Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Seit Ewigkeiten bin ich überzeugt von der zweiten Version, lese aber in letzter Zeit häufiger die erste, also einen nominativischen Anschluss. Jetzt will ich das doch mal genauer wissen.
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Wie ich auf die Frage gestoßen bin:
Seit Ewigkeiten bin ich überzeugt von der zweiten Version, lese aber in letzter Zeit häufiger die erste, also einen nominativischen Anschluss. Jetzt will ich das doch mal genauer wissen.
Die Beantwortung Ihrer Frage ist Teil eines Forschungsprojekts zur Verständlichkeit von grammatischen Erklärungen. Wir bitten Sie deshalb darum, im Anschluss an die Lektüre der Antwort die Tools zur Bewertung (Fragebogen, Sternchenfunktion, Antwortoption) zu nutzen.
Sprachsystem
Welcher Kasus auf außer folgt, hängt von den unterschiedlichen Bedeutungen und Verwendungen ab. Zum einem kann außer als Präposition verwendet werden – und hierbei unterscheiden sich die von der Präposition verlangten Kasus nochmals nach verschiedenen Bedeutungen – und zum anderen wird außer gelegentlich auch als Konjunktion gebraucht.
1. Bei der Präposition außer lassen sich je nach Bedeutung bzw. Verbindung 4 verschiedene Kategorien unterscheiden:
1. außer im Sinne von „ausgenommen, abgesehen von“ 2. außer im Sinne von „außerhalb“ 3. außer in Verbindung mit Verben der Bewegung 4. außer in diesen festen Wendungen Kasusrektion (d.h. welcher Kasus von der Präposition verlangt wird) Dativ Dativ Akkusativ Genitiv Beispiel „Man hörte nichts außer dem Ticken der Uhr.“ „Sie können auch außer der Zeit kommen.“ „Wir sollten die Meinungs- und Pressefreiheit außer jeden Zweifel stellen.“ „Er ist außer Landes/Hauses gewesen.“
Betrachtet man nun außer in Ihrem Beispiel als Präposition, wird es womöglich im Sinne von „ausgenommen, abgesehen von“ verwendet. Somit fordert die Präposition außer von ihrem „Mitspieler“, also von dem folgenden Wort, normalerweise den Dativ. Daher würde dieser Analyseweg zu folgendem Ergebnis führen:
Beispiel
(1) „Alle tragen rote Socken außer mir.“
2. Die zweite Möglichkeit ist, außer als Konjunktion zu betrachten. Während Präpositionen innerhalb von Satzgliedern stehen und somit den Kasus des Mitspielers bestimmen, stehen Konjunktionen außerhalb von Satzgliedern, da sie dazu dienen, gleichartige Wörter, Wortgruppen etc. miteinander zu verbinden. Das bedeutet, dass in diesem Fall nicht außer einen bestimmten Kasus verlangt, sondern der Kasus durch das Bezugswort, was durch außer mit der folgenden Wortgruppe verbunden wird, bestimmt wird.
In Ihrem Beispiel ist alle, also das Subjekt im Nominativ, das Bezugswort zu dem der Konjunktion folgenden Wort. Daher wird in dieser Lesart auch das Pronomen in den Nominativ gesetzt:
Beispiel
(2) „Alle tragen Socken außer ich.“
Fazit: Nach dieser Analyse gelangt man zu dem Schluss, dass je nach Lesart beide Varianten zulässig sind und somit die Entscheidung von Ihren abhängt.
Sprachgebrauch
Gibt man die Formulierungen alle außer mir und alle außer mich bei der Suchmaschine Google und dem Zeitungskorpus des Instituts für deutsche Sprache Cosmas II ein, zeichnet sich eine klare Tendenz zur Dativ-Verwendung ab:
Treffer bei Google Treffer bei Cosmas II alle außer mir 183.000 13 alle außer ich 25.800 -
Bei der Google-Recherche muss jedoch erwähnt werden, dass hier ebenfalls metasprachliche Treffer und Treffer für Übersetzungsvorschläge in andere Sprachen mit eingeschlossen sind. Diese können das Bild ein wenig verzerren. Bei Cosmas II hingegen handelt es sich wirklich lediglich um die Verwendung in der geschriebenen Sprache.
Eine Untersuchung der Wortgruppe alle außer x bei Cosmas II für die Jahrgänge 2005-2011 zeigt ebenfalls, dass der Dativ mit außer im Sinne von „abgesehen von“ präferiert wird. Dabei ließen sich insgesamt für diesen Zeitraum für außer im Sinne von „abgesehen von“ 181 Treffer finden.
