Sie haben bereits erkannt, dass „als“ nicht wie eine klassische Präposition einen bestimmten Kasus regiert (d.h. fordert), sondern der Kasus in einer bestimmten Weise von seinem syntaktischen Umfeld abhängig ist.
Zwar ist der Kasus des folgenden Substantivs bei „als“ in gewisser Weise determiniert, jedoch geschieht dies hier durch die Kongruenz mit dem Bezugswort. Die mit „als“ eingeleitete Wortgruppe nimmt also die gleiche grammatische Form (Kasus, Numerus, Genus) wie ihr Bezugswort ein; Sie schlagen für dieses Prinzip den Begriff „Vererbung des Falls“ vor.
Beispiel
Professor Müller gilt als Experte für moderne Musik.
Professor Müller und Professor Meier gelten als Experten für moderne Musik.
In den Beispielen sehen Sie die Kongruenz zwischen Bezugswort und die durch als angeschlossene Nominalgruppe sehr deutlich. Sobald das Bezugswort im Nominativ Plural maskulin (Professor Müller und Professor Meier) steht, wird auch das Substantiv „Experte“ in den kongruenten Kasus, Numerus und das Genus versetzt (Experten). Das
als verbindet die kongruenten Elemente.
Allgemein könnte man „als" grammatisch als
Junktor bezeichnen, da es eine
verknüpfende Funktion hat. „Als“ leitet eine Konjunktionalgruppe ein und schließt eine Nominalgruppe an eine andere an;
verbindet also
gleichrangige Elemente. Im Unterschied zu Präpositionen regiert, d.h. fordert, „als“ an sich keinen Kasus. Die Beziehung zwischen den verbundenen Satzteilen wird in der Regel durch Übereinstimmung im Kasus (=Kasuskongruenz) gekennzeichnet. Junktoren mit diesen speziellen Eigenschaften werden in einigen Grammatiken (z.B. Helbig/Buscha) als
Adjunktoren bezeichnet.
Anhang 68
Adjunktoren können zum Ausdruck eines Vergleichs oder zur
Identifizierung (Zuordnung) verwendet werden. Insgesamt haben Adjunktoren einen
zuweisenden Charakter.
Beispiel
Mit Professor Meier als einem Experten für moderne Musik kann man gut über Wagner diskutieren.
Anhang 69
Die Frageproben, die Sie anwenden, sind semantischer Art. Derartige Frageproben sind aus linguistisch-grammatischer Perspektive nicht zuverlässig, wie an Ihrem Beispiel deutlich wird. Auf Ihre Frage, „Wer ist der Kämmerer?“ würden Sie mit „der Vorsitzende“ antworten; Sie kämen also zu dem Schluss, „der Vorsitzende“ müsse Subjekt sein und demzufolge im Nominativ stehen (allerdings ist „dieser Punkt“ Subjekt des Satzes!).
Beispiel
(I) Dieser Punkt fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers als Vorsitzender des Ausschusses.
(II) Dieser Punkt fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers als Vorsitzenden des Ausschusses.
Das Bezugswort der Adjunktorgruppe (Wortgruppe mit „als“) ist in Ihrem Beispielsatz das Genitivattribut „des Kämmerers“.
Dementsprechend muss die Adjunktorgruppe im Genitiv realisiert werden, sofern man die Adjunktorgruppe und das Bezugswort in Kongruenz stellen und somit verbinden möchte.
Beispiel
(I) Dieser Punkt fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers
als Vorsitzenden des Ausschusses.
Anhang 70
Neben der kongruenten Genitiv-Form ist es
ebenfalls möglich, den Nominativ als Vorsitzender (des Ausschusses) zu verwenden. Auf den Nominativ wird häufig bei Appositionen ausgewichen, wenn die
Bezüge eindeutig sind und daher
eine Kasuskongruenz für die Herstellung der Zusammenhänge nicht unbedingt notwendig ist. In manchen Fällen ist der Nominativ sogar der Normalfall:
z.B. bei Bezug auf einen possessiven Genitiv:
Beispiel
Die Würdigung des Schülers als eigentlicher Klassenbester
z.B. bei lockeren Appositionen mit artikellosen Eigennamen:
Beispiel
Die Würdigung des Schülers, Max Mustermann
In diesem Fall fungiert die Adjunktorgruppe wie ein Prädikativ:
Beispiel
Die Würdigung dieses Schülers als eigentlicher Klassenbester
(Dieser Schüler ist der eigentliche Klassenbeste.)
Die Würdigung des Schülers, Max Mustermann
(Max Mustermann ist der Schüler.)
des Kämmerers als Vorsitzender des Ausschusses
(Der Kämmerer ist der Vorsitzende des Ausschusses.)
Für den Nominativ spricht ebenfalls, dass der Bezug in Ihrem Beispiel auch ohne Genitiv eindeutig ist, da sich Vorsitzender des Ausschusses nicht sinnvoll auf andere Nominalgruppen des Satzes (dieser Punkt; Entscheidungskompetenz) beziehen lässt.
Beispiel
(I) Dieser Punkt fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers
als Vorsitzender des Ausschusses.
Es entstehen also auch mit Nominativ keine Missverständnisse.
Für die Verwendung von "als Vorsitzenden" des Ausschusses spricht die Perspektive der Kongruenz bei Adjunktorgruppen. Dabei stellt als eine Beziehung zwischen zwei Satzteilen her, die über Kasuskongruenz gekennzeichnet ist.
Für die Verwendung des Nominativs "als Vorsitzender" des Ausschusses spricht hingegen die Betrachtung der Adjunktorgruppe wie ein Prädikativ. Auch ohne Genitiv ist der Bezug in Ihrem Beispiel eindeutig. Es ist daher Ihnen überlassen, welcher Argumentation Sie folgen möchten und für welchen Kasus Sie sich entscheiden.
Abschließend möchte ich auf Ihr alternatives Beispiel ohne
„als“ eingehen.
Beispiel
(III) Dieser Punkt fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers, dem Vorsitzenden des Ausschusses.
Auch in dieser Konstruktion findet systematisch eine „Vererbung“ des Falls, wie Sie es nennen, statt.
Grammatisch handelt es sich in Beispielen wie Ihrem
Beispiel
Der Kämmerer, der Vorsitzende des Ausschusses, kam heute zu spät.
Ich gebe dem Kämmerer, dem Vorsitzenden des Ausschusses, einen Hinweis.
Ich sehe den Kämmerer, den Vorsitzenden des Ausschusses.
Das ist die Tochter des Kämmerers, des Vorsitzenden des Ausschusses.
um
lockere Appositionen. Eine lockere Apposition ist ein Nachtrag, der von den übrigen Bestandteilen des übergeordneten Satzgliedes (I,II, III) bzw. Gliedteils (IV) abgesetzt ist (in gesprochener Sprache stimmlich abgesetzt, in geschriebener durch ein Komma abgetrennt). Syntaktisch gehören lockere Appositionen zu den Attributen: Sie erläutern oder identifizieren die Phrase, zu der sie gehören (in diesem Beispiel „Kämmerer(s)“.
Die lockere Apposition übernimmt den Kasus von der Phrase, zu der sie gehört (=Kongruenz im Kasus).
In Ihrem Beispiel
Beispiel
(III) Dieser Punkt fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers, dem Vorsitzenden des Ausschusses.
müsste die lockere Apposition, die sich auf „des Kämmerers“ bezieht, also ebenfalls im Genitiv realisiert werden.
Beispiel
Dieser Punkt fällt in die Entscheidungskompetenz des Kämmerers, des Vorsitzenden des Ausschusses.