Ihre Frage bezieht sich auf die Verwendung des Reflexivpronomens
sich bzw. des reflexiv gebrauchten Personalpronomens
mir im Satz
Ich ziehe (mir) die Schuhe an. Das Verb
anziehen zählt zu den sogenannten unechten reflexiven Verben, bei denen das Reflexivpronomen zusätzlich oder anstelle von anderen Ergänzungen verwendet werden kann. Im Gegensatz dazu können echte reflexive Verben nur reflexiv verwendet werden
(sich schämen).
Die Frage richtet sich damit auf die Valenz des Verbs
anziehen. Unter
Valenz wird die Fähigkeit eines Verbs verstanden, den Satz hinsichtlich seiner Konstituenten festzulegen und diese bezüglich ihrer Formeigenschaften zu bestimmen. Das Verb fordert also verschiedene Mitspieler im Satz, die je nach Verwendung in unterschiedlichen Kasus stehen. Laut E-Valbu, dem elektronischen Valenzwörterbuch des Instituts für deutsche Sprache, wird bei
anziehen im Sinne von Kleidung anlegen unterschieden zwischen
jemand zieht jemanden an und
jemand zieht jemandem etwas an.
Bei
jemand zieht jemanden an sind der Nominativ und der Akkusativ obligatorisch. Als Akkusativ kann wird hier häufig das Reflexivpronomen
sich verwendet:
Beispiel
Sie zieht ihren Jungen an.
Er zieht sich an.
Bei
jemand zieht jemandem etwas an sind auch der Nominativ und der Akkusativ obligatorisch, der Dativ ist hier fakultativ. Es ändern sich jedoch die semantischen Rollen im Satz, sodass das Kleidungsstück im Akkusativ steht und das Reflexivpronomen
sich als Dativ verwendet werden kann.
Beispiel
Sie zieht ihrem Jungen die Jacke an.
Er zieht sich die Schuhe an.
Für den Beispielsatz
Ich ziehe (mir) die Schuhe an kann also festgehalten werden, dass der Satz sowohl mit als auch ohne dem reflexiv gebrauchten Personalpronomen
mir stehen kann, da das Verb
anziehen zum einen zu den unechten reflexiven Verben zählt, bei denen das Reflexivpronomen zusätzlich verwendet werden kann, und zum anderen der Dativ in
jemand zieht jemandem etwas an aus valenztheoretischer Perspektive fakultativ ist. Ob bezüglich der Verwendung des Reflexivpronomens bei
anziehen Tendenzen gibt, kann eine Analyse des Sprachgebrauchs zeigen.