Davon nahm die Dativ-Konstruktion mit ca. 50% einen großen Teil der Treffer ein. Der Dativ-Konstruktion folgt mit 47 % aller Treffer die Konstruktion alle außer + Name (Personennamen und geographische Namen). Bei diesen ist der Kasus aufgrund des Eigennamen schwer feststellbar.
Beispiel
(3) „Außerdem haben wir ohne Friedrich Klasen mit einem starken Handycap gespielt, da alle außer Marko Lenz eine Position aufrücken mussten“, erklärt Wohlgemuth.“ (Braunschweiger Zeitung, 11.01.2010)
Der Gebrauch von außer als Konjunktion ist in dieser Untersuchung eher unterrepräsentiert (3 %). Hier ließen sich insgesamt 6 Treffer finden, von denen vier Mitspieler den Nominativ hatten und zwei innerhalb einer Präpositionalgruppe mit „für“ auftraten.
Beispiel
(4) Alle außer die „sehr guten“ Duschlotionen und –gele im Testfeld enthalten PEG/PEG-Derivate. (Braunschweiger Zeitung, 10.08.2006)
(5) Für alle außer für ihn selbst ist dies eine Selbstverständlichkeit. (Mannheimer Morgen, 25.03.2006)
Auf der heutigen Vorderseite von "Die Zeit" im Netz, www.zeit.de, findet man die Rubrik "Alle Nazis außer ich". Hier ist es nicht Frage einer Konjunktion, stelle ich mir vor, und also brauchen wir eine andere Antwort auf die Frage der Rektion von 'außer'. Vielleicht gibt es, ähnlich wie bei 'besser als ich/mich', ein Strukturierung der Information zugunsten von Nominativ, wenn man das Pronomen kommunikativ hervorheben möchte. In der Rubrik von "Die Zeit" würde dann 'mir' weniger prominent klingen als 'ich'.
In unserer Antwort zur Frage "Alle tragen Socken außer ich / außer mir" haben wir die zweite Verwendungsweise von außer als Konjunktion bezeichnet. Es handelt sich natürlich um eine andere Art von Konjunktion als etwa und und oder. Die Besonderheit dieser Form der Konjunktion, die bspw. in der Grammatik des Instituts für deutsche Sprache 'Adjunktor' genannt wird, besteht darin, dass sie eine grammatische Gleichsetzung von zwei Elementen im Satz bewirkt, die beiden Elemente müssen deshalb kongruent sein, d.h. die gleichen Kategorien aufweisen. Der Standardfall eines Adjunktors ist als:
Beispiel
Martin Luther als berühmtester Vertreter der Reformation richtete sich gegen den Ablasshandel.
Man betrachtet Martin Luther als den berühmtesten Vertreter der Reformation.
Die beiden Beispiele zeigen, dass der Kasus nach als sich hier nach dem Kasus des Bezugssubstantivs richtet. Deshalb handelt es sich nicht um eine Präposition und nicht um Rektion, denn in diesem Falle müsste die Präposition den Kasus vorgeben.
Das Besondere an außer ist nun, dass es sowohl als Präposition als auch als Adjunktor vorkommen kann. Als Präposition regiert es einen Kasus, als Adjunktor fungiert es wie als als Bindeglied zwischen zwei grammatisch gleichgesetzten Elementen. Gerade diese doppelte Funktionalität bildet den Hintergrund für Zweifelsfälle.
Im Beispiel aus der ZEIT
Beispiel
Alles Nazis außer ich
wird außer genauso wie im oben stehenden Beispiel
Beispiel
Alle tragen Socken außer ich
als Adjunktor verwendet. Für diese grammatische Interpretation spricht auch hier eine Konstruktion von Varianten mit einem anderen Kasus:
Beispiel
Die Leute nennen alle Nazis außer mich.
Die Leute nennen alle Nazis außer ich.
Durch den Nominativ in der zweiten Variante geht hier der Bezug auf Nazis verloren, der Satz kann nur so gelesen werden, dass ich zu den Leuten gehöre, die alle Nazis nennen. Im ersten Satz erfolgt mit dem Akkusativ von mich eine Anpassung an die Verwendung von alle Nazis in einem Satzkontext mit einer Ergänzung im Akkusativ.
Mit dieser weiterführenden Erläuterung konnten wir aber nur untermauern, dass außer eine Adjunktorvariante kennt. Ob man sich nun für die Adjunktorvariante oder für die Präpositionsvariante auf der Basis von bestimmten informationsstrukturellen Faktoren entscheidet, können wir leider nicht beantworten.