Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Man stößt sehr oft auf diese Art von Dativkonstruktion. Ist sie gutes, richtiges Deutsch?
Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
Dudengrammatik
Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Man stößt sehr oft auf diese Art von Dativkonstruktion. Ist sie gutes, richtiges Deutsch?
Mit folgendem Nachschlagewerk versuchte ich dieser Frage auf den Grund zu gehen:
Dudengrammatik
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Grundsätzlich handelt es sich hier um die Frage, welcher Kasus bei lockeren Appositionen (= erläuternder Nachtrag, der stimmlich oder durch Kommas von seiner Bezugsphrase abgetrennt ist) stehen muss oder kann. Laut Dudengrammatik gilt die Grundregel „Die lockere Apposition übernimmt den Kasus von der Phrase, zu der sie gehört.“ (Duden Band 4, 8. Auflage §1553) Diese Grundregel gilt vor allem, wenn die Apposition ein Artikelwort enthält, wie in Ihrem Beispiel.
Beispiel
(1) Der Stephansdom, das Wahrzeichen Wiens, ist eines der wichtigsten gotischen Bauwerke Österreichs.
(2) Wir sprechen über die Geschichte des Stephansdoms, des Wahrzeichens Wiens.
(3) Wir stehen vor dem Stephansdom, dem Wahrzeichen Wiens.
(4) Wir sehen den Stephansdom, das Wahrzeichen Wiens.
Wird die nachgetragene Apposition allerdings ohne Artikelwort angeschlossen, so steht sie häufig im Nominativ, also nicht zwingend in Kongruenz (= Übereinstimmung) zu ihrer Bezugsphrase.
Häufig wird die Apposition jedoch auch in den Dativ gesetzt, wie in Ihrem Beispiel. Die Dudengrammatik spricht hier von der Verwendung des Dativs als „Normalkasus“, vor allem:
(a) nach Präpositionen, die eigentlich den Akkusativ oder den Genetiv regieren (= verlangen):
Beispiel
- Der Preis für Brot, dem Grundnahrungsmittel der Bevölkerung, ist gestiegen. (Dativ als Normalkasus)
- Der Preis für Brot, das Grundnahrungsmittel der Bevölkerung, ist gestiegen. (Kongruenz im Akkusativ)
(b) bei Akkusativobjekten
Beispiel
- Sorgfältige Anmerkungen und Register erschließen den gut bebilderten Band, einem wichtigen Beitrag über Thoma und seine Zeit. (Dativ als Normalkasus)
- Sorgfältige Anmerkungen und Register erschließen den gut bebilderten Band, einen wichtigen Beitrag über Thoma und seine Zeit. (Kongruenz im Akkusativ)
(c) bei possessiven Attributen (= besitzanzeigende Ergänzungen)
Beispiel
- Die Verhaftung des Generals, einem berüchtigten Verbrecher, wurde lange hinausgezögert. (Dativ als Normalkasus)
- Die Verhaftung des Generals, eines berüchtigten Verbrecher, wurde lange hinausgezögert. (Kongruenz im Genitiv)
Diese Dativapposition wird, wie Sie auch angemerkt haben, zwar häufig verwendet und kommt vielen Sprechern „normal“ vor, gilt aber standardsprachlich als nicht korrekt. Wenn Sie völlig sicher gehen wollen, vermeiden Sie diese Form in der geschriebenen Sprache. (Vgl. Duden Band 4, 8. Auflage S. 981)
Nun zu der Frage, ob man sich ein „von“ dazu denken muss:
In Ihrem genannten Beispielsatz stellt die Bezugsphrase „des Stephansdoms“ ein possessives Attribut und zwar in Form einer Genitivphrase dar. Possessive Attribute können jedoch auch alternativ mit „von“ + Dativ ausgedrückt werden:
(1) Wir sprechen über die Geschichte des Stephansdoms. (Genitivphrase)
(2) Wir sprechen über die Geschichte vom/von dem Stephansdom. („von“ + Dativ)
Schließt man nun die Appositionen in Kongruenz zu ihrer Bezugsphrase an, so sehen die Beispiele wie folgt aus:
(1) Wir sprechen über die Geschichte des Stephansdoms, des Wahrzeichens Wiens.
(2) Wir sprechen über die Geschichte vom/von dem Stephansdom, dem Wahrzeichen Wien.
Aufgrund dieser Möglichkeiten ein possessives Attribut auszudrücken, könnte man glauben, dass man sich ein „von“ hinzu denken muss (wenn man von einer Vermischung dieser beiden Konstruktionen ausgeht). Allerdings funktioniert dieser Erklärungsansatz nur in diesem Beispiel und kann nicht im Allgemeinen die Verwendung des Dativs als Normalkasus erklären. Dies zeigen die oben genannten Beispiele, in denen der Dativgebrauch nicht mit einer Ergänzung durch „von“ aufgeklärt werden kann.
Der Satzteil hinter dem Komma ist eine sog. Apposition: Grammatikalisch wäre die Kasuskongruenz zwischen Stephansdom und Wahrzeichen also zu wahren. Heraus käme dann: Wir sprechen über die Geschichte des Stephansdoms, des Wahrzeichens Wiens.
Das wären m. E. sehr viele s am Ende, weswegen ich für den vorliegenden Fall vorschlagen würde, über die Geschichte des Stephansdoms zu sprechen, des Wahrzeichens von Wien.
Wir sprechen über die Geschichte des Stephansdoms, des Wahrzeichens von Wien.