Futur I des Modalverbs, wobei vom Modalverb wiederum ein Infinitiv Perfekt abhängt.
Bei so komplexen und seltenen Formen heißt das aber nicht unbedingt, dass die eigentlich sprachsystematisch richtige Form auch tatsächlich im Sprachgebrauch bevorzugt wird. Wir würden jedenfalls vom Sprachgefühl her Variante (2) bevorzugen.
Abschließend möchten wir noch auf eine bereits vorliegende Fragenzur Bildung von Verbalkomplexen mit Modalverben hinweisen, hier noch einmal verkompliziert durch die zusätzliche Komponente Passiv:
http://www.grammatikfragen.de/showth...=verb_sonstige
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